Wirtschaft | Second Hand

Wunderkind oder eiskalter Profi?

Eine ARD-Doku folgt der Spur des Geldes von René Benko. In Bozen werden erste Forderungen nach einem Referendum zum Ötzi-Museum laut.

Wie  kann ein junger Mensch so schnell so viel Geld verdienen? Diese Frage stellt sich Gerhard Hofer, Journalist der österreichischen Tageszeitung Die Presse, wenn er an René Benko. denkt. Der Tiroler Investor und “Selfmade-Millionär” – sein Vermögen wird auf 4,7 Milliarden Euro geschätzt – steht im Mittelpunkt einer ARD-Doku, die Montag Nacht ausgestrahlt wurde. Anlass für die Recherchen der deutschen Journalisten: die wirtschaftliche Schieflage von Galeria Karstadt Kaufhof. Seit 2019 ist der zweitgrößte Warenhauskonzern – hervorgegangen aus einer Fusion Galeria Kaufhof und Karstadt – mehrheitlich in den Händen von Benkos SIGNA Holding. Diese baut in Bozen den Waltherpark samt Einkaufszentrum und will der Gletschermumie Ötzi auf dem Virgl ein neues Zuhause schaffen – inklusive Seilbahn.

Obwohl das Benko-Projekt für den Virgl 2019 als Sieger aus einer Marktkonsultation hervorgegangen war, hat er diese Woche einen deutlichen Dämpfer erfahren: Die Standortanalyse, die das Land Südtirol beim Unternehmen Sinloc Spa aus Padua in Auftrag gegeben hat, sieht den Virgl abgeschlagen auf Platz 4 der geeigneten Standorte für das neue Archäologiemuseum. Die Entscheidung liegt nun bei der Landesregierung. Während erste Rufe nach einem Referendum zum neuen Ötzi-Museum laut werden – der Bozner Gemeinderat Claudio Della Ratta (Oltre-Weiter), der Ötzi auf dem Virgl als Chance zur Auswertung des Bozner Hausbergs sieht, verlangt ein solches –, will sich Benko nicht kampflos geschlagen geben. Sein Bozner Statthalter Heinz Peter Hager hat amtliche Akteneinsicht beantragt, um den Werdegang der Sinloc-Studie zu überprüfen.

Sein Vermögen hat der heute 43-Jährige mit der geschickten Vermarktung von Immobilien gemacht. Sein besonderes Augenmerk galt von Anfang an Immobilien in bester Innenstadtlage, weil sie “entsprechend knapp sind und daher die Preise eigentlich nur nach Oben gehen können”. (ARD-Doku “Der Kaufhauskönig – Wie ein Multimillionär Karstadt und Kaufhof versilberte”)

Dabei ist Bozen nur ein Nebenschauplatz für die SIGNA. In Deutschland machen Beschäftigte von Galeria Karstadt Kaufhof ihrem Ärger Luft, indem sie auf eine aufblasbare Benko-Puppe eindreschen. “Der deutsche Kaufhauskonzern befindet sich nicht erst seit der Corona-Pandemie in einer wirtschaftlichen Schieflage. Eine endgültige Pleite konnte 2020 nur durch massiven Stellenabbau, Filialschließungen und einem Verzicht der Gläubiger auf mehr als 2 Milliarden Euro abgewendet werden. Nun hat die Bundesregierung dem Konzern Corona-Staatshilfen in Höhe von 460 Millionen Euro genehmigt, um den Weiterbestand des Traditionsunternehmens mit seinen 28.000 Beschäftigten zu sichern. Die Mitarbeiter*innen haben ihrerseits über Jahre hinweg immer wieder auf erhebliche Teile ihres Lohns, Urlaubs- und Weihnachtsgelds verzichtet – in der Hoffnung, so zum Überleben des Konzerns und ihrer Arbeitsplätze beizutragen.” Mit diesen Zeilen kündigt die ARD die 45-minütige Fernseh-Doku am Montag an.


Die Autoren Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann folgen der Spur des Geldes und blicken hinter die Kulissen von Benkos weitverzweigtem und undurchsichtigen Firmengeflecht, von Briefkastenfirmen in Luxemburg, diskreten Unternehmen in der Schweiz und Familienstiftungen in Liechtenstein und Österreich. (…) Nicht wenige Beschäftigte befürchten inzwischen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein könnte, bis der gesamte Konzern verschwindet – trotz hunderter Millionen staatlicher Hilfe. (ARD-Doku “Der Kaufhauskönig – Wie ein Multimillionär Karstadt und Kaufhof versilberte”)

Die Eingangsszene der ARD-Doku zeigt das Wiener Hotel “Park Hyatt”. Mitte November 2019 hatte René Benko dort zum “SIGNA Törggelen” geladen. Neben Sebastian Kurz, der damaligen österreichischen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Gerry Friedle alias “DJ Ötzi” und Benkos Geschäftspartne, Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, sind auch Heinz Peter Hager und Othmar Michaeler zugegen. Die beiden haben beruflich viel miteinander zu tun. Sowohl in der Südtiroler Volksbank, als auch bei Immobiliengeschäften – was unter anderem die Wochenzeitung ff 2017 und Il Fatto Quotidiano 2019 dazu veranlassten, die Geschäftsbeziehungen SINGA-Volksbank genauer zu beleuchten. Die Recherche-Plattform Addendum befasst sich seit Jahren mit den Geschäften des Tiroler Investors.

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Stefan Laner Mi., 28.04.2021 - 19:23

Also falls es euch tatsächlich noch nicht aufgefallen sein sollte, dann ist es an der Zeit, sich über noch so einiges Gedanken zu machen. Da meine ich nicht den Kauf des Crysler Buildings zu ganz speziellen Konditionen oder die Liegenschaften von besonderer symbolischer Bedeutung, etwa all jene in Wien. Die SIGNA-Holding macht ja kein Geheimniss daraus, wenn man sich die Homepage mit dem Portfolio mal anschaut. Wer schon internet hat, der kann sogar gratis darauf zugreifen und lesen.
Ich meine eher die andere Sache, der keiner Beachtung schenkt.
Ist euch noch nicht aufgefallen, dass Real Estate in manchen Gebieten bereits die Hälfte oder mehr an Immobilienberatern in der Gruppe vereint? Die meisten erkennt man am Namen. Da liest sich bei jedem 2ten Real oder Estate... das nannte sich früher mal Freunderlwirtschaft und dann Friendschais und jetzt Cooperationspartner oder Lizenzgemeinschaft und noch so ein paar Ausdrücke.
Womöglich kommt irgendwann jemand drauf, dass Benko nicht ein medienverwöhnter krimineller Einzeltäter ist, sondern eine ganze Organisation von gierigen Immobilienheinzis die die Mietpreise in die Höhe treiben.

Mi., 28.04.2021 - 19:23 Permalink
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Stefan Laner Mi., 28.04.2021 - 19:30

Dass Benko bereits eine Verurteilung wegen Bestechung hinter sich hat getrauen sich Medien ja gar nicht mehr sagen, denn sonst kommen die Anwälte und klagen auf Unterlassung. Und so jemanden lassen wir in Bozen Einzug halten, obwohl wir uns damals bei MC Donalds so dagegen gewehrt haben. Aber um International zu Punkten mit einem luxuriösen Einkaufszentrum in dem sich normale Geschäfte keine 2 qm leisten können schmeissen wir dem Drachen das Gold gleich direkt ins Maul.

Mi., 28.04.2021 - 19:30 Permalink
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Karl Trojer Do., 29.04.2021 - 11:15

Je größer Projekte sind, umso weniger werden sie transparenten und konsequenten behördlichen Kontrollen unterzogen. Das ist zwar absurd, s´ist aber ein Eckpfeiler der hemmungslosen Finanzspekulation, dem unser Wirtschaftssystem ausgeliefert zu sein scheint. Wer politische Verantwortung trägt, darf nicht zulassen, dass Spekulanten die Demokratie gängeln; hierzu ist gesetzliches Handeln auf allen zuständigen Ebenen dringend erforderlich !

Do., 29.04.2021 - 11:15 Permalink