Politik | Wehret den Anfängen

Bürgerinitiative gegen Gesichtserkennung

Die Gesichtserkennungstechnologie sei nicht aufzuhalten,meinen die einen.Nein,die EU muss die biometrische Überwachung verbieten,sagen die anderen und lancieren eine EBI.
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Bei der Gesichtserkennung durch Maschinen geht es um ein Verfahren der Biometrie, das technisch schon weit ausgereift ist. Sie wird sicherheitstechnisch, kriminalistisch und forensisch schon breit eingesetzt, etwa als Zutrittskontrolle zu Hochsicherheitsbereichen, aber auch bei den normalen Passkontrollen am Flughafen. Im Oktober 2016 ist bekannt geworden, dass sich 117 Millionen Amerikaner – also ein Drittel der US-Bevölkerung - in der Gesichtserkennungsdatenbank des FBI befinden. Die chinesische Firma Watrix hat im November 2018 ein Gerät vorgestellt, das Menschen aus 50 Metern Entfernung aus den Aufnahmen von Überwachungskameras vor allem an der Gangart identifizieren kann. Trefferquote 94%. Die Technik wird bereits in Peking und Shanghai eingesetzt. Diese Technologie dient auch in Xinjiang/Ostturkestan (China) zur Massenüberwachung der Uiguren.

In ihrem Artikel „We are hurtling towards a surveillance state’: the rise of facial recognition technology“ (Wir stürmen in Richtung eines Überwachungsstaats: der Aufstieg der Gesichtserkennungstechnologie), beschreibt die Journalistin Hannah Devlin, wie sich ein Londoner Gaststätteneigentümer mithilfe einer Firma zur schnellen Gesichtserkennung für Geschäfts-, Hotel- oder Casino-Kunden gegen Diebe zur Wehr setzt. Durch ein installiertes Kamerasystem werden Gesichter in kürzester Zeit mit Verdächtigen abgeglichen. In einer Cloud der Firma werden diese Datensätze gespeichert. Über eine App wird der Geschäftseigentümer bei Zutritt eines Verdächtigen in seine Geschäftsräume umgehend auf seinem Smartphone informiert. Wenn Real-time Gesichtserkennung mit der größten existierenden biometrischen Datenbank Aadhaar (Indien) verbunden würde, könnte diese den perfekten Überwachungsstaat schaffen, so Hannah Devlin.

Aber man kann sich wehren: einige Städte – als erste San Francisco im Mai 2019 – haben schon beschlossen, die Gesichtserkennungstechnologie zu verbieten. Genau dies will auch eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) für die gesamte EU erreichen. Die Promotoren fordern die EU-Kommission auf, den Einsatz biometrischer Technologien streng zu regeln, um jeden unzulässigen Eingriff in die Grundrechte zu verhindern. Die Kommission soll die unterschiedslose oder stichprobenartige Verwendung biometrischer Daten, die zu einer unrechtmäßigen Massenüberwachung führen kann, in Gesetz und Praxis verbieten.

Es geht um sehr, sehr tiefgreifende Eingriffe in die Grundrechte, insbesondere in das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung, also das verfassungsrechtlich verbriefte Recht, sich unbeobachtet und anonym in der Öffentlichkeit zu bewegen. Die Nutzung biometrischer Massenüberwachung durch die Staaten und die EU selbst, so die Promotoren dieser EBI, wird zu Verstößen gegen das EU-Datenschutzrecht führen. Sie wird das Menschenrecht auf Privatsphäre, auf freie Meinungsäußerung, auf Protest und auf Diskriminierungsfreiheit ungebührlich einschränken. China, Belarus, Russland lassen grüßen. Die weitverbreitete Nutzung von biometrischer Überwachung, Profiling und dazugehörigen Prognosen stellt eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit und die wichtigsten Grundfreiheiten dar. Mit dieser EBI wird die Kommission aufgefordert, einen Rechtsakt vorzuschlagen, der auf den allgemeinen Verboten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung (LED) aufbaut. Im Klartext: die EU soll die biometrische Massenüberwachung gezielt und ausdrücklich verbieten. Hier kann man unterschreiben.