Gesellschaft | Interview

„Die Politik kann das nicht“

Reinhold Messner über sein Warten auf die Astrazeneca-Impfung in Schlanders, den Fehler die Impflogistik beim Staat zu lassen und die Krake der Influencer.
Reinhold Messner
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser
Salto.bz: Herr Messner, Sie werden sicher eine Vorzugsschiene haben und bereits geimpft sein?
 
Reinhold Messner: Nein, ich bin nicht geimpft. Aber ich bin am Dienstag von München nach Südtirol gekommen, weil ich am Mittwoch geimpft werden sollte. Doch die Impfung wurde leider verschoben. Ich bin in der Gruppe von 75 bis 80 und wir sollten Astrazeneca bekommen. Aus den bekannten Gründen wurde dieser Impfstoff aber jetzt ausgesetzt. Aber ich hoffe, dass die Europäische Arzneimittelbehörde diese Blockade aufhebt und ich dann geimpft werden kann.

Sie würden Astrazeneca nehmen?
 
Natürlich. Ich habe keine Angst vor Astrazeneca. Das sind einige wenige Fälle, bei denen es zu ernsthaften Komplikationen gekommen ist. Es geht da vor allem um Blutgerinnsel im Kopf. Aber warum solle mich das betreffen. (lacht) Also ich habe mein Gehirn viel schlimmeren Situationen ausgeliefert, als einer Coronaimpfung.
Also ich habe mein Gehirn viel schlimmeren Situationen ausgeliefert, als einer Coronaimpfung.
Verstehen Sie die Impfskeptiker?
 
Nein. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns alles impfen lassen müssen. Wir müssen dieses Virus durch Impfungen stoppen. Wenn eine relativ große Zahl meint, dass durch das Nicht-Impfen die Selbstrettung garantiert ist, dann haben sie sich getäuscht. Die Impfung funktioniert nur, wenn sie fast alle machen. Es darf nur wenige Ausnahmen geben.
 
Wie bewerten Sie Performance der Politik in der Coronakrise?
 
Im Großen und Ganzen tut man, was man kann. Ich würde mir ein klar definiertes Triumvirat wünschen. Die Virologen sollen uns sagen, was sie wissen. Wir Bürger haben nicht das Recht, die Virologen niederzumachen, weil sei nicht immer die richtige Antwort finden. Es gehört zur Wissenschaft, nicht zu wissen, was am Ende herauskommt. Es ist ein Forschen, ein Vorgehen mit Versuch und Irrtum, um herauszufinden, was Sache ist und wie wir reagieren können. Diese Fachleute können den Politikern ihre Erkenntnisse weitergeben, die aber nie die letzte Wahrheit sind. Und dann müssen die Politiker entscheiden.
Die Politiker wollen die Verteilung nicht abgeben. Das war ein ganz großer Fehler. Deshalb haben wir jetzt auch dieses Chaos
Die wohl schwerste Aufgabe?
 
Sicher. Denn man muss hier überlegen, welche Maßnahmen medizinisch, wirtschaftlich, aber auch emotional für die Menschen verkraftbar sind. Die Politik muss demokratisch entscheiden, was zu tun ist. Dabei kritisiere ich aber sehr wohl gewisse, politische Entscheidungen. Etwa die Tatsache, dass die EU und die einzelnen Staaten nicht in der Lage waren, rechtzeitig Impfstoffe zu besorgen. Noch mehr aber ärgere ich mich darüber, dass sie die Logistik, die notwendig ist die Verteilung und die Verabreichung der Impfung zu garantieren, unbedingt selber in der Hand behalten haben. Sie hätten das an Logistiker abgeben müssen. Die Politik kann das nicht.   
 
 
 
 
Sie sagen: Die öffentliche Hand soll die Impforganisation Profis überlassen?
 
Die konkreten Ausführungen gerade bei der Impfung, das Beschaffen und das Verteilen des Materials, die Organisation der Impfung, das müssen Logistiker machen, die das gelernt haben. Hier sind die Politiker völlig überfordert. Aber die Politiker wollen die Verteilung nicht abgeben. Das war ein ganz großer Fehler. Deshalb haben wir jetzt auch dieses Chaos. Die Menschen warten auf Impfungen, die nicht kommen. Ich habe Verständnis, dass die Bürger jetzt sauer sind.
 
Was sagen Sie zum geplanten Impfpass?
 
Das ist eine Möglichkeit um zur Arbeit zurückzukehren. Wobei ich gar nicht Arbeit sagen möchten, sondern zu unserem normalen, sozialen Leben, und auch zu unseren Erfolgen. Ich hoffe, dass die Pandemie dazu verhilft über das Gestern nachzudenken und neue Visionen zu finden für ein Zusammenleben in der Zukunft. Gerade wir Südtiroler mit dem Tourismus, haben sehr wohl eine Notwendigkeit, den Tourismus neu zu überdenken und etwas umzustrukturieren. Wir müssen nicht die Touristenzahl reduzieren. Wir verkraften die 30 Millionen Touristen. Nur müssen wir sie anders verteilen und wir müssen ihnen andere Angebote machen.
 
Nach fast zwei Jahren Lockdown wird der Turbokapitalismus erst recht Gas geben?
 
Natürlich muss nachgeholt werden. Aber ich warne davor, dass wieder das passiert, was wir im vergangenen Hochsommer hatten. Dass sich die großen Massen an einigen wenigen Hotspots aufhalten. Diese Hotspots sind eine reine Erfindung der Fremdenverkehrswerbung und der Influencer. Eine fürchterliche Krake, die über die Alpen gekommen ist. Lauter Leute, die von der Welt keine Ahnung haben, die irgendeinen Stumpfsinn propagieren, der dann millionenfach nachgemacht wird. Einige wenige Zonen sind übererschlossen und dort findet dann auch diese massive Belagerung statt. Diese Hotspots müssen weg.
 
Zurück zur Impfung. Wissen Sie wann Sie geimpft werden?
 
Noch nicht, ich kriege einen Anruf und ich hoffe, dass man mich dabei nicht vergisst.
 
Stellt sich auch ein Messner im örtlichen Impfzentrum an?
 
Sowieso. Ich bin in Schlanders angemeldet und dort gehe ich hin und lasse mir die Impfung verabreichen, welche es auch immer sein sollte.

 

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Karl Trojer Fr., 19.03.2021 - 10:57

Klingt klar und ehrlich, danke ! Ich wurde mit meinen 82 Jahren bereits 2x in Terlan mit dem Impfstoff Moderna geimpft, und dies ohne irgendwelche nachfolgenden Beschwerden. Ich hoffe, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sich ehestmöglich impfen lassen. Wer dagegen Angst schürt, tut der Gemeinschaft nichts Gutes... und stellt den Rechtsstaat wegen seiner Entscheidungen infrage.

Fr., 19.03.2021 - 10:57 Permalink
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Bruno Pasquazzo Fr., 19.03.2021 - 11:17

"....die Organisation der Impfung, das müssen Logistiker machen, die das
g e l e r n t haben, da sind Politiker überfordert" - um aus einer bayerischen Bierwerbung zu zitieren: so isses. Länder wie Hamburg oder Schleswig-Holstein haben hiermit Firmen beauftragt, die den Kartenverkauf für Popkonzerte oder Bundesligaspiele organisieren. Das sind Profis, gewohnt, mit großen Personengruppen umzugehen. Politiker sind nur in raren Ausnahmefällen Profis in ihrem Ressort, oft genug haben sie außer Politik nichts anderes in ihrem Leben gemacht.Vielleicht besteht bei ihnen -nicht nur hierzulande!- auch noch die (Wunsch)vorstellung, alle notwendige Fähigkeit gehe qua Amt auf sie über. Ich hatte an einer Krankenpflegeschule in Bayern eine Kollegen, Kapuzinerpater und als solcher Dozent für Ethik. In einer Unterrichtspause wollte ich von ihm wissen, ob sie denn im Rahmen ihrer Ausbildung auch eine Art psychologischer Vorbereitung auf seelsorgerliche Beratung oder Beichtgespräche erführen. Er antwortete mit treuherzigem Augenaufschlag: "Wir glauben, daß die Fähigkeit hierzu aus der Priesterweihe erwächst". Ich hege starke Zweifel, ob die Vereidigung als Politiker Ähnliches verleiht.

Fr., 19.03.2021 - 11:17 Permalink