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Foto: Suedtirolfoto.com/Othmar Seehauser
Politik | Kommentar

Der Tabubruch

Florian Zerzer hat am Freitag den Landtag vorgeführt und ein Exempel statuiert, nach dem man das Instrument Untersuchungsausschuss gleich abschaffen kann.

Parlamentarismus funktioniert nur nach strengen Regeln, die völlig losgelöst von politischen Überzeugungen und persönlichen Befindlichkeiten für alle gleich gelten. Es ist eine der Hauptaufgaben der Volksvertreter, darüber zu wachen, dass diese Spielregeln der Demokratie weder ausgehöhlt noch einseitig abgeändert werden.
Genau diese Aufgabe hat man im Untersuchungsausschuss des Landtages zur Maskenaffäre am vergangenen Freitag sträflich vernachlässigt. Die Mitglieder des parlamentarischen Kontrollgremiums haben sich von einem der Geladenen vorführen lassen. Sie haben geschlafen und es zugelassen, dass der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes einen Schachzug tut, mit dem er nicht nur einen unbequemen Kritiker zum Schweigen bringt, sondern vor allem das Instrument Untersuchungsausschuss obsolet macht.
Franz Ploner & Co haben am Freitag Florian Zerzer einen Tabubruch gestattet, der einem Präzedenzfall gleichkommt und das Ende jeder seriösen parlamentarischen Kontrolltätigkeit in Südtirol bedeuten kann. Damit kann man das Kapitel „Untersuchungsausschuss“ aus der Geschäftsordnung des Südtiroler Landtages gleich ganz streichen.
 
Es ist eine Frage von Sven Knoll, mit der die Affäre ins Rollen kommt. Der Abgeordnete der Südtiroler Freiheit will am Freitagnachmittag von Florian Zerzer noch einmal genau wissen, was am Sonntag, den 29. März 2020 passiert ist, als der CEO des Unternehmens Oberalp, Christoph Engl, per Mail das negative Maskengutachten des Wiener Amtes für Rüstung- und Wehrtechnik an die Generaldirektion des Sanitätsbetriebes übermittelt hat. Knoll stellt die Frage höflich, ohne polemischen oder kritischen Unterton.
 
 
Florian Zerzers Antwort:
 
„Herr Knoll, ich möchte hier etwas zu Protokoll geben und verständlich machen, wieso ich ihnen diese Frage nicht beantworten werde. Es ist auch ein Ausdruck der Enttäuschung meinerseits Ihnen gegenüber. Und das lassen Sie mich bitte kurz ausführen.
Sie, Herr Knoll haben in der Sitzung im Mai 2020 vor laufender Kamera hier im Saal des Südtiroler Landtages schwere Anschuldigungen gegen den Südtiroler Sanitätsbetrieb und somit natürlich auch gegen meine Person ausgesprochen.
Wenn Sie einverstanden sind, Herr Präsident, dann kann ich auch gerne das Schreiben vorlesen, das ich Herr Knoll geschickt habe, dann ist für jeden nachvollziehbar, was geschehen ist.“
Zerzers Schreiben macht die ganze Hybris des Generaldirektors des Sanitätsbetriebes augenscheinlich.
Daraufhin verliest Florian Zerzer eine E-Mail, die er vor rund einem Jahr an Sven Knoll geschickt hat und die seit Monaten Teil jener Akten ist, die dem Untersuchungsausschuss des Landtages vorliegen. Hinterlegt von Sven Knoll.
In dem Schreiben heißt es:
 
„In meiner Eigenschaft als Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes habe ich am Mittwoch, den 6. 5. die Tonaufnahmen aller Ansprachen, die hier am selben Tag im Plenum des Südtiroler Landtages gehalten wurden, offiziell erhalten. Da mir über einige Ihrer schwerwiegenden Worte gegenüber dem Südtiroler Sanitätsbetriebes berichtet wurde, ich beziehe mich insbesondere auf die Ansprache, die 1 Minute und 34 Sekunden gedauert hat, in der Sie alle Landtagsabgeordneten, Vertreter der Landesregierung und die Öffentlichkeit über eine Ihnen angeblich mitgeteilte Aussage seitens einer nicht genau und näher definierten Krankenpflegerin informiert haben. Wonach diese sich, trotz der ihr gelieferten persönlichen Schutzausrüstung, am Arbeitsplatz mit Covid-19 infiziert habe und anschließend auch ihre Familie infiziert habe, wobei dieses sogar zum Tod ihres Ehemannes geführt habe.
Nun, nachdem ich mir diese schwerwiegenden Anschuldigungen immer wieder persönlich angehört habe, in dem Sie den Südtiroler Sanitätsbetrieb ohne Umschweife beschuldigen, seinen Mitarbeiterinnen völlig unausreichliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt zu haben, sodass ihre Ansteckung, sowie jene ihrer Familienangehörigen und somit sogar den Tod einer Person verursacht wurde, bin ich der Meinung, dass Ihre Aussage äußerst gravierend und dass deshalb richtiggestellt bzw. prozessiert werden sollte.
 
 
In der Ausführung ihrer institutionellen Pflichten und Aufgaben haben Sie als Landtagsabgeordneter eine genaue Verantwortung gegenüber der gesamten Südtiroler Gemeinschaft zu tragen und können nicht einfach als Resonanzboden einer angeblichen Meldung fungieren, ohne sich des Umfangs ihrer Worte bewusst zu sein, sowie der Konsequenzen, die diese haben können und der Ängste, die diese Worte bei den Ärzten und Krankenpfleger und – pflegerinnen hervorrufen. Ohne deren kostbare, tägliche Arbeit könnten wir die tägliche, schwere Notstandsphase, die wir erleben, sicherlich nicht bewältigen.
Und im Fall, dass eine Mitarbeiterin des Sanitätsbetriebes beschließen würde, zu Ihnen zu kommen, um mutmaßliche Fehlfunktionen oder andere Dinge zu melden, die es sogar vielleicht verdienen würden, an die Justizbehörde weitergemeldet zu werden, ist es meiner Meinung nach nicht legitim, über diese mutmaßlichen Umstände in einem öffentlichen Kontext zu berichten und diese weiterzugeben, da diese auch rufschädigende Wirkung für den Sanitätsbetrieb haben kann.
Meines Erachtens lässt es ihre Rolle nämlich nicht zu, solche berichtete Umstände als absolute und unbestreitbare Wahrheiten in Umlauf zu bringen. Als Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes kann ich nichts anders tun, als Sie auf diesen Umstand hinzuweisen.
Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, im Südtiroler Landtag eine rechtzeitige Berichtigung vorzunehmen um die Wahrheit der Dinge wiederherzustellen. Tatsächlich kann es sich niemand leisten öffentlich Umstände zu behaupten, die völlig ohne reale Grundlage – niemand weiß, wo sich diese Person möglicherweise angesteckt hat – und vor allem, die sich nicht auf gültige Beweismittel stützen. Deren Folgen wirken sich darüber hinaus für die ganze Gemeinschaft verheerend aus und sind gleichermaßen geeignet, Unsicherheiten, Ängste und unbegründete Sorgen bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen zu erzeugen.
Zudem ersuche ich sie uns den Namen der Mitarbeiterin mitzuteilen, damit wir den von ihnen vorgebrachten Sachverhalt überprüfen können und somit zu einer Aufklärung beitragen können. Es wäre in meinen Augen sinnvoller und zielführender, als die von Ihnen vorgebrachten, pauschalen Äußerungen.“
 
Florian Zerzer erklärt am Freitag im Untersuchungsausschuss, warum er dieses Schreiben vorgelesen hat. „Diese Aussagen hatten zumindest für meine Familie gravierende Konsequenzen“, sagt der Generaldirektor des Sanitätsbetriebes, „am Sonntag darauf, standen auf der Umfriedungsmauer bei meinem Elternhaus in Mals die Worte zu lesen: Florian Zerzer Mörder.
Laut Zerzer sei das eine direkte Folge der Aussagen von Sven Knoll, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hätte auf dieses Schreiben zu antworten. Florian Zerzer am Freitag wörtlich: „Deshalb bin ich auch nicht bereit, Fragen des Herrn Abgeordneten Knoll hier zu beantworten.
 
Zerzers Schreiben macht die ganze Hybris des Generaldirektors des Sanitätsbetriebes augenscheinlich. Der öffentliche Angestellte maßt sich an, einem Abgeordneten vorzuschreiben, was dieser in der Ausführung seines politischen Mandates tun darf und was nicht.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Florian Zerzer hat natürlich das Recht, sich gegen unrechtmäßige Anschuldigungen zu wehren. Er kann – wie jeder Bürger – Klage vor Gericht einreichen. Das tut er auch. Etwa mit der Klageandrohung gegen den Autor dieser Zeilen (geforderter Schadenersatz 300.000 Euro) oder gegen Paul Köllensperger (80.000 Euro). Warum Zerzer bei Sven Knoll hingegen den Weg der versuchten Einschüchterung gewählt hat, bleibt ein Geheimnis des Glaubens.
Wenn sich die Geladenen selektiv aussuchen können, wem sie antworten und wem nicht, dann ist das das Ende des Instruments Untersuchungsausschuss.
Florian Zerzer hat diese persönliche Kontroverse jetzt aber zum Vorwand genommen, um am Freitag im Untersuchungsausschuss alle Fragen des Abgeordneten der Südtiroler Freiheit unbeantwortet zu lassen. Genau das ist so keinesfalls tragbar.
Es ist ein fahrlässiges Versäumnis des Präsidenten des Untersuchungsausschusses Franz Ploner, dass er nicht unmittelbar eingeschritten ist, sowie der anderen Mitglieder des Untersuchungsausschusses, dass sie – völlig unabhängig, wie man die Kontroverse inhaltlich bewertet – Sven Knoll nicht zur Seite gesprungen sind. Sie haben mit ihrem Schweigen der parlamentarischen Kontrollinstanz einen Todesstoß versetzt.
Wenn sich die Geladenen selektiv aussuchen können, wem sie antworten und wem nicht, dann ist das das Ende des Instruments Untersuchungsausschuss. Denn Zerzers Verhalten ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Das nächste Mal wird jemand erklären: Auf die Fragen der Grünen antworte ich nicht! Oder vielleicht auf die Fragen der gesamten Opposition.
Damit kann man die Untersuchungsausschüsse im Landtag auch gleich abschaffen.
Dass man das am Freitag im Landtag nicht überrissen hat, muss jedem Demokraten ernsthaft Sorgen bereiten.
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Manfred Klotz Mo., 10.05.2021 - 11:54

Es bleibt kein Geheimnis des Glaubens, weshalb Zerzer gegenüber Sven Knoll nicht den Weg der Gerichtsbarkeit gewählt hat. Ohne nähere Informationen zu den genauen Aussagen und zur Urheberin dieser Aussagen wäre das wohl wenig stichhaltig gewesen. Zumal Sven Knoll die Informationen offenbar nicht preisgeben wollte oder konnte.

Mo., 10.05.2021 - 11:54 Permalink
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Manfred Klotz Mo., 10.05.2021 - 17:15

Antwort auf von Lorenzo Albarello

In base a che cosa potrebbe intervenire la Magistratura? Dato che non vi è nessun obbligo di presentarsi davanti alla commissione d'inchiesta, non ci sarebbe nessun appiglio e per un'uscita fuori luogo, determinata evidentemente da un fatto personale, nessun giudice potrebbe sentenziare.

Mo., 10.05.2021 - 17:15 Permalink
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Martin Aufderklamm Mo., 10.05.2021 - 21:12

Credo che non possa neppure intervenire perchè gli edifici dei consigli regionali cosi come Senato e Camera godono di una particolare tutela giuridica; sono per esempio vietate le intercettazioni.

Mo., 10.05.2021 - 21:12 Permalink
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Martin Federspieler Di., 11.05.2021 - 05:34

Irre ich mich, oder ist die Gerichtsbarkeit nicht schon ausreichend mit der Materie befasst? Und, Herr Franceschini, wann hat jemals ein Untersuchungsausschuss im Landtag irgend ein brauchbares Ergebnis erbracht? Es wird wohl so oder so die Sinnhaftigkeit dieses Instruments und der investierten Zet u. Geld zu hinterfragen sein.

Di., 11.05.2021 - 05:34 Permalink