Wirtschaft | Teil 1

Nachhaltig Investieren – nicht so leicht

Mehr Leute wollen ihr Geld in grünen Fonds anlegen. Auch Südtiroler Banken bieten solche an. Doch dahinter steckt oft „Greenwashing.“ Ein Artikel in 2 Teilen.
Grüne Finanzen?
Foto: (c) pixabay I Alexas_Fotos

Die meisten Menschen würden heute von sich behaupten, sie leisten einen Beitrag zum Umweltschutz. Der eine verzichtet auf Fleisch, die andere aufs Auto, wieder jemand auf Plastiktüten. Doch den wenigsten ist klar, was mit unserem Geld passiert, und was Banken mit dem eigenen Ersparten machen.

Was das mit Umweltschutz zu tun hat?

Die 60 größten Banken der Welt haben in den letzten fünf Jahren 3,8 Billionen US-Dollar in den fossilen Energiesektor gepumpt, das entspricht fast zweimal dem Bruttoinlandsprodukt Italiens. Die Daten stammen aus dem Bericht 2021 der Initiative „Banking on Climate Change“. Daraus geht außerdem hervor: seit 2016, also nachdem alle Staaten das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hatten, steigen die Investitionen in fossile Energie weiterhin jährlich, mit Ausnahme des Pandemie Jahrs 2020.

 

 

Grund genug also, sein Erspartes bewusster anzulegen, zum Beispiel in nachhaltige Aktien– Misch– oder Rentenfonds. Jedoch ist Nachhaltigkeit leichter gesagt, als investiert. Denn hinter „grünen Fonds“ stecken oft erschreckend braune Portfolios.

 

„Greenwashing“ im Finanzsektor

 

Pascal Vullo lebt für die Nachhaltigkeit durch und durch: Ingenieur für Umwelttechnik im NOI Techpark und Stadtviertelrat der Grünen, war es ihm immer schon wichtig, nachhaltig zu investieren. So stieß er auf den Laborfonds, einen Pensionsfond der Region Trentino-Südtirol, der unter anderem eine ethische Investitions-Line anbietet. In dem Geschäftsbericht heißt es, die ethische Linie des Fonds berücksichtige ökologische, soziale und Aspekte der guten Unternehmungsführung. Außerdem liege der CO2–Fußabdruck des Portfolios 10 Prozent unter seinem Benchmark.

Schöne Worte, die eine umweltbewusste Kundschaft ihr Geld mit ruhigem Gewissen investieren lassen. So entschloss sich auch Pascal Vullo, in der ethischen Laborfonds-Linie anzulegen.

Als Vullo seinen Pensionsfond aber genauer unter die Lupe nahm, fand er im Portfolio Aktien und Anleihen von Unternehmen, die seiner Vorstellung von Nachhaltigkeit diametral entgegenstehen: Mit von der „ethisch-nachhaltigen“ Investitionspartie sind unter anderem der Öl- und Gaskonzern Total aus Frankreich oder der italienische Gasnetzbetreiber Snam.

 

Genauso waschen andere Anbieter ihre Fonds mit schönen Worten grün, um dem „Nachhaltigkeitstrend“ zu folgen. So finden sich im Portfolio des „Raiffeisen-Nachhaltigkeits-Mix“ – einem Fond, der nach ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien als nachhaltig eingestuft wurde – etliche Pestizidhersteller, Firmen aus dem Bereich Erdgasförderung bzw. Transport, Flughafenbetreiber und Autohersteller, sowie „Dow Chemical“ – ein Unternehmen, das im „Toxic 100 Index“ der größten wasser- und luftverschmutzenden US-Firmen aufgelistet ist.

Wie ist es möglich, dass solche Fonds dennoch als „nachhaltig“ gelten?

 

Braun, Hellgrün, Dunkelgrün?

Das Problem bei nachhaltigen Fonds: Weil „Nachhaltigkeit“ kein geschützter Begriff ist, kann er beliebig ausgelegt werden. Mittlerweile orientieren sich fast alle Fondsmanager an den etablierten ESG-Kriterien – Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Diese Nachhaltigkeitskriterien sind jedoch ebenso vage ausgelegt und interpretierbar.

Verbraucher*innen sollten sich daher genau anschauen, welche Strategien ein Fonds verfolgt, um die sogenannte „Nachhaltigkeit“ zu erreichen.

Hinter „grünen Fonds“ stecken oft erschreckend braune Portfolios.

Die meisten als grün gezeichneten Fonds betreiben Divestment – das heißt, sie ziehen das Geld aus Aktien und Anleihen von Unternehmen zurück, die zum Beispiel in fossile Energien investieren. Eine häufige Methode ist die sogenannte Ausschlussstrategie, nach der bestimmte Unternehmen, die sich keiner weißen Weste brüsten, wie Rüstungsunternehmen, oder Firmen, die gegen Menschenrechte verstoßen, vom Fond gestrichen werden. Aber ist ein Fonds deshalb schon nachhaltig?

Eine weitere verbreitete Strategie ist der „Best-in-Class“-Ansatz, der auch von der Raiffeisen Capital Management verfolgt wird. Dabei werden die jeweils „umweltfreundlichsten“ Unternehmen aus jeder Branche ausgewählt, inklusive Automobilhersteller, Pharmaunternehmen oder Gaskonzerne, die in ihrem Sektor zu den „ethisch-ökologisch besten“ gehören. Ob auf Nachhaltigkeit bedachte Anleger*innen sich solche Unternehmen in ihrem Depot wünschen, bleibt fraglich. Auf Anfrage erklärt Wolfang Pinner, Leiter der Nachhaltigkeits-Abteilung bei Raiffeisen Capital Management: „Im Vergleich zum Gesamtmarkt sind die im Fonds enthaltenen Titel deutlich besser aufgestellt was CO2-Emissionen, Arbeitsunfälle, den Wasserverbrauch oder das Müllvolumen betrifft.“ Im Dow Chemical investiere der Fond laut Pinner nicht. Im Portfolio von 2020 war das Unternehmen noch gelistet.

Die Divestment-Bewegung aus fossilen Energieunternehmen existiert schon seit den 1980er Jahren. Laut der oben genannten Studie der Banking-on-Climate-Change-Initiative steigen Investitionen in dieser Branche trotzdem jedes Jahr. Das zeigt: Bei vielen Öko-Fonds handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen.

 


 

Orientierung bieten Umweltsiegel, wie etwa das FNG-Siegel vom Forum für Nachhaltige Geldanlagen, die nachhaltige Fonds prüfen und besonders dunkelgrüne Fonds auszeichnen. Manche Fonds lassen sich von unabhängigen Ethik-Komitees bewerten. Doch die Bewertungs-Methodik externer Experten muss kritisch hinterfragt werden, auch weil die Ergebnisse je nach Siegel sehr unterschiedlich ausfallen.

Warum das so ist, erklärt ein Gutachten der Wirtschaftswissenschaftler Marco Wilkens und Christian Klein im Auftrag des deutschen Verbraucherzentrale Bundesverbands. Darin stellen die Experten fest: Bei nachhaltigen Fonds wird bisher nicht gezeigt, ob diese eine tatsächliche Wirkung auf die Realwirtschaft haben. Also ob zum Beispiel der Fonds dazu beiträgt, dass weniger CO2 ausgestoßen wird, oder dass dadurch mehr Biodiversität erhalten bleibt. Dazu fehlen aktuell sowohl wissenschaftlich abgesicherte Untersuchungen bzw. Methoden als auch Transparenz von Seiten der Finanzinstitute.

 

 

Selbst Experten können also nicht überprüfen, ob eine tatsächliche Nachhaltigkeit erzielt wird. Interne wie externe Begutachter überprüfen in der Regel nur, welche Ausschlusskriterien Investmentfonds definiert haben und, in manchen Fällen, inwieweit sie sich daran halten. „Das kann man den Siegeln aber nicht vorwerfen,“ sagt Professor Marco Wilkens, der auch im Beirat des FNG ist, „einfach, weil der Bereich nachhaltige Geldanlagen, insbesondere im Bereich Impact-Investing, noch am Anfang steht und sich erst entwickeln muss. Es geht aber in die richtige Richtung.“

Wilkens und Klein kommen in ihrer Studie zwar zu einem ernüchternden Ergebnis, doch zeigen sie auch Lösungen auf. Wie eine grüne Transformation der Finanzwelt gelingen kann, was mit „Impact-Investing“ gemeint ist, und was bewusste Anleger*innen tun können, wird im zweiten Teil der Artikelserie gezeigt.

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Karl Trojer Di., 25.05.2021 - 09:47

Es ist grausig, mit wieviel kleinddifferenzierter List gutgläubige Kleinsparer hinters Licht geführt werden. Die Verbraucherzentralen sind aufgefordert EU-weit eigene, ehrliche und zukunftsfähige (= nachhaltige) Angebote auf diesen Markt zu bringen !

Di., 25.05.2021 - 09:47 Permalink
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Peter Defranceschi Mi., 26.05.2021 - 11:52

Guter Artikel! Geld regiert die Welt. Sehr facettenreiches Thema. Freu mich auf den 2. Teil mit konkreten Empfehlungen für Südtiroler Anleger. Als ich mich vor Jahren in einer Südtiroler Bank informiert habe, was sie unter nachhaltigen, ethischen Fonds versteht, war die Antwort des Bankangestellten: "Keine Pornographie!"

Mi., 26.05.2021 - 11:52 Permalink