Kultur | Gedenkjahre

100 Jahre Erster Weltkrieg

Ganz Europa schaut in diesem Jahr zurück: 100 Jahre ist es her, da ließen sich die Nationalstaaten auf jenen unseligen Ersten Weltkrieg ein, der 17 Millionen Menschen das Leben kostete. In diesem Jahr wird daran erinnert, neu dokumentiert und getagt. Auch in Südtirol.

Vor einem Jahrhundert, am 28. Juli erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg als Folge der Ermordung seines Thronfolgers Franz-Ferdinand. In den Lokalkrieg wurden schließlich sämtliche Nationalstaaten Europas mit hineingezogen, 17 Millionen Tote forderte der Erste Weltkrieg in den Jahren 1914 bis 1918. Für Südtirol besonders schmerzlich die Folgen dieses Krieges, seine Abtrennung vom Habsburgerreich und die Annexion an Italien.

So werden in diesem, aber auch in den Folgejahren bis hin zum Datum 2019 einige zeitgeschichtliche Veranstaltungen zu erwarten sein. Erstaunlicherweise sind diese Veranstaltungen jedoch nirgendwo zentral gesammelt. Die verschiedenen Museen, Bibliotheken oder Geschichtsvereine planen jeder für sich, in welcher Form an den Ersten Weltkrieg erinnert werden soll.

Der Landtagsabgeordnete Hans Heiss hat aus diesem Grund einen Antrag im Landtag gestellt, eine Anregung zum Verbinden der einzelnen Veranstaltungen. „Es wäre gut, wenn es wie bereits im Hofer-Jahr 2009 geschehen, eine Koordinierungsstelle geben würde, die alle Initiativen zum Gedenken an den 1. Weltkrieg in ein einheitliches Profil einbringt,“ so Heiss.

Gut vorbereitet zeigt sich in dieser Hinsicht das noch junge Zentrum für Regionalgeschichte an der Bozner Universität. Direktor Oswald Überegger hat vorgearbeitet und in Zusammenarbeit mit österreichischen und italienischen Fakultäten, Verlagen und Vereinen eine Reihe von Publikationen und Veranstaltungen vorzuweisen, die dem 100-Jährigen Rechnung tragen.

„Katastrophenjahre“ wird jenes Standardwerk zum 1. Weltkrieg heißen, das Ende Februar im Universitätverlag Wagner erscheint, mit 130 historischen Fotos und 27 Beiträgen von Historikern zu Themen wie den Kriegserfahrungen der Frauen, die Kriegsfürsorge, die Kunstgeschichte jener Jahre in Tirol oder zur Alltagsgeschichte.

Eine österreichisch-italienische Zusammenarbeit ist eine Publikation mit einem vergleichenden Blick auf die Kriegsjahre 1914 – 1918, Historiker aus Italien und Österreich beschäftigen sich mit Erinnerungskultur, der Politik, dem Militär. Das Werk wird auf deutsch und italienisch erscheinen.

An der Uni Bozen selbst wird es eine Vorlesungsreihe im Studium Generale geben, öffentlich zugängliche Gastreferate mit Weltkriegs-Experten, wie dem Autor und Historiker Christopher Clark, der mit seinen Thesen zum Ausbruch des 1. Weltkriegs provoziert und mit seinem Buch „Die Schlafwandler“ die Bestsellerlisten anführt.

Eine interessante Tagung wird es im März geben: über Frauen und Geschlechtergeschichten treffen sich auf einem Symposion die Frauenforscherinnen Ingrid Sharp von der Universität Leeds, Bruna Bianchi von der Uni Venedig und Christa Hämmerle aus Wien.

Der Weltkrieg und die Grenzregionen, der Krieg an den Grenzen, davon handelt eine weitere große Tagung die Mitte November 2014 in Bozen stattfinden wird. Wie erlebten Grenzgesellschaften in Südtirol, Elsass-Lothringen oder aus dem Triestiner Raum diesen großen Krieg? Dazu kommen 25 Referenten nach Bozen.

Viel stärkere und schmerzhaftere Auswirkungen als in Südtirol hat der 1. Weltkrieg im Trentino gehabt, wo die Kriegsfront verlief, sagt Oswald Überegger vom Zentrum für Regionalgeschichte. Auch wurden Zehntausende von Trentinern während der Kriegsjahre nach Innerösterreich deportiert, ein kaum aufgearbeitetes Gesellschaftstrauma. In Südtirol wird der 1. Weltkrieg hingegen in seinen dramatischen Auswirkungen der Abtrennung von Österreich wahrgenommen. Für das Jahr 2015 ist hierzu einiges zu erwarten. Zuerst aber lassen wir das 2014-er Jahr auf uns zukommen.

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Hartmuth Staffler Sa., 18.01.2014 - 16:26

Laut Oswald Überegger wurden "Zehntausende von Trentinern während der Kriegsjahre nach Innerösterreich deportiert". Das stimmt schon, ist aber genau die halbe Wahrheit, weil nämlich weitere Zehntausende, ungefähr gleich viele, von den Italienern nach Mittelitalien deportiert wurden. Sind diese Menschen für den Herrn Überegger etwa weniger wert?. Und weiß er überhaupt, wenn er schon Historiker sein will, wie diese armen Menschen in Italien behandelt wurden?

Sa., 18.01.2014 - 16:26 Permalink
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Martin Geier Sa., 18.01.2014 - 18:14

Bzgl. dem letzten Absatz empfehle ich das Buch "Leben im Krieg" Die Tiroler Heimatfront im Ersten Weltkrieg von Oswald Überegger und Matthias Rettenwandter
http://www.amazon.de/Krieg-Tiroler-Heimatfront-Ersten-Weltkrieg/dp/8882…
Interessant daß nicht nur die Deportation viele Opfer forderte(Krankheit und Hunger und den überfüllten Lagern) sondern daß das Trentino durch die Requirierungen der Armee(die Soldaten litten selbst Hunger) und durch noch schlechtere Nahrungsmittelzuweisungen als andere Teile Österreich-Ungarns ganz besonders benachteiligt wurde. Bereits vorher aber besonders nach der Kriegserklärung Italiens galten die Trentiner der kuk Führung als 'unsichere Kantonisten' und wurden daher laufend benachteiligt und diskriminiert. Gerade die Deportation und die Ungerechtigkeiten im Trentino selbst trugen wesentlich dazu bei Deutsche und Italiener im Alten Tirol auseinanderzudividieren; mit Auswirkungen bis heute. Auch ein Grund wieso heute das Alte Tirol Geschichte ist und manch Vorhaben einem Wiederbelebungsversuch an einer Leiche gleicht.

Sa., 18.01.2014 - 18:14 Permalink
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Martin Geier Sa., 18.01.2014 - 19:18

Ironischerweise wurde beim Attentat auf Franz Ferdinand von Österreich-Este leider genau einer der wenigen Köpfe ermordet die das Potenzial gehabt hätten Österreich-Ungarn zu reformieren. Er wollte das alte Kaiserreich umbauen und föderalisieren.
Im Prinzip hat der Serbische Attentäter praktisch die Arbeit jener konservativen Kriese erledigt die dieser Reform im Wege standen. Zeitzeugen wissen zu berichten daß in Wien bei Vielen die Trauer recht bescheiden ausfiel. Im Krieg war Österreich-Ungarn von Anfang an außerstande die eigene Bevölkerung zu versorgen, nicht zuletzt weil die beiden Landesteile nebeneinanderherlebten und -wirtschafteten.
Darunter litt auch das Militär. Nach wenigen Monaten war die Kriegsbegeisterung in Tirol verflogen; die Kaiserjägerregimenter verbluteten in Galizien, von einer unfähigen Führung in den Tod geschickt. Jene Kreise die eine Reform nicht wollten(hätte einen eigenen Machtverlust gebracht) und denen die Ermordung des Thronfolgers sehr gelegen kam, haben sich aber das eigene Grab geschaufelt. kuk war in einem Krieg gefangen den es nicht gewinnen konnte, als reformunfähiger Dinosaurier hatte manch benachteiligte Ethnie(die slawischen Völker vor allem) kein Interessse mehr daran für ein sterbendes Reich irgendwo zu verröcheln. Politik und Militärs haben versagt, ungarische und deutsche Nationalisten haben den slawischen erst befeuert. Grundlegende Reformen im Sinne einer Föderalisierung und Gleichberechtigung aller Nationalitäten und natürlich Frieden hätte das alte Reich gebraucht; gewählt aber wurde der Krieg, nicht zuletzt um diesen Reformen auch zu entgehen.
Das Resultat kennen wir; wir Südtiroler sowieso.

Sa., 18.01.2014 - 19:18 Permalink
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Rupert Gietl -r Sa., 18.01.2014 - 20:52

Antwort auf von Martin Geier

Wie immer blenden Sie uns mit einem vorzüglichen historischen Destillat und bedienen sich dabei meisterhaft all jener Klischees, welche heutzutage wohl zum guten Ton gehören, wenn man über Österreich-Ungarn spricht. Oder besser: lästert.
Wie gut trifft es sich, dass Christopher Clark nach Bozen kommt. Sie sollten sich ihn anhören, es lohnt sich. Falls Sie keine Zeit haben, lesen Sie doch in seinem Buch „Die Schlafwandler“ das Kapitel "Das Reich ohne Eigenschaften" (Seite 100ff.)
Ein gutes Kraut gegen allzu festgefahrene Meinungen.
mfG

Sa., 18.01.2014 - 20:52 Permalink
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Martin Geier Sa., 18.01.2014 - 21:51

Antwort auf von Martin Geier

Schon möglich daß ich mir das anhöre, besitze ja bereits eine ganze Reihe von Büchern die sich mit dem WK I beschäftigen.
Fakt ist daß sich die Deutschen sehr bald über Österreich-Ungarn ärgerten dem Riesenreich zu Hilfe eilen mußten. Zuerst an der Russischen Front und später am Isonzo. Es nützt wenig ein Riesenreich zu glorifizieren weil einem die Gegenwart und darin besonders ein Land nicht gefallen. Ferdinand wollte kuk verändern; dem hat leider ein serbischer Attentäter ein Ende bereitet. Nein, Österreich-Ungarn war nicht schuldig, aber mitschuldig und ist auf dem Balkan gerade in jene Falle getappt die sein Schicksal werden sollte.
PS: Kenne die Debatte um das Buch, unter Historikern ist die Gewichtung der Kriegsschuld unter den damaligen Gegnern seit Jahrzehnten Gegenstand von Diskussionen.

Sa., 18.01.2014 - 21:51 Permalink