Gesellschaft | JUGEND

Generation Corona?

Wie ergeht es Jugendlichen während dieser Pandemie? Antworten von Südtiroler Oberschülern geben uns ein Stimmungsbild.
Perspektive?
Foto: (c)Pixabay

Jugendliche stellen eine von der Coronakrise stark betroffene Gesellschaftsschicht dar. Einerseits wird ihnen die Schuld für hohe Infektionszahlen auferlegt, andererseits hört man in der öffentlichen Debatte durchaus, dass man sie nicht beneiden würde, da sie viele zentrale Elemente ihres Lebens aufs Wartegleis stellen müssen. Dieses gesellschaftliche Bild wird viel zu oft nicht von den betroffenen Personen selbst beleuchtet. Deshalb möchte salto.bz an dieser Stelle verschiedene Jugendliche zu Wort kommen lassen, um ihren Gedanken Raum zu geben und diese ernst zu nehmen.

N.B.: Diese Umfrage wurde durchgeführt, bevor sich die Landesregierung am Donnerstag Abend darauf verständigt hat, ab Montag (8. Februar) verschärfte Corona-Maßnahmen einzuführen, die auch eine dreiwöchige Schließung der Oberschulen und die Rückkehr in den Fernunterricht vorsehen.

salto.bz: Findest du es gut, dass in den Südtiroler Oberschulen erneut Präsenzunterricht stattfindet?

Miriam Lazzaretti: Ja, da Schüler viel mehr lernen, wenn sie in der Schule anwesend sind. Jedoch bin ich nicht der Meinung, dass die aktuellen Infektionszahlen in Südtirol das Abweichen der italienischen Regelungen im Bereich Schule rechtfertigen. Auch finde ich es bedauerlich, dass jede Schule den Präsenzunterricht anders organisiert. In manchen Schulen findet drei Wochen lang Präsenzunterricht und eine Woche Homeschooling mit Videokonferenzen statt, während in anderen die Klassen geteilt sind und die Gruppen jede Woche abwechselnd in die Schule kommen, weshalb der Fernunterricht ohne Videolektionen stattfindet. Ich glaube, dass das dazu führt, dass manche Schulen und Klassen viel mehr lernen als andere und so könnten sich spürbare Unterschiede herauskristallisieren.

Philipp Fliri: Ja, da das die beste Möglichkeit ist, Inhalte zu verstehen und aufzufassen. Für mich ist der zwischenmenschliche Kontakt zwischen Lehrern und Schülern unabdingbar.

Lea Peer: Mir persönlich ist es im Fernunterricht sehr gut ergangen, da man durch die zeitlichen Einteilung mehr Freiheiten hatte, Zuhause war und auch fast keine Lernzielkontrollen stattgefunden haben. Nun, nachdem der Präsenzunterricht seit drei Wochen wieder angelaufen ist, habe ich zehn Tests und mehrere Schularbeiten hinter mir, obwohl von der Landesregierung ausdrücklich geäußert wurde, dass diese Zeit fürs Wiederholen und Vertiefen und nicht für Tests und Überprüfungen genutzt werden sollte. So war der Fernunterricht eine Chance für das Erlernen und Üben von Selbstdisziplin und eine gute Vorbereitung für das Studium.

Hanna Ganthaler: Ich schwanke ein wenig, würde es jedoch eher befürworten, wenn die Schule ganz geschlossen bleiben würde. Dadurch könnte die sehr hohe Infektionsrate eher sinken und zudem finde ich dieses wochenweise Denken zermürbend. Man weiß nämlich nie, ob sich die Klasse in Quarantäne begeben muss oder ob die Schulen vollkommen schließen. Dadurch werden meine bereits angespannten Nerven zusätzlich belastet.  

salto.bz: Wie fühlst du dich in der aktuellen Situation?

Philipp Fliri: Als Schüler fühle ich mich in der Gesellschaft kaum wahrgenommen. An den Wiedereröffnungen kann man die Prioritäten unserer Gesellschaft erkennen. Bildung gehört offensichtlich nicht dazu. Persönlich strapaziert die aktuelle Lage meine Geduld, da kein Ende in Sicht ist. Die Perspektivlosigkeit nagt an meinen Knochen. Kontakte aufzubauen ist deutlich schwieriger, so ist eine Abschottung aus der Gesellschaft bemerkbar, aber die bereits bestehenden Freundschaften werden wichtiger und intensiver.

Hanna Ganthaler: Zurzeit finde ich die Situation in schulischer Hinsicht sehr unausgeglichen. In unserer Klasse ist der Kontrast zwischen Präsenz- und Fernunterricht sehr groß, da unsere Klasse in zwei Gruppen geteilt wurde, die im Wochentakt abwechselnd Präsenzunterricht erhalten. So reicht die Spanne von totaler Unterforderung/Vernachlässigung in der Woche im Fernunterricht zu einer deutlichen Überforderung während des Präsenzunterrichtes. Ansonsten fühle ich mich manchmal natürlich auch in meinem Handeln sehr eingeschränkt, da es nicht immer möglich ist, das anzugehen, was ich machen möchte, doch so bleibt auch viel Zeit für mich.

Alma Berger: Ich befinde mich gerade in der dritten Woche Quarantäne und bin einfach müde, so geht es jedoch wahrscheinlich nicht nur mir. Abgesehen davon fehlt es mir an Motivation und Klarheit. Was hilft, ist daran zu denken, dass es irgendwann enden muss.

Lea Peer: Ich stehe aktuell unter großem Stress. Ich gehe immer spät schlafen und stehe früh auf, um zu lernen. Dementsprechend bin ich unglaublich müde und ausgelaugt. Eigentlich kann ich gut mit Stresssituationen umgehen, aber die vergangenen Wochen machen mir sehr zu schaffen.

salto.bz: Wie siehst du das Negativimage der Jugendlichen während der Pandemie? Kann man allgemein sagen, dass die Jugend zu lasch mit den Maßnahmen umgeht?

Alma Berger: Ich glaube, das kann man nicht verallgemeinern. Es gibt solche, die furchtbar vorsichtig sind, denen geht es darum, ihre Großeltern zu schützen und eine Quarantäne zu vermeiden. Andere nehmen die Maßnahmen weniger strikt, mit dem Argument, dass das Leben ja irgendwie weitergehen muss. Diese treffen sich dann in kleineren Gruppen. Jugendliche, die alle Regeln komplett missachten und das Virus heillos unterschätzen, kenne ich keine. Dass die Jugend zum Sündenbock gemacht wird, ist ja nichts Neues. Ich glaube jedoch, dass für unsere Generation Respekt mehr und mehr zur Religion wird, und dazu gehört ein verantwortungsvoller Umgang mit Corona.

Lea Peer: Meiner Meinung nach darf man solche Thematiken nie verallgemeinern. Natürlich finde ich es verwerflich, wenn 200 Leute miteinander feiern, lassen wir den übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsum dort mal außen vor. Jedoch muss ich äußern, dass auch viele Erwachsene die aktuelle Situation nicht ernst genug nehmen, denn Maskenverweigerer und Impfgegner sind nicht nur Jugendliche. Man sollte nicht immer in der Jugend das Schlechte sehen und ihnen die Last der Schuldzuweisung auferlegen, sondern der gesamten Gesellschaft. Wenn nicht jeder mithilft und zusammenhält, dann werden wir die Corona-Situation weder mit all den Einschränkungen noch mit einer Impfung in den Griff bekommen.

Hanna Ganthaler: Ich bin der Überzeugung, dass zwar einige Jugendliche den Ernst der Lage nicht begreifen und die Maßnahmen nicht für bare Münze nehmen, aber dass genauso viele Erwachsene die Regelungen nicht einhalten. Außerdem sind diese Jugendlichen deutlich in der Minderheit.

Miriam Lazzaretti: Dieser allgemeine Schluss ist falsch. Besonders im März haben sich die meisten jungen Menschen an alle Regeln gehalten und sind zuhause geblieben. Die Bereitschaft dazu hat sicherlich abgenommen, aber Grundregeln werden respektiert und wenn man Freunde trifft, dann machen sich viele Jugendliche Gedanken, wieviele und ob es immer dieselben sind. Inzwischen trifft sich jeder mit Bekannten, egal ob Jung oder Alt, nur erregen die Jugendlichen oft mehr Aufsehen, da sie lauter sind und meist nicht hinter verschlossenen Türen zusammenkommen.

salto.bz: Ist es nötig, dass auch die ältere Generation Maßnahmen und Verbote im Bereich des Klimaschutzes akzeptiert und durchführt, wenn die Jugendlichen nun während der Pandemie auf sie Rücksicht nehmen?

Hanna Ganthaler: Nein, da ich glaube, dass das die ältere Generation auch ohne Forderungen verstehen sollte. Nicht die Rücksichtnahme anderer sollte unsere Motivation für moralisches und gerechtes Handeln sein, sondern die Moral und Gerechtigkeit, die in dem Handeln liegt, sollte uns bewegen. So muss das langfristige Wohl der Allgemeinheit auch im persönlichen Handeln immer im Vordergrund stehen.

Alma Berger: Absolut. So wie in der Corona-Situation, in der es nur mithilfe aller, auch der Jugend, gelingen kann, die Älteren zu schützen, bedarf es der Mithilfe aller, um den Klimaschutz voranzutreiben.

Miriam Lazzaretti: Ich bin der Meinung, dass man diese beiden Themen öfter zusammenführen sollte. Beim Coronavirus sind vor allem die älteren Generationen gefährdet, aber junge Menschen leiden mit ihnen unter den Maßnahmen, die sie aus Solidarität in Kauf nehmen. Dies wird auch unabdingbar von uns erwartet. Beim Klimawandel geht es vor allem darum, dass sich gewohnte Angelegenheiten ändern. Aus Solidarität gegenüber jungen Menschen und den zukünftigen Generationen sollten deshalb auch sie ihre Verhaltensweise ändern, auch wenn ältere Menschen die Folgen ihres Handeln teilweise nicht mehr erleben werden. Respekt gegenüber anderen spielt hierbei die entscheidende Rolle. Da die Jüngeren diesen Respekt bereits zeigen, sind nun auch die Älteren an der Reihe!

Philipp Fliri: Ich würde es gutheißen, wenn beide Generationen aufeinander Rücksicht nehmen würden und versuchen würden die Krisen gemeinsam zu lösen.

salto.bz: Worauf freust du dich am meisten, wenn der Covid-19-Notstand einmal beendet sein wird?

Lea Peer: Am allermeisten freue ich mich auf die wiedergewonnene Freiheit. Auf wieder „legale“ Kinobesuche am Abend, auf Bars, Clubs und Restaurants ohne Abstand und Ausgangssperren. Auch das Reisen in fremde Länder habe ich in diesem Jahr vermisst. 2021 kann eigentlich nur bessere Nachrichten bringen als 2020.

Miriam Lazzaretti: Ach, ich glaube das wird noch sehr lange dauern, aber ich freue mich darauf, dass irgendwann langsam "Normalität" zurückkehrt, auch wenn es vermutlich nie wieder wird wie früher. Ich freue mich eines Tages wieder mit Freunden einen schönen Abend zu verbringen, ohne an die Ausgangsperre denken zu müssen und ohne andauernd über das Virus zu sprechen.

Philipp Fliri: Eigentlich freue ich mich schon so sehr und ausreichend auf das eigentliche Ende des Notstandes. Dann bin ich glücklich genug.

Alma Berger: Ich freue mich vor allem auf das sorglose Treffen von Leuten ohne Sicherheitsmaßnahmen und Schuldgefühle. Dass nicht mehr diese ständige Gefahr „über uns schwebt“. Dass wir die Dinge nicht verschieben müssen auf die Zeit, wenn „das alles vorbei ist“, sondern sie einfach anpacken können.

Lea Peer (17 J.): Schülerin der 4. Klasse des Klassischen Gymnasiums im Vinzentinum in Brixen