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Vermessen am Joch

Wie hoch liegt das Timmelsjoch? Touristiker und offizielle Quellen beantworten diese Frage ganz unterschiedlich. Jetzt wird sie auch in Südtirol gestellt.
Timmelsjoch
Foto: commons.wikimedia.org/Friedrich-Karl Mohr

Eine etwas kuriose Anfrage musste Landesrat Daniel Alfreider am Dienstag Nachmittag im Landtag versuchen zu beantworten. Wie hoch liegt das Timmelsjoch? Das wollte die Grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa wissen. Den Stein ins Rollen gebracht hat Markus Wilhelm. Der Tiroler Blogger berichtete Ende Mai unter dem Titel “Touristische Hochstapelei” von unterschiedlichen Höhenangaben. Seine Vermutung: Die Passhöhe wird zu Marketing-Zwecken hochgeschraubt.

 

Die Meter-Frage

 

Das Timmelsjoch ist seit 1919 Grenzpass, der das Tiroler Ötztal mit dem Südtiroler Passeiertal verbindet. Laut Webseite der Timmelsjoch-Hochalpenstraße AG – sie betreibt die seit den 1960er Jahren existierende Passstraße auf österreichischer Seite – liegt das Timmelsjoch auf 2.509 Höhenmetern. Auf Pass-Schildern, bei Google Maps liest man: 2.509 Meter. Auch auf Südtiroler Seite wirbt die Tourismusbranche mit den 2.509 Metern. Das Österreichische Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen gibt die Höhe des Timmelsjochs hingegen mit aktuell 2.474 Metern an. Laut Geokatalog des Landes Südtirols sind es gar nur 2.472 Meter. Vor der Fertigstellung der Passstraße, für die die bestehende Senke etwas abgegraben wurde, sprechen historische Quellen von 2.478 Metern.

 

 

Woher die paar Dutzend Meter Unterschied bei der Höhenangabe stammen, kann auch die Süddeutsche Zeitung nicht herausfinden, die sich nach den Recherchen von Markus Wilhelm vor Kurzem unter dem Titel “Passfälscher in Tirol?” dem Timmelsjoch gewidmet hat. “Wir haben nie damit geworben. Wir wissen ja, dass die Straßenhöhe am Pass auf 2.474 Metern liegt”, zitiert die SZ ein Verwaltungsratsmitglied der Timmelsjoch-Hochalpenstraßen AG. Eine Antwort auf die Frage, wie die 2.509 Meter auf die historischen Passschilder und in Folge auf die Webseite gelangt sind, will man jetzt in alten Unterlagen finden. Wem die paar Meter mehr zugute kommen, ist hingegen leichter auszumachen: Mit 2.509 Höhenmetern wäre das Timmelsjoch der höchste Alpenpass Österreichs – lediglich fünf Meter höher als die Großglockner-Hochalpenstraße. “Nur durch diese Hochstapelei wird man – Trommelwirbel! – zum höchsten befahrbaren österreichischen Alpenpass, ja, zum ‘höchsten Passübergang der Ostalpen’ (so bewirbt etwa Öztal Tourismus das Timmelsjoch, Anm.d.Red.)”, schreibt Wilhelm. Selbst die Euregio beschreibt das Timmelsjoch als “höchsten unvergletscherten Übergang zwischen Reschenpass und Brennerpass”.

 

Was sagt Südtirol?

 

Zurück nach Bozen. “Man muss nicht so weit gehen wie der Tiroler Blogger Markus Wilhelm, der die 2.509 m Seehöhe als ‘touristische Hochstaplerei’ geißelt, wohl aber sollte ein wenig Korrektheit einkehren”, meinte Brigitte Foppa am Dienstag im Landtag. Auch die Grüne Landtagsabgeorndete vermutet: “Ein Grund für die Höhenverschiebung liegt gewiss darin, dass der dem Himmel nahe Timmel so die Passhöhe der Großglockner-Hochalpenstraße um vier Meter übertrifft und damit einen österreichischen Rekord markieren will.” Foppa wollte von Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider wissen, ob die Landesregierung mithilfe geografischer Karten und der Landesämter die genaue Höhe offiziell fixieren und dafür sorgen könne, “dass auf Südtiroler Seite die geschönte Angabe korrigiert wird”.

Alfreiders Antwort fiel karg aus: Für die Vermessung sei das kartografische Institut des italienischen Militärs zuständig und darauf gründe die Landeskartografie. Die Landesregierung werde der Sache jedenfalls nachgehen. Dass das Land Südtirol selbst in der institutionellen Kommunikation seit jeher dem Timmelsjoch eine Passhöhe von 2.474 Metern bestätigt und der Geokatalog gar noch zwei Meter abzieht, ließ Alfreider unerwähnt.

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Hartmuth Staffler Mi., 30.06.2021 - 12:05

""Woher die paar Dutzend Meter Unterschied bei der Höhenangabe stammen, kann auch die Süddeutsche Zeitung nicht herausfinden"". Das glaube ich gerne, dass die SZ das nicht herausfinden konnte. Auch ich konnte nicht herausfinden, wie man auf ein paar Dutzend Meter Unterschied kommen konnte, wo es nach meinen Berechnungen (hier sind die komplizierten Rechenarten Addition und Subtraktion gefragt) nicht ein paar Dutzend, sondern nur ein paar Meter sind. Dabei beträgt ja bereits der Unterschied der amtlichen Meereshöhe zwischen Österreich (Pegel Triest) und Italien (Pegel Genua) einige Zentimeter. Man wird also nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen, aber die Welt wird es überleben.

Mi., 30.06.2021 - 12:05 Permalink
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Frei Erfunden Mi., 30.06.2021 - 13:32

2590 m vs. 2474 m :
diese Differenz kann man wohl als ein paar Dutzend bezeichnen
(oder handelt es sich beim Titelbild des Artikels um eine Fotomontage?).

Wichtiger als die genaue Angabe von Passhöhen o.ä. wären meiner Meinung nach Schallpegelmessungen auf den Passstrassen, entsprechende gesetzliche Bestimmungen gibt's ja bereits, werden aber nicht eingehalten.

Mi., 30.06.2021 - 13:32 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 30.06.2021 - 14:38

Antwort auf von Frei Erfunden

2590 ist natürlich vollkommen frei erfunden, bzw. der Schilderproduzent hat unabsichtlich zwei Zahlen vertauscht. Im Artikel ist denn auch immer nur von maximal 2509 die Rede, eine Höhe, die wohl frei erfunden wurde, um über die magische Grenze von 2500 zu kommen, die aber keineswegs Dutzende Meter über den verschiedenen realistischeren Zahlen liegt. Absolute Genauigkeit gibt es in diesem Bereich nie. - Wichtiger als die Schallpegelmessung wäre es meiner Meinung nach, das Motorradfahren auf der Timmelsjochstraße zu verbieten. Das würde automatisch den Schallpegel ganz erheblich senken und die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erhöhen.

Mi., 30.06.2021 - 14:38 Permalink