Wirtschaft | Insolvenz

„Zu wenig Blick auf die Wirtschaft“

Die Sozialgenossenschaft „Spirit“ mit ihrem Lokal „African Soul“ in Meran schließt. Warum das Integrations-Projekt scheiterte und der Aufruf des Präsidenten.
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Foto: African Soul (Facebook)

Drei Jahre lang bot das Lokal „African Soul“ in der Meraner Petrarcastraße experimentierfreudigen Südtiroler*innen Gerichte aus dem afrikanischen Kontinent. Das Projekt der Sozialgenossenschaft „Spirit“ diente vor allem der Arbeitsintegration von Menschen mit Migrationshintergrund, die das Lokal beschäftigte und betreute. Der soziale Auftrag war schlussendlich nicht genug, um den wirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Bereits vor einigen Monaten hatte die Genossenschaft finanzielle Schwierigkeiten angekündigt, und einen Spendenaufruf gestartet. Am gestrigen Mittwoch kam auf Facebook dann die endgültige Absage:

„Leider müssen wir die Türen unserers Lokals für immer schließen. Von Herzen Danke, an alle die an uns geglaubt, gearbeitet und uns auf unserem Weg begleitet haben!“

 

 

Michael Bockhorni, Präsident der Sozialgenossenschaft seit November 2020, erklärt sich die Schließung des Lokals nur teilweise mit der Pandemie: „Sicher war der Lockdown auch ein Element, denn die Gastronomie war stark davon betroffen.“ Jedoch seien die finanziellen Schwierigkeiten auch hausgemacht, fügt Bockhorni hinzu: „der soziale Auftrag stand stark im Fokus. Dabei wurde zu wenig der Blick auf wirtschaftliche Aktivitäten geworfen.“

So kam es, dass die Genossenschaft, die für ihre Integrationsleistung ganz ohne öffentliche Förderungen auskommen musste, 100.000 Schulden angehäuft hat. „Denen wurde nicht rechtzeitig entgegengesteuert,“ bedauert Bockhorni.

 

„Außer wir finden noch einen Investor, der 30.000 Euro Kapitalanlage einzahlt, dann wären wir gerettet“

 

Als er Ende letzten Jahres das Amt des Präsidenten von Spirit übernahm, versuchte er zwar noch, die finanzielle Notlage abzuwenden. Das Ziel wäre gewesen, durch Spendengelder, durch ein Benefiz Dinner und schließlich durch einen privaten Spender jeweils 30.000 Euro zu sammeln, um auf insgesamt 90.000 zu kommen und den Schuldenberg damit erheblich abzubauen. „Doch wir waren zu optimistisch,“ ist Bockhorni enttäuscht. Bis Mai wurden fast 17.000 Euro an Spendengeldern gesammelt – ein positives Signal der Unterstützung, das am Ende aber nicht gereicht hat. Die Sozialgenossenschaft hat nun ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Damit ist nicht nur das African Soul geschlossen, sondern auch die von Spirit betriebene solidarische Landwirtschaft, die Beratung für und von Personen mit Migrationshintergrund, sowie Kochevents, Kulturkurse und Workshops an Schulen gehen zu Ende.

„Außer wir finden noch einen Investor, der 30.000 Euro Kapitalanlage einzahlt, dann wären wir gerettet,“ fügt Bockhorni am Ende einen hoffnungsvollen Aufruf hinzu.

 

 

Dass solche Projekte auch ohne Förderung funktionieren, zeigten Beispiele nördlich wie südlich von Südtirol, ist Bockhorni überzeugt. Dafür müssten jedoch ein paar Dinge beachtet werden, die im African Soul vernachlässigt wurden. So etwa die Zusammensetzung des Personals, erklärt der Präsident der Genossenschaft, der lange im Bereich der Arbeitsintegration tätig war: „Normalerweise hast du immer eine Stamm-Mannschaft von Leuten, die die Branche kennen und den lokalen Markt. Du musst wissen, was die Kundschaft erwartet. Wenn du aber nur von deiner Heimatkultur ausgehst, werden die Erwartungen enttäuscht, und das führt zu einem verringerten Umsatz.“

African Soul bot unter anderem beschränkte Praktika an, um so vielen Menschen wie möglich ein Asylverfahren zu ermöglichen, ihnen zu helfen, erste Arbeitserfahrung in Bereichen der Gastronomie zu sammeln, für die in Südtirol laufend Personal gesucht wird und somit ihre Chance zu steigern, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das führte dazu, dass Menschen mit wenig Erfahrung den Laden schmissen, und somit überfordert waren. Die Begleitung von einem erfahrenen Stamm-Team hat gefehlt, ist Bockhorni überzeugt, was zu einer mangelnden Qualität und einem unbefriedigenden Service geführt hat.

Ein weiteres Manco: Keine Sitzgelegenheiten im Freien. „Weil man nicht draußen sitzen konnte, sind im Sommer die Besucherzahlen regelmäßig zurückgegangen,“ so der Präsident.

 

 

Trotzdem hofft Bockhorni, dass in Zukunft mehr Platz gefunden wird für Projekte, die Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Kulturkreise fördern, Flüchtlinge und Migranten bei der Integration begleiten und Sensibilisierungsarbeit betreiben. „Es wäre sinnvoll, wenn die Förderung von Integration marginalisierter Gruppen, zum Beispiel Menschen mit Beeinträchtigung, auch auf Menschen mit Migrationshintergrund ausgeweitet wird.“ Diesbezüglich gäbe es zwar eine Förderung auf Gemeindeebene, diese betreffe aber nicht Vereine und Genossenschaften.

Es sei wichtig Menschen, die aus anderen Ländern herkämen, nicht als Belastung zu sehen, sondern ihre Potentiale zu erkennen und ihre Fähigkeiten und Ressourcen zu fördern. Gerade dieser Perspektivwechsel müsse gefördert werden, sowohl auf Seite der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber. „Normalerweise haben Arbeitgeber mit einheimischen Mitarbeitern zu tun, und brauchen daher eine Begleitung, um zu wissen, wie Menschen mit Migrationsgeschichte in den Betrieb integriert werden können.“ Gerade dafür sind Projekte wie African Soul wichtig.

 

 

 

 

 

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Factum Est Fr., 18.06.2021 - 12:02

Wenn schon die Führung für solche Projekte nicht im Stande ist rechtliche Normen aufrechtzuhalten kann man von Personal, welches von altgedienten Gewerkschaft*innen, ohne Kenntnis der Fachmaterie Kochen dabei sind ein solches Unterfangen aufrecht zu halten

Fr., 18.06.2021 - 12:02 Permalink