Umwelt | Gastbeitrag

Zurechtgestutzt

Ein Vorfall, der mich als Gemeindebürgerin und langjährige Kindergartenleiterin von Innichen betroffen gemacht hat.
Garten Kindergarten Innichen
Foto: Privat

„Der Natur- und Umweltschutz verlangt in den nächsten Jahren die volle Aufmerksamkeit eines jeden Bürgers“. Dieser eine Satz aus dem programmatischen Dokument des Bürgermeisters, der im Ansatz die Bemühung um die Erhaltung eines lebenswerten Dorfes enthält, ist für mich der Auftrag, ein Vorgehen zu schildern, das inakzeptabel und unverständlich ist. Auch wenn ich eine BürgerIN bin.

Als damalige Leiterin habe ich im Jahr 2000 das Projekt zur Gestaltung eines naturnahen Gartens initiiert und die finanzielle Unterstützung über den Kindergartensprengel und die Gemeinde Innichen (der Herr Bürgermeister war zu dieser Zeit sogar im Gemeindeausschuss und müsste davon in Kenntnis sein?) gesichert. Gemeinsam mit dem Gartenplaner Dr. Alex Oberholzer aus der Schweiz haben wir als Kindergartenteam mit den Kindern ein Konzept entworfen und in kürzester Zeit umgesetzt. Die Idee eines naturnahen Gartens hat die Kindergartenpädagoginnen und die Familien überzeugt und begeistert und nach der Modellierung des Geländes haben an einem Wochenende Ende Mai alle gemeinsam über 400 Pflanzen gesetzt und anfangs auch gepflegt. Das Konzept des naturnahen Gartens sieht danach keine großen Arbeiten mehr vor, es ist nur alle 5-6 Jahre ein Baum- und Strauchschnitt nötig, den jedoch Experten durchführen müssen. 

 

In den letzten 21 Jahren ist die ehemals trostlose Grünfläche zu einem wunderschönen Stück Natur mitten im Dorf geworden. Viele Mädchen und Buben haben den Außenbereich des Kindergartens täglich als wichtigen Lern- und Bildungsort genutzt zum Laufen, Klettern, Spielen mit Ästen, Sand und Steinen. Es ist zu keinem nennenswerten Unfall gekommen. Die Kindergartenpädagoginnen waren bemüht, den Kindern einen achtsamen und respektvollen Umgang mit allen Pflanzen und Lebewesen zu vermitteln. Gemeinsam haben sie die Vögel beim Nestbauen und Brüten beobachtet, sich über jede Blume und jeden Käfer gefreut, auch mal einen toten Vogel beerdigt und liegengebliebenen Müll entsorgt.

Der naturnahe Garten ist auch im Konzept des Kindergartens als Besonderheit beschrieben und war immer wieder Ziel von kollegialen Hospitationen. Auf einer Tafel am Gartenzaun sind die fachlichen und theoretischen Hintergründe sichtbar, um auch alle anderen Besucher zu einem entsprechenden Umgang mit unserer wertvollsten Ressource anzuregen. Neue Mitarbeiterinnen waren anfangs manchmal skeptisch, spätestens nach den ersten Gartenaufenthalten haben sie die Erfahrung gemacht, wie sich Kinder aller vier Gruppen im Außenbereich beschäftigen und spielerisch lernen konnten. Vor allem das Konfliktpotential ist deutlich gesunken.

Die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung belegen, wie wichtig und bedeutend ganzheitliche und sinnliche Naturerfahrungen für eine gesunde Entwicklung der Kinder sind. „Weil Natur für Kinder eben nicht einfach eine nette Ergänzung zum Alltag ist. Weil sie mehr ist als ein Erholungsraum, mehr als ein Ort, um seine Batterien aufzuladen oder sich auszutoben. Natur ist für Kinder so essenziell wie gute Ernährung. Sie ist ihr angestammter Entwicklungsraum. Hier stoßen die Kinder auf vier für ihre Entwicklung unverhandelbare Quellen: Freiheit, Unmittelbarkeit, Widerständigkeit, Bezogenheit. Aus diesen Erfahrungen bauen sie das Fundament, das ihr Leben trägt“. (Herbert Renz-Polster Gerald Hüther „Wie Kinder heute wachsen“ 2013). In dieser für uns alle nicht einfachen Zeit hat diese Erkenntnis noch einmal mehr Gewicht. 

Innerhalb von zwei Tagen ist es gelungen, dieses wertvolle Stück Natur niederzumetzeln und in eine öde und trostlose Fläche zu verwandeln. Im Auftrag und auf ausdrücklichen Wunsch der Gemeindeverwaltung hat eine Gärtnerei das zunichte gemacht, was hunderte Kinder und auch viele Erwachsene zwei Jahrzehnte geschätzt und geachtet haben. Von einem naturnahen Garten ist nichts mehr übrig, viele Sträucher sind komplett vernichtet worden, das Vogelnest auf dem Boden, die Bäume radikal zurechtgestutzt. Das frische Grün der Baumkronen auf einem Haufen, die Tafel kann gleich mit entsorgt werden.

 

Die derzeitige Kindergartenleitung hatte im Herbst um Pflege angesucht und war zwar informiert, hatte aber laut eigener Aussage kein Mitspracherecht, andere Mitarbeiterinnen mussten den Mund halten. Das gesamte Team des Kindergartens und die Kindergartenkinder haben sich nach dem langen und harten Winter auf die Gartenaufenthalte gefreut, jetzt sind sie nur noch entsetzt und traurig. Auch wenn vielleicht einiges wieder nachwächst, der angerichtete Schaden wird nie mehr gut zu machen sein. Da haben auch die paar Quadratmeter Blumenwiese im Eingangsbereich nur eine Alibifunktion, dafür sind mehrere Sträucher und damit wertvoller Lebens- und Schutzraum für viele Kleintiere vernichtet worden. 

Die vorherige Gemeindeverwaltung hat für ein Kunstprojekt abgerissene Baumstämme in das Dorfzentrum gebracht und damit für Gesprächsstoff und Kopfschütteln gesorgt, aber auch einige nachdenklich gestimmt. Die jetzige Gemeindeverwaltung hat mindestens genauso viel Geld ausgegeben, um bleibende Schäden an diesem kleinen Stück Natur anzurichten, das die Kleinsten der Dorfgemeinschaft geliebt haben. 

Die Bemühungen jener, die sich täglich in ihrer Arbeit dafür einsetzen, dass unser Dorf auch für eine nächste Generation lebenswert bleibt, sind zunichte gemacht worden. Was sollen die pädagogischen Fachkräfte den Kindern jetzt antworten, wenn sie fragen, wo die jungen Amseln sind? Oder wo die Vögel überhaupt ein Nest bauen können? Oder warum sie nicht zu viel Blumen pflücken sollen und Erwachsene alle Pflanzen, Sträucher und Bäume in ihrem Garten abschneiden dürfen und dafür auch noch entlohnt werden?

 

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Hans Tsrigauner Do., 20.05.2021 - 15:50

Obwohl ich nur ein Bild sehe, sieht man sofort, dass die Bäum keineswegs fachgerecht geschnitten wurden. So schneidet man keine Bäume. Das ist Verstümmelung. Würde mich wundern welche Firma das gemacht hat, die Firma ist auf jeden Fall nicht zu empfehlen

Do., 20.05.2021 - 15:50 Permalink
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Stefan S Do., 20.05.2021 - 18:33

Und das Dachrinnen am Ablauf mit Gitter vor Laub zu schützen sind und regelmäßig im Herbst das Laub zu beseitigen ist, gehört auch zum kleinen 1x1 der Gebäudepflege.

Do., 20.05.2021 - 18:33 Permalink
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Franz Ladinser Do., 20.05.2021 - 20:45

Ein Kompliment an Irmgard Brugger! Ich teile die Kritik voll und ganz weil ich damals wie heute Kinder dort hatte. Früher war der Garten ein Ort für Spannung, Freude und Spiel. Jetzt ist er eine verbrannte Erde, wo Kinder sich nicht mehr gerne aufhalten.

Do., 20.05.2021 - 20:45 Permalink
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Herta Abram Do., 20.05.2021 - 21:31

Der Bürgermeister schreibt u.a.:“…der Garten wirkt viel gepflegter.“
Herr BM – für Sie zur Erklärung: Ein naturnaher Garten soll eben NICHT „gepflegt“ ausschauen!!
Frau Brugger beschreibt anschaulich die vielfältigen positiven Wirkungszusammenhänge. Aber ich befürchte Sie verstehen nicht, worum es eigentlich geht. Weil wenn Sie es verstanden hätten, dann
hätten Sie in Ihrer Funktion als BM, die „vielen Eltern“ aufgeklärt - über den Sinn und Zweck eines naturnahen Gartens.
Dank an Frau Brugger! Bleiben Sie wehrhaft!

Do., 20.05.2021 - 21:31 Permalink
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Elisabeth Garber Sa., 22.05.2021 - 10:00

Toller und mutiger Beitrag von Frau Brugger zu einer Gemeide, in der Grün-Kultur und weibliche Stimmen keinen Stellenwert haben. Dafür Dach und Dachrinnen. Man hat offensichtlich das billigste und dilettantischste Angebot angenommen. Egal, wenn Kindern und Pädagoginnen die Sonne auf den Kopf knallt und den Vögeln auf zurechtgestutzen Vogelscheuchen das Zwitschern in der Gurgel stecken bleibt.
Die Erklärung der Gemeinde schlägt dem Fass den Boden aus.
PS: Wo bleiben denn die kritischen Stimmen, die um die kindliche Psyche fürchten zwecks Masken oder Testen? Das anonyme & kollektive Schweigen im Salto-Walde (Frei, Christian I und andere mehr z.T. mit Kindern) zu genau dieser haaresträubenden Geschichte(!), bestätigt die Vermutung, dass 'man' vor allem auf 1 Thema... eingeschossen ist.

Sa., 22.05.2021 - 10:00 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 24.05.2021 - 14:03

Wenn man dem Kindergarten ein vernünftiges Dach verpasst hätte, dann hätte auch etwas Laub in den Dachrinnen keine großen Schäden verursachen können, abgesehen davon dass man ja auch das Laub entfernen könnte anstatt die Bäume zusammenzustutzen.

Mo., 24.05.2021 - 14:03 Permalink