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Südtiroler Omertà

Das Arbeitsgericht Trient hat Michl Ebner und sein Unternehmen S.I.E. wegen „antigewerkschaftlichen Verhaltens“ verurteilt. In Südtirol wird das Urteil totgeschwiegen.
Ebner, Michl
Foto: Handelskammer Bz
Giorgio Flaim hat das Dekret am vergangenen Freitag hinterlegt. Der Arbeitsrichter am Landesgericht Trient hat ein Urteil von besonderer Tragweite erlassen. Das Unternehmen „Societá Iniziative Editoriali – S.I.E Spa“ wird wegen antigewerkschaftlichen Verhaltens verurteilt.
Was das Urteil politisch besonders brisant macht: Der S.I.E Ag ist eine Tochterfirma des Medienkolosses Athesia und im Verwaltungsrat sitzt Michl Ebner. Ebner und seine Familie sind auch die Hauptaktionäre der S.I.E. Ag. Damit trifft das Urteil Ebner in erster Person. So wie der Athesia-Direktor auch die Hauptperson im Streit mit der Journalistengewerkschaft ist, der vor Gericht ausgetragen wurde.
 

Das Ende des Trentino

 
Es war eine Blitzaktion. Am 15. Jänner 2021 kündigte Michl Ebner persönlich in einem Schreiben an die Redaktionen der Tageszeitungen L´Adige und Alto Adige die Schließung des Schwesterblattes Trentino an. Alle drei Zeitungen gehören mehrheitlich dem Südtiroler Medienkoloss Athesia AG.
Es war das angekündigte Ende einer Zeitung, die vor 75 Jahren von Antifaschisten gegründet wurde. Jahrzehntelang lieferten sich der L´Adige und die Trentiner Ausgabe des Alto Adige in der Nachbarprovinz einen beinharten Konkurrenzkampf. Dabei hatte der Adige die Nasen deutlich vorn. Nach dem Kauf des Alto Adige und der Übernahme des L´Adige durch die Athesia waren plötzlich beide Zeitungen aber in einer Hand. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit bis der Ebnerverlag den kostspieligen Konkurrenzkampf im eigenen Haus beenden wird, in dem er eine der beiden Trentiner Tageszeitungen einstellt.
 
 
 
Obwohl Michl Ebner beim Kauf noch feierlich versichert hatte, dass das nicht passieren wird, ging die Sache genauso aus. Anfang dieses Jahres wurde der Trentino im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht geschlossen. 19 Journalisten und 20 Mitarbeiter verlieren so ihre Arbeit. Michl Ebner setzte dabei bewusst auf das Überraschungsmoment.
Dabei hat der Medienunternehmer aber die Rechnung ohne die Gewerkschaften gemacht. Diese protestierten nicht nur öffentlich gegen dieses Vorgehen, „eines Unternehmers der jährlich über 6 Millionen Euro an öffentlichen Förderungen durch des Ministerratspräsidium“ einstreicht, sondern sie mahnten auch kollektivvertragliche Vergehen bei der Schließung der Zeitung vonseiten des Verlegers an.
 

Das Urteil

 
Die lokale Sektion der Journalistengewerkschaft FNSI klagte gegen das Herausgeber-Unternehmen S.I.E. Spa vor dem Arbeitsgericht Trient. In der Klage werden drei mutmaßliche Vergehen zur Anzeige gebracht. Arbeitsrichter Giorgio Flaim hat zwei dieser Vorwürfe abgeschmettert. In einem zentralen Punkt hat der Trentiner Richter den Klägern aber Recht gegeben.
Verwalter Michl Ebner hatte die Entscheidung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Tag vor der die Schließung der Zeitung mitgeteilt. Laut Arbeitsvertrag muss der Verleger aber vor diesem Schritt das Redaktionskomitee anhören, das auch Vorschläge oder andere Lösungen einbringen kann.
 
 
 
Weil die S.I.E das unterlassen hat, verurteilte Richter Giorgio Flaim die Leitung des Unternehmens wegen „antigewerkschaftlichen Verhaltens“. „Diese Entscheidung wird hoffentlich dazu beitragen, dass die Regierung in Rom über den Pluralismus in der Region nachdenkt, in der der Herausgeber der Athesiagruppe eine dominante Position erreicht hat, einer Gruppe, die auch öffentliche Beiträge aus der Presseförderung erhält. Es wird Zeit, dass sich der zuständige Unterstaatssekretär zu Wort meldet“, reagierten der Sekretär der gesamtstaatlichen Journalistengewerkschaft Raffaele Lorusso und der Regionalsekretär Rocco Cerone in einer gemeinsamen Mitteilung auf das Urteil.
 

Schweigen im Blätterwald

 
Nur Salto.bz und Rai Südtirol mit einer kurzen Nachricht im Radio haben am Freitag über dieses doch eklatante Urteil berichtet. In Tageszeitungen war und wird nichts davon zu lesen sein. Verständlicherweise, denn fast alle Zeitungen und Medien in der Region gehören der Athesia. Dass sich auch die Konkurrenz Corriere dell`Alto Adige und Corriere del Trentino über das Urteil ausschweigen hat einen ebenso einfachen Grund. Die Agentur, die den beiden Lokalausgaben des Corriere die Werbung liefert, heißt Media Alpi und gehört ebenso den Ebnerverlag. Deshalb soll diese Verurteilung nicht zu deutlich an die Öffentlichkeit kommen.
 
 
 
Die besondere Ironie der Geschichte. Das Landesgericht Trient hat im Dekret die Athesia-Tochter nicht nur Zahlung der Verfahrenskosten der Gegenseite verurteilt, sondern auch verfügt, dass das Urteil auf Kosten der Beklagten in den Zeitungen L’Adige und Il Corriere del Trentino sowie auf der Internetseite des Il Trentino veröffentlicht werden muss.
Drei Zeitung, die der Athesia gehören oder die wirtschaftlich vom Ebner-Verlag abhängig sind. Das heißt die eine Hand zahlt für die Inserate und die andere Hand kassiert. 
 

Brisante Frage

 
Dabei hat der Urteilspruch (sollte er rechtskräftig werden) auch politische Sprengkraft. Im Verwaltungsrat der S.I.E sitzen mit Michl Ebner und Giovanni Bort die Präsidenten der Handelskammern von Bozen und Trient. Damit stellt sich eine einfache Frage: Kann ein Unternehmer, der wegen antigewerkschaftlichen Verhaltens verurteilt wurde, noch diesen öffentlichen Institutionen vorstehen?
Damit diese Frage erst gar nicht aufs Tapet gebracht wird, versucht man es mit Einschüchterung. Das Trentiner Internetportal L´Adigetto erhielt am Sonntag eine Richtigstellung der S.I.E Spa. „Michl Ebner condannato per comportamento antisindacale“, hatte der Adigetto getitelt. Jetzt schreibt die Athesia-Tochter: “Nel dispositivo del Giudice non vi è traccia dell´Editore; il provedimento riguarda la societa SIE e non una persona fisica, che non ha dunque subito alcuna condanna.
Im Verwaltungsrat der S.I.E sitzen mit Michl Ebner und Giovanni Bort die Präsidenten der Handelskammern von Bozen und Trient. Damit stellt sich eine einfache Frage: Kann ein Unternehmer, der wegen antigewerkschaftlichen Verhaltens verurteilt wurde, noch diesen öffentlichen Institutionen vorstehen?
Es ist eine subtile Haarspalterei. Es stimmt zwar, dass der Name Michl Ebner im Urteil nicht vorkommt, doch im italienischen Gesellschaftsrecht ist das „geschäftsführende Verwaltungsratsmitglied“ (Administratore delegato) immer noch der rechtlich Verantwortliche eines Unternehmens. Und in der S.I.E bekleidet Michl Ebner diesen Posten.
Zudem hat Michl Ebner alle Entscheidungen unterzeichnet und innerhalb des Unternehmens kommuniziert.
Selbst für den Herrn der Lokalpresse wird es damit schwer werden so zu tun, als hätte er mit diesem Urteil nichts zu tun.
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Salto User
Günther Alois … Mo., 21.06.2021 - 06:56

Michl Ebner sollte doch bitte mal den "SALTO" lesen,dann wäre er besser über sich und seine Gewerkschaftsangelegenheiten informiert.Vertuschung und übliche Arroganz-ätzend!

Mo., 21.06.2021 - 06:56 Permalink
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S. Bernhard Mo., 21.06.2021 - 08:24

Der Südtiroler Handelskammer-Präsident ein verurteilter Straftäter? Sollte man einen Spendenaufruf starten, so typisch südtirolerisch?

Mo., 21.06.2021 - 08:24 Permalink
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Factum Est Mo., 21.06.2021 - 08:59

stol und co ist bei mir schon seit Langen gebannt. Ich überfliege höchstens noch die lokalen Zeitschriften. Die Herren Ebner und Durnwalder zeigen wieder Mal auf dass Sie zwar Deutsch sprechen aber ansonsten die Mentalität der italienischen Mafia bevorzugen.

Mo., 21.06.2021 - 08:59 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 21.06.2021 - 14:13

Dass die Athesia-Medien eine Verurteilung verschweigen, ist eigentlich nicht neu. Als privates Medium ist es auch ihr gutes Recht, Tatsachen zu verschweigen. Etwas weniger bekannt ist, dass die Athesia-Medien nicht nur Verurteilungen, sondern auch Begnadigungen konsequent verschweigen. Davon, dass z. B. Egon Kufner, der vom Gericht in Florenz wegen angeblicher Mittäterschaft für den Vorfall auf der Porzescharte mit vier Toten (strage) verurteilt wurde, bereits 2007 von Staatspräsident Napolitano begnadigt wurde, habe ich in den Athesia-Medien nie gelesen (obwohl sogar der Corriere della Sera darüber groß berichtet hat). Hingegen betonen die "Dolomiten" immer wieder mantrahaft und gegen ihr besseres Wissen, dass man für eine Begnadigung Reue gezeigt und ein Gnadengesuch eingereicht haben muss, zwei Kriterien, die auf Egon Kufner in keiner Weise zutreffen. Das interessiert die "Dolomiten"-Redaktion aber nicht, weil sie ja ihr vorgegebenes Statement verbreiten muss..

Mo., 21.06.2021 - 14:13 Permalink
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S. Bernhard Mo., 21.06.2021 - 14:54

So lange gewissen Interessensverbänden alles mehr oder weniger hinten rein geschoben wird, wird sich auch nicht viel ändern. Ein gewisser Herr D. hat den Stimmenkauf perfektioniert, mit dem Geld des braven Steuerzahlers. Dass die Fassade etwas bröckelt hat man bei den letzten Landtagswahlen gesehen. Bleibt nur zu hoffen, dass der gemeine Südtiroler aufwacht, denn diese Verbände sind in der Minderheit.

Mo., 21.06.2021 - 14:54 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 22.06.2021 - 21:15

Antwort auf von Emil George Ciuffo

Sie haben überhaupt nichts verstanden. Wer Nationalismus ablehnt, der muss jeden ablehnen, ganz gleich welcher Nationalität. Es dürfte auf der Hand liegen, dass ohne Autonomie und Minderheitenschutz in Südtirol die italienischen Nationalisten kommandieren würden, so wie sie es getan haben, seitdem der südliche Teil Tirols gegen jedes Recht und gegen jede Vernunft zu Italien geschlagen wurde. Am Allerschlimmsten war es immer, wenn sich italienische und deutsche Nationalisten die Handgegeben haben, um Südtirol zu vernichten.

Di., 22.06.2021 - 21:15 Permalink
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Hartmuth Staffler Sa., 26.06.2021 - 16:28

Antwort auf von Emil George Ciuffo

Sie weigern sich, zu verstehen. Die Monopolstellung der Athesia ist nicht eine Folge von Autonomie und Minderheitenschutz, sondern eine Gefährdung derselben. Für Sie ist, wie mit scheint, die aus verschiedenen Gründen zu kritisierende Athesia nur ein Vorwand, um im Sinne der italienischen Nationalisten gegen die Autonomie zu wettern, während ich bedauere, dass aus dem Unternehmen, das sich einst für Minderheitenschutz ehat, ein rein auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Unternehmen geworden ist, das die Interesse der Südtiroler Tag für Tag verrät.

Sa., 26.06.2021 - 16:28 Permalink