Politik | Begnadigung

Das Patrioten Tribunal

Der Andreas-Hofer-Bund droht den Freiheitlichen Landtagsabgeordneten mit dem Ausschluss, weil sie im Landtag gegen Antrag der Südtiroler Freiheit gestimmt haben.
Andreas Hofer Bund
Foto: Facebook/Andreas Hofer Bund
Das Schreiben erging am vergangenen Freitag an die beiden Freiheitlichen Landtagabgeordneten Ulli Mair und Andreas Leiter-Reber. Der Ton der Depesche ist zackig.
 
Das jüngste Abstimmungsergebnis (auch) Ihrer Fraktion im Bozener Landtag hat weit über die Grenzen Gesamttirols hinaus hohe Wellen geschlagen. Wir vom Andreas-Hofer-Bund-Tirol (AHBT) wollen vorweg nicht über dieses Ergebnis urteilen, noch wollen wir einen Verfahren einleiten, ohne nicht zuvor auch die Betroffenen angehört zu haben.
Als Obmann des AHBT darf sich Sie beide ersuchen, uns die Beweggründe Ihres Wahlverhaltens möglich präzise darzulegen, um in weiterer Folge Ihrer Willensbekundung rechtlich und moralisch zu würdigen. Ich darf Sie ersuchen, dem Ansuchen unseres Bundes bis zum 15. Juni 2021 – schriftlich/per E-Mail – nachzukommen. Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, an einer raschen und objektiven Aufklärung mitzuwirken.
 
 
Der Schreiber dieser Zeilen, der mit „Gesamttiroler Grüßen“ verbleibt, ist Alois Wechselberger, Obmann des Andreas Hofer Bundes Tirol.
Was aber ist passiert, dass dieser Schutzbund für Südtirol jetzt ein Ausschlussverfahren gegen die Spitze der Südtiroler Freiheitlichen einleiten will?
 

Knolls Antrag

 
Es hat bereits Tradition, dass die Südtiroler Freiheit periodisch im Landtag Beschlussanträge zur Begnadigung der ehemaligen Südtirol-Attentäter einbringt. So haben Myriam Atz Tammerle und Sven Knoll gleich nach den Landtagswahlen am 15. November 2018 einen weiteren Beschlussantrag zur „Begnadigung/Amnestie der Südtiroler Freiheitskämpfer“ vorgelegt.
Der Landtag soll sich für eine umgehende Begnadigung/Amnestie der verbliebenen Südtiroler Freiheitskämpfer aussprechen und den italienischen Justizminister, sowie den italienischen Staatspräsidenten auffordern, die ausstehenden Begnadigungen der Südtiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre unverzüglich in Angriff zu nehmen, damit diese in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückkehren können.
 
 
Nachdem der Beschlussantrag bereits mehrmals andiskutiert worden war, kam er am Mittwoch vergangener Woche im Landtag zu Behandlung. Es war ein schlechtes Timing. Denn genau zu diesem Zeitpunkt weilte der österreichische Staatspräsident Alexander Van der Bellen auf Staatsbesuch in Rom. Van der Bellen kündigte dabei an, dass er bei Sergio Mattarella auch das Thema der Begnadigung der Südtirol-Attentäter ansprechen werde. In allen Statements zeigte sich der ehemalige Grüne Politiker dabei äußerst zuversichtlich.
Das war dann auch der rote Faden, der sich in einer langen Diskussion im Südtiroler Landtag vergangene Woche durch die Wortmeldungen der meisten Abgeordneten zog. Man solle diese Verhandlungen jetzt nicht durch einen Beschlussantrag stören.
In diesem Sinne argumentierte auch der Freiheitliche Obmann Andreas Leiter Reber wobei er betonte, dass er sich mit einem Nein zum Antrag nicht gegen eine Begnadigung ausspreche. Am Ende wurde der Beschlussantrag mit 3 Ja, 22 Nein und 2 Enthaltungen vom Landtag abgelehnt.
 

Die Antwort


Dieses Abstimmungsverhalten der Südtiroler Freiheitlichen scheint den „Super-Patrioten“ des Andreas Hofer Bundes bitter aufgestoßen zu sein. Obmann Alois Wechselberger fordert jetzt mit dem Schreiben an Ulli Mair und Andreas Leiter Reber Satisfaktion.
Andreas Leiter Reber hat am Mittwoch mit einer langen Stellungnahme jetzt dem Andreas Hofer Bund geantwortet.
Ich kann Sie beruhigen. Die Begnadigung der sogenannten „Pusterer Buam“ wird auch heute noch von einer breiten Mehrheit im Südtiroler Landtag gewünscht und begrüßt. Dasselbe wage ich auch von Südtirols Bevölkerung zu behaupten“, heißt es im Schreiben an Wechselberger.
 
 
Und weiter: ‘Nach vier gleichlautenden Begehrensanträgen die in den letzten Jahren nach Rom geschickt wurden, geht es nämlich längst nicht mehr darum ob der Südtiroler Landtag die Begnadigung fordert, wünscht und unterstützt, sondern um das Wie.
Dann verweist Leiter Reber auf die laufenden Gespräche zwischen Van der Bellen und Mattarella, sowie auf das eingebrachte Gnadengesuch für Heinrich Oberleiter.
Der Freiheitliche Obmann:
 
"Ich gehe zudem davon aus, dass es in den letzten Jahren auch mehrere inoffizielle Gespräche von Südtiroler Seite mit Mattarella gegeben hat. Inoffiziell bestimmt deshalb, weil Staatspräsidenten in Sachen Begnadigung ungern auf öffentliches Fingerschnippen geschweige denn auf Rundmails von Traditionsvereinen reagieren.
Wer dann noch weiß, dass Italiens Staatspräsidenten vermehrt am Ende ihrer Amtszeit Begnadigungen aussprechen und vor Augen hat, dass Mattarellas Amtszeit in sechs Monaten ausläuft, dann stimmen die Zeichen zuversichtlich. 
Ausgerechnet in dieser Phase Mattarella vom Südtiroler Landtag aus zum zweiten Mal aufzufordern, alle Freiheitskämpfer zu begnadigen, kann für die erhoffte, aber völlig unübliche Entscheidung nur hinderlich sein.“
 
Ganz am Ende des Schreibens wird klar, dass die Südtiroler Freiheitlichen, das Scherbengericht des Andreas Hofer Bundes nicht fürchten. Denn Andreas Leiter Reber schließt seine Antwort mit einem ordentlichen Konto:
 
Im völligen Bewusstsein, dass ich diese Zeilen nicht innerhalb der von Ihnen geforderten Frist übermittelt habe und ich mich somit einer etwaigen Verfahrenseröffnung nicht mehr entziehen kann, darf ich bereits vorab - wie hart auch immer das Urteil ausfallen wird - wie weiland Andreas Hofer mitteilen, dass mir davon „nit amol die Augen noss wern“.
Zudem kündigt der Freiheitliche Obmann an: „Ihren Gepflogenheiten im AHBT folgend, erlaube ich mir diese Stellungnahme zu veröffentlichen.
Der Patriotenprozess dürfte damit eröffnet sein.
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Hartmuth Staffler Do., 17.06.2021 - 15:50

Begnadigungen sind in Italien eine Art Lotteriespiel. Vor 14 Jahren ist Egon Kufner, der 1970 vom Gericht in Florenz wegen "strage" (Vorfall auf der Porzescharte mit vier Toten) verurteilt worden war, begnadigt worden. Der gute Mann hatte nicht darum angesucht, er hat erst Jahre später von seinem Glück erfahren. Das Ganze ist daher ein Polittheater, bei dem es nicht um Menschen, sondern nur um vermeintliche politische Vorteile geht.

Do., 17.06.2021 - 15:50 Permalink