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Kampf der Götter

Die Ermittlungen zu Daniel Alfreiders Hütten sind in Wirklichkeit nur ein Teilaspekt eines weit größeren Skandals. Das zeigt sich in den Ermittlungsakten zur SAD-Affäre.
Alfreider, Daniel
Foto: ASP/Ingo Dejaco
Daniel Alfreider nimmt sich kein Blatt vor den Mund. „Es ist unglaublich, dass so etwas in Südtirol überhaupt möglich ist“, schreibt der SVP-Politiker und Landesrat für Mobilität in einer Aussendung. Und weiter: „Solche Methoden sind völlig inakzeptabel und ein Schlag ins Gesicht nicht nur für mich, sondern für alle Südtiroler.
Die Empörung Alfreiders ist nachvollziehbar. Am 17. Februar wird sich entscheiden, ob gegen den Landesrat das Hauptverfahren eingeleitet wird oder die Ermittlungen archiviert werden. An diesem Tag findet vor Richter Emilio Schönsberg am Bozner Landesgericht die Vorverhandlung gegen Daniel Alfreider statt.
Die Hintergründe der Ermittlungen sind bekannt. Die Familie Alfreider hat die Kubatur von zwei Hütten verlegen lassen. Es waren urbanistische Winkelzüge, die ganz sicher nicht nach dem Lehrbuch der Südtiroler Raumordnung abgelaufen sind. Es gibt objektive Ungereimtheiten und mutmaßliche Verstöße gegen Baubestimmungen. Ob daraus aber ein Straffall „Daniel Alfreider“ wird, zeigt sich in den nächsten Wochen, wenn der Vorermittlungsrichter eine erste Entscheidung fällt.
Der Fall, der vom FF-Journalisten Karl Hinterwaldner Ende 2018 aufgedeckt wurde, ist äußerst verzwickt. Auch weil der offizielle Akteur der beanstandeten Vorgänge Daniel Alfreiders Vater war, der inzwischen verstorben ist. „Am Ende wird kaum mehr etwas gegen Daniel übrigbleiben“, ist Karl Zeller sicher, der zusammen mit dem Bozner Strafrechtler Carlo Bertacchi die Verteidigung Alfreiders übernommen hat. Das sagt natürlich jeder Anwalt über seinen Mandanten.
 
 
Zellers Überzeugung fußt dabei auch auf einen bisher kaum bekannten Nebenschauplatz, der „Alfreiders Hüttenzauber“ politisch kontextualisiert und in eine Affäre einbettet, in der die Bozner Staatsanwaltschaft derzeit ihre Ermittlungen abschließt: Den sogenannten Busskandal rund um die SAD und ihren CEO Ingomar Gatterer.
 

Das Komplott

 
Es ist die „Neuen Südtiroler Tageszeitung“, die unter dem Titel „Das Alfreider – Komplott“, am vergangenen Wochenende neue brisante Fakten enthüllte. Chefredakteur Artur Oberhofer zeichnet anhand der Ermittlungsakten im Busskandal auf, dass eine Gruppe um SAD-Chef Ingomar Gatterer durch Anzeigen und Aktionen alles getan hat, um Daniel Alfreider als Politiker zu demontieren. Zuerst versuchte man seine Wahl in den Landtag zu verhindern und dann seine Wahl zum Landesrat für Mobilität zu hintertreiben. Die Ermittlung rund um die Hüttenaffäre sollte dazu führen, dass der Gadertaler Politiker als Landesrat zurücktreten und durch einen Lega- oder SVP-Politiker ersetzt werden sollte, von dem sich Gatterer mehr Entgegenkommen bei den Buskonzessionen erwartete. Oberhofer untermauert diese Thesen mit Zitaten aus dem Abhörprotokollen und Emails, die die Ermittler während der Busermittlungen, rund um die SAD-Spitze zusammengetragen haben.
Die im Artikel aufgedeckten Fakten sind schwerwiegend. Es kann nicht sein, dass Personen, die öffentliche Ämter bekleiden bzw. Funktionen ausüben, bei derartigen üblen Machenschaften mitmachen”, reagiert Daniel Alfreider auf diese neuen Fakten.
Der SVP-Vizeobmann in seiner Aussendung: „Es darf nicht zugelassen werden, dass öffentliche Verwalter mit solch fragwürdigen Methoden und inszenierten Anzeigen unter Druck gesetzt werden.
Es wird sich vor Gericht zeigen, ob Daniel Alfreider gegen Gesetze verstoßen hat oder nicht. Sicher ist aber jetzt schon: Egal wie die Ermittlungen gegen den SVP-Politiker enden, diese Geschichte ist auch ein Sittenbild Südtirols.
 

Operation Ragnarök

 
Manchmal sagt die Form mehr als der Inhalt.
Formell starten die Ermittlungen gegen Daniel Alfreider im Mai 2018 durch einen leitenden Beamten des Polizeikommissariats Innichen. Schaut man sich den Polizeibericht an, so muss man glauben, es handelt sich hier um eine gefährliche Mafia-Ermittlung oder zumindest um einen Fall von organisierter Kriminalität. Denn im Bericht finden sich gleich zwei verschiedene sogenannte „fonti confidenziali“ . Es handelt sich dabei um anonyme Zuträger und Quellen die den Sicherheitsbehörden unter Schutz ihrer Identität Informationen liefern.
 
 
Zu Erinnerung: Es handelt sich formal um eine Ermittlung bei der es um mutmaßliche Verstöße gegen Urbanistikbestimmungen geht. Dass man dabei auf „vertrauliche Informanten“ zurückgreift, dürfte selbst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Südtirol, eine Einmaligkeit sein.
Es ist durchaus Usus, dass Polizeibehörden besonders wichtigen Ermittlungen einen Decknamen geben. Das ist auch hier der Fall. Auf dem Titelblatt des Berichts prangt ein schönes Foto von einer der neu errichteten Alfreider-Hütten. Darüber der Titel „Die Götterdämmerung (Ragnarök)“.
Ragnarök ist eine alte Sage aus der nordischen Mythologie, die auch Richard Wagner im „Der Ring der Nibelungen“ inspirierte und die die Geschichte vom Aufstieg und vom Untergang der Götter erzählt. Seit langem wird Ragnarök im Deutschen als „Götterdämmerung“ übersetzt. Dabei wäre laut Fachleuten die richtige Übersetzung „Schicksal der Götter“.
Ist dieser dramatische Titel für eine Ermittlung über eine angeblich widerrechtliche Kubaturverschiebung nur Zufall und wirklich nur der sprudelnden Phantasie des ermittelnden Beamten geschuldet?
Oder steckt dahinter von Anfang an mehr?

Die SAD-Ermittlung

 
Dass man diese Fragen stellen muss, liegt an den Ermittlungen zum sogenannten Busskandal. Aus den Abhörprotokollen geht eindeutig hervor, dass SAD-CEO Ingomar Gatterer und SAD-Direktor Mariano Vettori sich 2018/19 fast mehr um Daniel Alfreider und seine Hütten gekümmert haben, als um den eigene Busfahrplan.
Verständlich wird das wenn man sich die Chronologie der Ereignisse noch einmal vor Augen führt:
 
  • März 2018 – Ende der römischen Legislatur, Daniel Alfreider kündigt an, dass er in den Landtag bzw. in die Landesregierung wechseln wird;
  • Ende Mai 2018 – Ermittlungsbericht der Operation Ragnarök geht an die Staatsanwaltschaft
  • Juli 2018 – Annullierung der Busausschreibung durch das Land
  • September 2018 – Beginn der Ermittlungen und Abhörungen zum Busskandal
  • 21. Oktober 2018 – Landtagswahlen bei denen Daniel Alfreider gewählt wird.
  • 13. Dezember 2018 – Das Wochenmagazin FF enthüllt Alfreiders Hüttenzauber, es werden weitere drei Artikel folgen;
  • 9. Jänner 2019 – Unterzeichnung des Koalitionsprogrammes SVP-Lega;
  • 25. Jänner 2019 – Daniel Alfreider wird zum Landesrat für Ladinische Bildung und Kultur, Infrastruktur und Mobilität ernannt.
 
Zwischen September 2018 und Frühjahr 2019 hören die Ermittler die Telefone von Ingomar Gatterer und Mariano Vettori ab. Aus den abgehörten Gesprächen geht eindeutig hervor, dass die SAD-Spitze von Anfang an über Insider-Informationen zur Alfreider-Affäre verfügen. Ingomar Gatterer weiß bereits einen Tag vor Erscheinen der FF, dass Daniel Alfreider und seinen Hütten die Titelgeschichte gewidmet ist. In Gesprächen mit SAD-Direktor Mariano Vettori und Altlandeshauptmann Luis Durnwalder, der als Berater der SAD tätig ist, lacht Gatterer über das Ende Alfreiders.
 
 
 
In den Wochen darauf feuern Gatterer & Co aktiv die Ermittlungen gegen Alfreider mit allen Mitteln an. Die Ermittler zeichnen Telefongespräche mit den beiden „anonymen Informanten“ der Innichner Polizei auf und den Plan, dass ein SAD-Fahrer eine Strafanzeige gegen Alfreider einreicht. Sogar vertrauliche Kontakte zu einem wichtigen Mitglied der Baukommission von Corvara werden hergestellt.
Mariano Vettori kennt Alfreiders Vater und er kündigt an, dass er mit diesem persönlich reden werde. Es klingt wie eine Drohung. Laut eigener Aussage hat es das Gespräch im Jänner 2019 auch gegeben.
Zudem versucht Ingomar Gatterer über den langjährigen SAD-Präsidenten und SVP-Bezirksobmann Christoph Perathoner den Neolandesrat SVP intern abzusägen. „Alfreider muss zurücktreten“, wiederholt Gatterer dabei wie ein Mantra. Der SAD-Eigener macht auch mehrere Versuche den Pusterer SVP-Granden Dieter Schramm gegen Alfreider aufzubringen. Diese Bemühungen sind vergeblich.
Durch Dutzende von Telefongesprächen ist auch der Versuch dokumentiert, die Lega für die eigenen Bedürfnisse einzuspannen. So treffen sich Gatterer und Vettori mehrmals in der entscheidenden Phase der Regierungsbildung mit den Spitzenvertretern der Salvinipartei. „Porto quattro o cinque bottiglie“, meint SAD-Direktor Mariano Vettori vielsagend in einem Gespräch mit Gatterer. Man will unbedingt, dass Massimo Bessone den Bereich Mobilität bekommt. Oder Thomas Widmann.
Wie generalstabsmäßig man dabei vorgeht, wird in einem Gespräch zwischen Vettori und Gatterer am 15. Jänner 2019 deutlich. Der SAD-Direktor: „Wenn Alfreider wegen der Hütten und nach der Einleitung des Hauptverfahrens zurücktreten muss, dann geht die Mobilität an Widmann und wir sind dann a posto“.
In den nächsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob dieser Plan zwei Jahre später wirklich aufgeht. Oder das Komplott gegen Alfreider, Teil des laufenden Verfahrens um Alfreiders Hütten wird. 
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S. Bernhard Di., 09.02.2021 - 09:54

Interessant in diesem Zusammenhang ist wohl auch die Rolle des (Ex)-(Alt)-Landesfürsten. Kampf der Götter? Wohl eher der .......lassen wir das, ansonsten wird man von den "Göttern" eh nur verklagt. Wie heißt es so schön..Karma is a bitch...wird auch diese zwei? Herrschaften einholen.

Di., 09.02.2021 - 09:54 Permalink
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Mart Pix Di., 09.02.2021 - 11:46

Sehe hier paralellen zum Skandal HeinzChristian Strache. Eigentlich nicht viel Unterschied oder?
Ingo Ingo du musst geh'n,
Ingo Ingo lass dich nicht fleh'n,
wolln dich nimmer wieder seh'n!

Di., 09.02.2021 - 11:46 Permalink
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Andergassen Thomas Di., 09.02.2021 - 21:42

Super Artikel. Der ganze Aufwand den Gatterer da betreibt zeigt, dass hier mächtig Kohle zu holen sein muss. Kohle die bei einer Inhouse-Lösung im Landeshaushalt bleibt und nicht als Gewinn an die SAD geht.

Di., 09.02.2021 - 21:42 Permalink