Gesellschaft | Gastkommentar

Die Aushaltigen

Südtiroler Kindergarten in der Pandemie ist eine Herausforderung. Für die Kinder, für die Eltern und nicht zuletzt für das Personal. Ein Insiderinnenbericht.
Anmeldung Kindergarten
Foto: “MeinKindMussDraußenBleiben”
Von der Belastung der Kinder und Familien, erzeugt von den Nebeneffekten dieses grausigen Virus, haben wir schon viel gehört und gelesen. Lasst uns doch mal von den Fastallesfrauen, die für die Bildungsarbeit zuständig sind, sprechen, den pädagogischen Fachkräften.
 
Im März waren wir noch Angriffsfläche für die kollektive Entrüstung der Südtiroler Bevölkerung und auch einiger Politiker, "weil die tun nichts und werden dafür bezahlt und anderen bricht die  Existenz weg, weil sie zuhause die Kinder betreuen müssen, anstatt arbeiten zu gehen, um Geld zu verdienen". Wir haben halt auch nur die Maßnahmen angenommen, wie viele andere – und glaubt mir: Fein war der nicht, der offene Zorn, der uns ungefiltert entgegengeschwappt ist. 
Aussitzen und durchstehen war die Devise.
 
Unseren Ruf haben wir mit dem Notdienst in Mai und Juni und unserem freiwilligen Einsatz in den Sommerbetreuungsangeboten wieder rehabilitiert. 
Seit Beginn des neuen Schuljahres  jonglieren wir uns mit viel Kreativität, großem Einsatz pflichtbewusst durch diesen Coronareigen. Einschränkungen bei Spielmaterial (von "alles, das aus Stoff ist muss weg" bis zu "von Zuhause nix mehr mitbringen" ist mehr oder weniger alles dabei), Bildungsarbeit (nix mehr mit der einzig wahren offengestalteten Pädagogik, die Kinder bleiben in ihren Gruppenräumen, mit dem Freund aus der orangen Gruppe spielen war gestern), Aufenthalt im Garten (nur noch stundenweise möglich und nur zur festgesetzten Zeit, weil die verschiedenen Gruppen nicht aufeinandertreffen  dürfen) Zusammenarbeit mit Familien (alles nur telefonisch, per Whatsapp und digital, manchmal ein Gespräch am Kindergartenfenster, das bald versandet, weil man sich durch den sozialen Abstand von 2 Metern einfach schlecht hört und Lippenlesen geht auch nicht, weil Maske) und verstärkte Hygienebestimmungen (gefühlte hundertmal Händewaschen mit allen Kindern, desinfizieren, desinfizieren desinfizieren!) sind Herausforderungen, die nicht ganz ohne sind. Aber, der Qualität unserer Arbeit darf das alles keinen Abbruch tun. Schließlich und endlich haben wir einen Auftrag, den es zu erfüllen gilt.
Jaja verständlich, wir sind halt nur Tanten...uups pädagogische Fachkräfte  natürlich.
Schließlich und endlich ist unsere Arbeit kein Beruf sondern eine Berufung. Oschpilemuggn. 
 
Leider bleibt es nicht dabei. Dazu kommt noch, dass sehr viele von uns seit September mit den Kindern essen: auf kleinen Stühlen vor kleinen Tischen, gleichzeitig wird das Essen an die Kinder ausgeteilt und hin und wieder zwischendurch ein Bissen in unseren Mund geschoben.
Die ehemals halbstündige Mittagspause ist vielerorts somit gleich mitgegessen. Bleibt eine mickrige halbherzige Viertelstunde, weil mit den gestaffelten Abholzeiten zu Mittag ist einfach nicht mehr drin. Man will den Kindern ja keine kostbare Bildungszeit verweigern. 
Soviel, so gut. 
Wenn da nicht die restlichen Problemchen wären, die nicht mit dem Coronateufel, sondern eher mit der Uneinsichtigkeit unserer Vorgesetzten zu tun haben.
Wenn da nicht die restlichen Problemchen wären, die nicht mit dem Coronateufel, sondern eher mit der Uneinsichtigkeit unserer Vorgesetzten zu tun haben.
Da wären die fehlenden oder altersgebrechlichen IT-Geräte, Drucker und schwachen oder nichtfunktionierenden Internetlinien, die es unmöglich machen, unserer Arbeit ordentlich nachzugehen. Dann müssen halt unsere Android-Handys herhalten und wer keines hat, soll sich gefälligst eines zulegen. Wir wollen doch nicht so kleinlich sein.
Und dann wären da noch die Masken. Bisher chirurgisch, wegen steigender Infektionszahlen aber seit Ende Jänner FFP2. Beipackzettel: Beim Tragen einer FFP2-Maske ist es notwendig, stündlich für 5 Minuten dieselbe abzunehmen, um Frischluft zu atmen. Denkste!
 
Diese Pausen sind für die meisten von uns utopisch und deswegen freuten (Vergangenheit) wir uns sehr auf die Gartenaufenthalte und Spaziergänge. Endlich wieder für eine kurze Zeit halbwegs geschützt durch eine chirurgische Maske fast ungehindert ein- und ausatmen. Doch dieser Luxus wird uns ganz schnell wieder genommen. FFP2 muss auch im Freien sein. Einwände werden niederargumentiert und Punkt, aus, basta. Die Lehrer scheinen sich diesbezüglich erfolgreich gewehrt zu haben, schreibt der Franceschini. Jaja verständlich, wir sind halt nur Tanten...uups pädagogische Fachkräfte natürlich. 
Last but not least: Die neue Lockdownverordnung ist frisch vom Regal eingetroffen! Und siehe da, der Kindergarten mit dem meistinfizierten Personal aller Schulstufen ist davon nicht betroffen! Ist auch nachvollziehbar, schließlich arbeiten nur wir mit ungeschützten Kindern und ohne jegliche soziale Distanz.
So, und jetzt stehen wir da, wie begossene Pudel. Mit leichten bis weniger leichten Kopfschmerzen, denn das 7-stündige Tragen einer engen, atemraubenden FFP2-Maske ist nicht ohne – auch weil man damit unter anderem ja singen und tanzen tut. Schließlich haben wir ja einen Auftrag. Ich vergaß: Singen ist strengstens verboten. Das wurde mir von höherer Stelle heute mitgeteilt. Da hab ich wohl in meinem Unwissen in den letzten Monaten ordentlich über die Stränge geschlagen.
Hoffentlich wird's mit diesen ganzen Einschränkungen nicht eintönig im Kindergarten. Aber was rede ich, wir sind ja kreativ.
 
Last but not least: Die neue Lockdownverordnung ist frisch vom Regal eingetroffen!
Und siehe da, der Kindergarten mit dem meistinfizierten Personal aller Schulstufen ist davon nicht betroffen! Ist auch nachvollziehbar, schließlich arbeiten nur wir mit ungeschützten Kindern und ohne jegliche soziale Distanz. Deswegen können wir ruhig Fasching feiern auf Teufel komm raus, während der Rest der Südtiroler (Bildungs-)Welt in die Lockdownstarre verfällt.
Helau!

 

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Evelyn Gamper Sa., 06.02.2021 - 22:09

Sehr geehrte Frau Brugger,
Ich kann nachvollziehen, dass Sie (und Ihre Kolleginnen) Sorge haben sich bei der Arbeit anzustecken und die Arbeitsverhältnisse mit den aktuellen Hygienevorschriften sicherlich nicht einfach.
Aber erlauben Sie mir eine Frage: Was denken sich wohl die Angestellten an der Supermarktkasse, oder die Krankenpflegerinnen? Und was denken sich all Jene, die auf ihre Arbeit verzichten müssen-obwohl sie das Geld bitter notwendig hätten?
- wenn sie Ihren Kommentar durchlesen?

Sa., 06.02.2021 - 22:09 Permalink
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Michael Bockhorni So., 07.02.2021 - 11:09

die wichtige Frage ist ja wo mensch sich infiziert: im privaten Umfeld oder im Kindergarten (oder anderen beruflichen Situationen). Die Zahl der Infizierten in einer Berufsgruppe ist da wenig aussagekräftig. Weiters könnten ja regelmäßige Test bei Kindern und Personal hier mehr Sicherheit bieten. Das mit den fehlenden Pausen bei FFP2 und der Pflicht diese auch draussen zu tragen ist allerdings tatsächlich eine Frechheit bzw. ein Zeugnis von Inkompetenz und sollte schleunigst rechtlich geklärt werden.

So., 07.02.2021 - 11:09 Permalink