Umwelt | pandemiebedingt

Ein Jahr zum Aufatmen

Weniger Verkehr ist gleich bessere Luft. Die Daten zur Luftqualität 2020 belegen das nachweislich. Radikale Lehren zieht man daraus vorerst nicht.
Luft
Foto: Othmar Seehauser

Hätte es noch eines Beweises bedurft, der Lockdown im Vorjahr hat ihn geliefert: Weniger motorisierter Verkehr ist gleich bessere Luft. Die Luftqualität hat sich 2020 in Südtirol deutlich verbessert. Das zeigen die Daten der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz, die am Donnerstag präsentiert wurden.

 

Stickstoffdioxid NO2

 

Dieser Schadstoff ist vor allem auf den Straßenverkehr und insbesondere auf Dieselfahrzeuge zurückzuführen und kann in hohen Konzentrationen gesundheitsschädlich sein. Die NO2-Konzentration ist 2020 im Vergleich zu den drei Jahren zuvor deutlich gesunken. An den Messstellen in Bozen, Meran, Brixen und Leifers wurde nur eine Überschreitung des Stickstoffdioxid-Jahresgrenzwertes von 40 Mikrogramm/Kubikmeter festgestellt. Auch entlang der Brennerautobahn wurde dieser Jahresgrenzwert nur an zwei Mess-Stationen überschritten.

 

A22

 

Während des Lockdowns im März und April 2020 ist die NO2-Konzentration an der Mess-Station bei der Brennerautobahn in Neumarkt um rund die Hälfte gegenüber den drei Vorjahren gesunken.

 

“Im selben Zeitraum ist der PKW-Verkehr auf der Autobahn um 92 Prozent, der Schwerverkehr um 42 Prozent gegenüber 2017-2019 zurückgegangen”, berichtet der Direktor des Landesamts für Luft und Lärm Georg Pichler. “Der Zusammenhang ist deutlich zu sehen: Nimmt der Leicht- und Schwerverkehr ab, sinkt auch die NO2-Konzentration entlang der Autobahn.” Was für den Amtsdirektor auf der Hand liegt, deuten die Frächter anders. Weil LKWs auch in den Lockdown-Monaten unterwegs waren, sei der Rückgang der Stickoxide “ein eindeutiger Beweis, dass unsere LKWs keine Luftverpester, sondern ‘sauber’ sind”, sagt der Obmann der Frächter im lvh Elmar Morandell. “Ein Euro-6-Motor, der mittlerweile als Standard beim Großteil der Südtiroler Frächterunternehmen gilt, sorgt dafür, dass saubere Luft aus dem Auspuff kommt. Hinzu kommen zahlreiche alternative Antriebssysteme wie LNG-LKWs, die mit Flüssiggas betrieben werden oder Elektro-Fahrzeuge, die besonders bei Zulieferdiensten interessant sind. Insofern sollten die Frächter endgültig den Ruf als Luftverschmutzer verlieren. Vielmehr sollten wir als Warenlieferanten wahrgenommen werden, die unverzichtbar für Wirtschaft, Gesellschaft und Wohlstand sind.”

 

Feinstaub

 

Anders als die Stickstoffdioxide sind die Feinstaubwerte (PM10 und PM2,5) nicht zurückgegangen, sondern nahezu unverändert geblieben. “Das untermauert die Tatsache, dass der Straßenverkehr großen Einfluss auf die NO2-Konzentration hat, viel weniger jedoch auf die Feinstaubwerte”, merkt Luca Verdi, Direktor des Labors für Luftananlysen und Strahlenschutz an. In Südtirol stammen etwa 70 Prozent der Feinstaub-Partikel von Haushaltsheizungen. Am meisten Feinstaub verursacht die Holzverbrennung. Nichtsdestotrotz: Der gesetzliche PM10-Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, der nicht öfter als 35 Mal im Jahr überschritten werden darf, kann in Südtirol bereits seit 2007 eingehalten werden.

 

Benzo[a]pyren

 

Bei einer Komponente des Feinstaubs, dem Benzo[a]pyren, wurden 2020 sehr wohl Überschreitungen der Grenzwerte verzeichnet. Vor allem in ländlichen Ortschaften im Talboden. Benzo[a]pyren ist ein Schadstoff, der durch unvollständige Verbrennung von Holz entsteht, “beispielsweise bei kleinen Holzverbrennungssystem wie Kamin- oder Kachelöfen, die manuell betrieben werden”, erklärt Verdi. Der Anstieg der Benzo[a]pyren-Werte könne darauf zurückzuführen sein, dass die Menschen aufgrund der Bewegungseinschränkungen mehr Zeit zu Hause verbracht und daher öfters geheizt haben.

 

Das Fazit

 

“Die Zeit der Ausgangssperren hat uns gezeigt, dass die große Herausforderung beim Thema Luftqualität und Klimaschutz darin besteht, den motorisierten Verkehr zu reduzieren und auf klimafreundlichere Mobilitätsformen zu setzen”, resümiert Umwelt- und Energielandesrat Giuliano Vettorato. Nichtsdestotrotz, eine radikale Lehre aus den eindeutigen Ergebnissen de Luftmessungen 2020 zieht man nicht:

Für 2021 seien keine neuen Fahrbeschränkungen geplant, teilt Vettorato mit – auch aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der sich derzeit viele Familien und Unternehmen befänden. Bereits im Mai 2020 wurde beschlossen, die Einführung der Fahrbeschränkung für die Euro 4 Klasse pandemiebedingt aufzuschieben. In weiterer Folge werden auch “einige Punkte des Programms zur Reduzierung der NO2-Belastung 2018-2023 zur Mobilität, zum öffentlichen Nahverkehr und zu den Fahrbeschränkungen bis 1. Jänner 2022 überdacht”, kündigt der Landesrat an. Dies auch vor dem Hintergrund neuer Gegebenheiten, etwa des vermehrten Einsatzes von Smart working. Er spricht sich etwa für ein integriertes Modell aus, das zumindest in der öffentlichen Verwaltung an einigen Tagen in der Woche Smart working vorsieht, um somit einen Beitrag zur Verringerung der Bewegungen und in der Folge des Verkehrsaufkommens zu leisten.

 

 

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Karl Trojer Fr., 12.03.2021 - 10:17

Sicher, der Verkehr, betrieben mit fossilen Brennstoffen, belastet die Umwelt. Noch drammatischer sind fossile Gebäudeheizungen, Industrieöfen, Schwerölverbrennungen im Schiffsverkehr und Flugzeugemissionen. Extrem drammatisch ist die Methangasentwicklung aus sich erwärmenden Permafrostböden, das Abschmelzen des Polareises, die Übersättigung der Meere mit CO2. Jeder von uns ist mitverantwortlich und muss sich mit all seinen Möglichkeiten für die radikale Reduzierung von CO2-Emissionen einsetzen, damit unserer wunderbaren Erde eine lebenswerte Zukunft ermöglicht wird.

Fr., 12.03.2021 - 10:17 Permalink
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Michael Steinwandter Fr., 12.03.2021 - 11:44

Antwort auf von Karl Trojer

Lieber Karl, ich stimme dir zu!
Besonders beim Holzheizen müsste aber lokal strenger kontrolliert werden, und mit der Initiative "Heizen mit Holz... aber richtig!" besser die Bevölkerung informieren.
Wie du ja weißt haben wir beide vor wenigen Jahren mit der Umweltgruppe Terlan mal einen sehr eindeutigen Fall von "falschen Heizen" gemeldet (täglich grauer Rauch und Gestank über die ganze Ortschaft), jedoch wurde vom zuständigen Kaminkehrer-Betrieb und der Ortspolizei nach vermutlich mündlicher Prüfung nur festgestellt, dass alles passt...
Die Belastung durch bissigen Rauch besteht hauptsächlich für die Nachbarschaft der Verursacher.
Da gibt es noch viel Luft nach oben.

Fr., 12.03.2021 - 11:44 Permalink
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Christian I So., 14.03.2021 - 14:23

Radikale Lehren sieht man trotz langjährige, eindeutige Daten nicht! Man spricht immer wieder von den Millionen frühzeitigen Covid-Tote. Gut so. Leider vergisst man aber zu oft die jährliche, Millionen frühzeitige Tote der Luftverschmutzung!
https://www.eea.europa.eu/it/pressroom/newsreleases/molti-cittadini-euro...
https://europa.today.it/ambiente/italia-66mila-morti-smog.html
https://www.greenpeace.org/italy/storia/13004/smog-e-morti-premature-le-...

So., 14.03.2021 - 14:23 Permalink