Gesellschaft | Covid 19

Impfung marsch!

Der Sanitätsbetrieb und der Zivilschutz wollen nächste Woche Südtirols Feuerwehren, Bergretter und die Mitglieder der Rettungsorganisationen durchimpfen.

Feuerwehrleute
Foto: Facebook
Die Nachricht des Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr ging am Freitagvormittag hinaus. In dem Schreiben heißt es:
 
"Hallo Kameradinnen und Kameraden, um den Bedarf an Impfdosen abschätzen zu können haben uns der Südtiroler Sanitätsbetrieb und die Agentur für Bevölkerungsschutz gebeten mitzuteilen, wie viele der aktiven Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren an einer Impfung gegen das Virus Covid-19 interessiert sind. Die Impfungen werden, sobald Impfdosen in entsprechender Menge zur Verfügung stehen (Zeitpunkt derzeit nicht bekannt), auf freiwilliger Basis verabreicht und es gibt dafür keine Verpflichtung.
Eine hohe Durchimpfungsrate bei den Mitgliedern aller freiwilligen Organisationen des Zivilschutzes wird jedoch angestrebt. Bitte gebt mir gleich Bescheid wer sich impfen lassen möchte! Dankeschön.“
 
Ähnliche Schreiben kursieren derzeit im gesamten Land. Nach Informationen von Salto.bz sollen in der kommenden Woche sowohl Südtirols freiwillige Feuerwehrleute als auch die Mitglieder der Bergrettung sowie jene des Weißen und Rotes Kreuzes gegen Covid 19 geimpft werden. So jedenfalls lautet die Vorgabe, die offiziell hinausgegangen ist.
Auffallend dabei: Der Sanitätsbetrieb und das Land haben keinerlei durchdachte und genehmigte Impfstrategie. Überall auf der Welt gibt es klare Pläne, wer prioritär gegen Covid-19 zu impfen sei. Die Logik würde davon ausgehen, dass man zuerst die an der Covid-Front tätigen Mitarbeiter der Sanität und der Sozialdienste und die Risikokategorien – vor allem die Menschen und Mitarbeiter in den Altersheimen – impft.
Aber in Südtirol ist das anscheinend anders. In den Altersheimen wurde mit den Impfungen zwar begonnen, aber von einer Durchimpfung kann bei weitem noch nicht die Rede sein. Ähnlich in der Sanität. Auch dort wurden keinerlei Vorgaben gemacht. So passiert es, dass Verwaltungsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter inzwischen geimpft wurden, während Krankenpfleger und Ärzte, die mit Coronapatienten in direktem Kontakt stehen, immer noch auf die Impfung warten. „Es wird völlig willkürlich geimpft“, bestätigt ein Arzt, der in die Südtiroler Impfkampagne eingebunden ist.
 
 
Weil in den vergangenen Tagen immer stärkere Kritik an der geringen Durchimpfungsrate in Südtirol aufbrandet, will man die Impfrate so schnell wie möglich steigern. Die Feuerwehren und freiwilligen Rettungsorganisationen sind dafür wie geschaffen.
Aus der Direktion des Südtiroler Sanitätsbetriebes kommt jetzt aber eine neue Order. Weil in den vergangenen Tagen immer stärkere Kritik an der geringen Durchimpfungsrate in Südtirol und den im Vergleich zu Trentino geringen gebrauchten Impfdosen aufbrandet, will man anscheinend die Impfrate so schnell wie möglich steigern.
Diese freiwilligen Rettungsorganisationen sind dafür wie geschaffen. Fast schon militärisch organisiert, kann man mit geringem Aufwand eine beachtliche Gruppe in kurzer Zeit durchimpfen. Dazu kommt, dass sich kaum jemand im Land finden wird, der sich offen gegen diese Gangart aussprechen wird. Denn die Gemeinnützigkeit und das Engagement dieser Organisationen sind unbestritten.
Dass Südtirols Impfstrategie damit weniger epidemiologische Grundsätzen folgt als politischen Bedürfnissen und Befindlichkeit, ist nur eine weitere Spielart des Südtiroler Sonderweges.
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Harry Dierstein Sa., 09.01.2021 - 15:39

Ich würde mich lieber heute als morgen impfen lassen, bin aber nur nachrangiger Oberschullehrer, der täglich Bus und Zug fährt, um sich danach zusammen mit - in Summe - rund 100 Personen in oft viel zu engen Räumen aufzuhalten.

Es ist natürlich klar, dass in Südtirol Bergretter (!) Vorrang bei der Impfung vor mir haben, denn immerhin müssen diese Freitzeitsportler bergen und ich nur den Nachwuchs unterrichten. Deshalb ist er für Südtirol natürlich auch sehr viel systemrelevanter als ich.
Warum erstellt die Staat eigentlich (kluge) Impfpläne, wenn Südtirol dann sowieso wieder (unklug) macht, was es will?
Ah, verstehe. Hauptsache "Sonderweg", alles andere ist wohl Nebensache.

Sa., 09.01.2021 - 15:39 Permalink
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Werner Beikircher Mo., 11.01.2021 - 10:30

Antwort auf von Harry Dierstein

Es ist mittlerweile klar, dass Schüler und Jugendliche dasselbe Spreading aufweisen wie Erwachsene, insofern sind alle Pädagogen eine erhöht gefährdete Berufsgruppe. Das gilt natürlich auch für manche andere, wie Herr Zanon weiter unten ausführt.
Den Seitenhieb auf die Bergrettung (mit Rufezeichen) kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Alle Bergretter erfüllen diese Aufgabe im Ehrenamt, das heißt, sie sind im Brotberuf genauso Pädagoge wie Sie, leisten aber zusätzlich einen riskanten Dienst, bei dem neben den objektiven Gefahren die Corona-AHA`s im realen Einsatz so gut wie nie eingehalten werden können.

Auch rettet der BRD nicht nur Freizeitsportler, sondern wird mittlerweile obligatorisch beigezogen bei abgestürzten Fahrzeugen, Schacht - und Silounfällen, bei Erdbeben, Katastrophenlawinen und Erdrutschen auf Häuser und Siedlungen und nicht zuletzt bei der Bergung von Suizidleichen aus Abgründen und Steilgelände.

Es ist mittlerweile auch klar, dass manche organisatorischen Abläufe im Sanitätswesen durchaus prekär sind, aber wir sollten uns hüten, zusätzlichen Impf-Sozialneid in der Gesellschaft zu schüren; Systemrelevanz ist oft subjektiv und ändert nichts daran, dass wir derzeit Impf-Schlusslicht in Italien sind.
In diesem Sinne halte ich auch den vorliegenden Thread von Franceschini für entbehrlich.

Leider gibt es bei uns eine nicht unerhebliche lässige Potato-Community, die vom Sofa aus über Feuerwehr u. Co witzelt. Wer selber aber nie für die Allgemeinheit unentgeltlich eine Schaufel oder ein Seil in die Hand genommen hat, sollte vorsichtiger sein, über Zivilschutzorganisationen zu hämen; es gibt auch in diesem Staat ausreichend Gegenden, wo niemand mehr kommt, wenn die Hütte brennt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit der Impfung bald drankommen, eine gewisse Präferenzierung ist durch Ihr Risikoprofil auf jeden Fall gerechtfertigt.

Mo., 11.01.2021 - 10:30 Permalink
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Josef Auer So., 10.01.2021 - 12:30

Einerseits wird über Leute gemault, die bei Unfällen durch leichtsinniges Verhalten die Retter in Gefahr bringen, andererseits scheints dem Autor zufolge aber auch anrüchig zu sein, wenn diese sich jetzt schützen?
Man kanns wirklich nicht recht machen.

So., 10.01.2021 - 12:30 Permalink
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Thomas Gurschler So., 10.01.2021 - 20:02

Guten Abend Herr Franceschini.
Warum dieser herablassende Unterton gegenüber den ganzen Freiwilligen Organisatoren und deren Mitglieder? Ich kann Sie beruhigen, die Mitglieder sind in der Regel volljährig, im Besitz ihrer geistigen Kräfte, mündig und können, obwohl Sie anscheinend einen anderen Eindruck haben, eigenständige Entscheidungen treffen.
Ich gebe Ihnen darin Recht, dass die Entscheidungsträger leider den Eindruck erwecken keine durchdachte Strategie zu haben, wie und vorallem Wer geimpft werden soll. Das einzige das sicher zu sein scheint, ist dass geimpft werden MUSS. Ein MUSS ist aber sehr gut zu begründen damit auch kritische, aufgeklärte Menschen überzeugt werden und nicht mit subtilen und direkten Druck zu Impfungen gezwungen werden.

So., 10.01.2021 - 20:02 Permalink
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Heinrich Zanon Mo., 11.01.2021 - 09:24

1. Es ist sicherlich sträflich, Impfdosen weiterhin länger als unbedingt nötig in Tiefkühlboxen ruhen zu lassen. Sie sollten vielmehr zur Erzielung einer wachsenden Durchimpfungsrate der Gesamtbevölkerung raschestens zum Einsatz kommen, wobei nur sichergestellt werden muß, dass hinreichend Impfstoff für die Nachimpfung der bereits ein erstes Mal Geimpften nach 21 Tagen (beim Produkt der Hersteller BioNtech Pfizer) zur Verfügung steht.
2. Wenn also derzeit auch deshalb nur wenig geimpft werden kann, weil zu viele Angehörige der Berufsgruppen kneifen, denen der Vorzug eingeräumt werden sollte, müssen ohne langes Fackeln nachgeordnete Interessenten zur Impfung zugelassen werden. Man wird sie im Handumdrehen zuhauf finden!
3. Die Angsthasen aus den sogenannten systemrelevanten Berufsgruppen, denen der Vorrang zugestanden hätte, wird man zu einem späteren Zeitpunkt durch geeignete Sensibilisierungsmaßnahmen (und, wenn erforderlich, mit Zuckerbrot und Peitsche) zum Mitmachen animieren können. Es wird dies bei den allermeisten gelingen.
4. Der erforderliche Aufruf zur sofortigen Impfung sollte jedoch jetzt vor allem an Mitbürger ergehen, die berufsbedingt zu häufigem Kontakt mit anderen Menschen bestimmt und also der Gefahr ausgesetzt sind, vermehrt angesteckt zu werden und andere anzustecken, also beispielsweise an Lehrkräfte, Verkäufer und Verkäuferinnen, Personen, die bei der Post, in Banken oder in Amtsstuben Schalterdienst versehen, Busfahrer/innen, Pendler/innen, Menschen, die aus sonstigen Gründen häufig öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssen. Die Verantwortlichen des Sanitätsbetriebes werden es wohl noch zustandebringen, innerhalb kürzester Frist Programme auszuarbeiten, nach denen Angehörige der bezeichneten Berufsgruppen in einer Form zur Impfung kommen können, die längere Wartezeiten und ungute Menschenansammlungen ausschließt. Beispielsweise könnte dazu, bezogen auf die verfügbaren oder einzurichtenden einzelnen Impfstandorte, eine Staffelung nach Anfangsbuchstaben der Zunamen oder nach Geburtsdaten angedacht werden.

Mo., 11.01.2021 - 09:24 Permalink