Politik | Interview

"Schwächt Bedeutung des Zan-Gesetzes ab"

Dieter Stegers Abänderungsanträge zum Zan-Gesetz schränken die zu schützenden Personengruppen stark ein. Warum?
Dieter Steger
Foto: SVP

Das Antidiskriminierungsgesetz, das zur Zeit im Senat diskutiert wird, sorgt auch in Südtirol für Aufregung. Die Positionen der SVP-Senatoren und Senatorinnen gehen weit auseinander: Während sich Julia Unterberger prinzipiell für das Gesetz ausspricht, aber auf einen breiteren Konsens hinzuarbeiten versucht, stehen Dieter Steger und Meinhard Durnwalder dem Gesetz kritischer gegenüber. Nun haben die beiden männlichen Senatoren eine Reihe an Abänderungsanträgen eigereicht, die unter anderem darauf abzielen, den Schutz, den das Gesetz bietet, auf homophobe und transphobe Angriffe zu beschränken. Damit werden neben Menschen, die sich nicht – oder nicht nur – mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, auch Frauen und Menschen mit Behinderung ausgeschlossen. Im Interview erklärt Steger, warum das in seinen Augen die bessere Lösung sein könnte.

 

Salto.bz: Herr Steger, Salto.bz hat die SVP-Senatoren vor einigen Wochen, um ein Interview zum Gesetzesentwurf Zan gebeten und wurde auf die Expertin in diesem Bereich, Julia Unterberger, verwiesen. Nun präsentieren Sie zusammen mit Meinhard Durnwalder eigene Abänderungsanträge, die sich klar gegen jene von Julia Unterberger stellen. Warum?

Dieter Steger: Weil es um ein Gesetz geht, bei dem es einerseits wichtig ist, dass es eine möglichst breite Zustimmung erhält. Es wurden viele Abänderungsanträge von Senatoren und Senatorinnen eingereicht.

Was war das Problem bei den Abänderungsanträgen der Kollegin Unterberger, die sich im Großen und Ganzen auf dieselben Artikel wie ihre Abänderungsanträge beziehen?

Es ist nicht so, dass Abänderungsanträge der Kollegin Unterberger vorlagen. Als klar wurde, dass das Gesetz in der Aula besprochen wird, habe ich Abänderungsanträge vorbereitet. Diese habe ich wie üblich den Kollegen der Autonomiegruppe zur Stellungnahme und Unterschrift übermittelt. Der Kollege Durnwalder hat unterschrieben, bei der Kollegin Unterberger bin ich auf keine Resonanz gestoßen. Infolgedessen habe ich die Abänderungsanträge eingereicht. Sie hat dann später eigene Abänderungsanträge eingereicht. Das ist das Normalste der Welt, das passiert in vielen Fällen so.

Ihre Abänderungsanträge zielen darauf ab, den Strafbestand auf Homophobie und Transphobie zu begrenzen. Warum?

Die Debatte der letzten Wochen und Monaten hat gezeigt, dass das Thema der “identità di genere”, die im Artikel 1 angeführt wird, die Mehrheit im Senat gefährdet. Viele haben argumentiert, dass das Thema noch nicht ausgereift ist und in der Umsetzung große Probleme bringen wird. Das Unbehagen im Bezug auf das Gesetz war deutlich zu spüren, auch bei den Kollegen von PD und Italia Viva. Mir war klar, dass es bei einer geheimen Abstimmung für einzelne Punkte keine Mehrheit geben würde. Ich finde es aber inakzeptabel, dass wir seit 1993 darauf warten, dass ein Anti-Diskriminierungsgesetz für Homo- und Transsexuelle genehmigt wird. Es gibt ein Anti-Diskriminierungsgesetz für Rasse, Ethnie, Nation und Religion, aber Homo- und Transsexuelle sind von diesem Schutz bis heute ausgeschlossen.

Dass dieser Schutz erweitert wird, ist das Ziel des Zan-Gesetzes. Ihre Abänderungsanträge grenzen den Schutz hingegen auf zwei spezifische Personengruppen ein.

Ich habe die Probleme in der Mehrheitsfindung erkannt. Also habe ich überlegt, wie wir die Zielsetzung des Gesetzes beibehalten, aber trotzdem eine Mehrheit erreichen können. In Absprache mit Donatella Conzatti (Italia Viva) habe ich die Formulierungen aus dem Scalfarotto-Gesetz wieder aufgegriffen, das zuvor in der Kammer besprochen worden war. Ich habe also keinen Alleingang gestartet, sondern beziehe mich auf Formulierungen aus einem bereits existierenden Gesetzesvorschlag zum Schutz gegen Diskriminierung.

 

Wenn ich ein zusätzliches Frauenschutzgesetz machen will, dann wäre ein eigenes Gesetz ein viel stärkeres Signal.

 

Durch Bezug auf Scalfarotto-Gesetz wollte ich das Problem der “identità di genere”, der umstrittenen Subjektbezeichnung umgehen, indem ich auf den Tatbestand, das Motiv selbst eingehe: die Homo- und die Transphobie. Ich habe also Gender und Genderidentität aus dem Gesetzestext herausgenommen und damit auch den Frauenschutz. Es gibt bereits die Istanbuler Konvention von 2013, den Codice Rosso und andere Gesetze, die sich auf den Frauenschutz beziehen. Wenn ich ein zusätzliches Frauenschutzgesetz machen will, dann wäre ein eigenes Gesetz ein viel stärkeres Signal. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die verschiedener Frauenpolitikerinnen.

Hier ein eigenes Gesetz zu erarbeiten würde wieder eine Änderung von Artikel 604 im Strafgesetzbuch bedeuten, eine Änderung, die bereits durch das Zan-Gesetz angestrebt wird. Ist das nicht absurd?

Das weiß ich nicht. Ich sage nur: Wenn man dieses Thema anhängt, dann schwächt das die Bedeutung des Zan-Gesetz ab. Der Kern des Gesetzes, und hier werden Sie mir hoffentlich zustimmen, ist ein Gesetz gegen Homophobie und Transphobie. Das ist das Thema, das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Deshalb, weil dieser Aspekt zu den größten Diskussionen geführt hat. Das Gesetz soll aber auch Frauen und Menschen mit Beeinträchtigungen schützen. Was ist daran problematisch?

Für mich ist es kein Problem, auch Mysogenie und Behinderung als Tatmotive anzuführen. Mein Gefühl ist es, dass es besser wäre, hier ein eigenes Gesetz zu schreiben. Beim Frauenschutz geht es nicht nur um Hass, sondern auch um das Rollenverständnis zwischen Mann und Frau. Das heißt, ein Gesetz, das Frauen schützen will, geht über ein Anti-Diskriminierungsgesetz hinaus. Ich dachte, dass man den Frauen etwas nimmt, wenn man sie hier miteinbezieht. Sollte es aber gewünscht sein, dass diese Sachverhalte im Gesetz vorkommen, bin ich gerne zu einer Änderung bereit.

 

Ich dachte, dass man den Frauen etwas nimmt, wenn man sie hier miteinbezieht.

 

Ein weiterer Abänderungsantrag zielt auf den vom Vatikan kritisierten Artikel 7 ab. Absatz 3 zum Tag gegen Homo- und Transphobie an den Schulen soll aus dem Gesetzestext gestrichen werden. Handeln Sie mit diesem Abänderungsantrag nicht katholischer als der Vatikan selbst, der sich um die Schulautonomie im Rahmen der Sensibilisierungsarbeit sorgt?

Das hat nichts mit katholisch oder dem Vatikan zu tun. Die Frage ist, ob ich ein Volksschulkind mit diesem Thema in dieser Form konfrontieren soll. Wir werden sehen, was der Staat hier vorgibt.

Es gibt keine staatlichen Vorgaben. Die Schulen sollen diesen Tag nach ihrem Erachten feiern und thematisieren dürfen. Die Schulautonomie wird im Gesetz zwar nicht hervorgehoben, aber es gibt auch keine kontrastierenden Indikationen.

Ich sage Ihnen etwas anderes: Natürlich müssen an den Schulen ethische und moralische Grundsätze vermittelt werden. Aber muss genau dieser Tatbestand in dieser Form extra betont werden?

Ein wichtiger Grund könnte die Sensibilisierung zu diesem Thema sein.

Das sagen Sie. Und ich stelle die Frage offen: Warum muss ich das tun? Es gibt viele Dinge, die nach einer Sensibilisieren verlangen. Lassen wir den Schulen hier ihre Autonomie und geben die Verantwortung auch an die Familien.

Ein Grund, das Thema in der Schule aufzugreifen, könnte jener sein, dass die Gesprächsthemen im familiären Bereich natürlich nicht vorgegeben werden können, in der Schule hingegen schon.

Ich stelle hier die Gegenfrage: Muss sich der Gesetzgeber um alles kümmern? Jede Schule hat den Auftrag, moralisch und ethisch richtiges Verhalten zu vermitteln. Müssen wir jetzt alles an die Schule delegieren? Noch dazu, ohne eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Schulen, Schulstufen und Altersgruppen zu ziehen? Ich glaube nicht.

Letzteres könnte präzisiert werden, ohne dass der gesamte Artikel gestrichen wird, oder?

Ich glaube, dass die Diskussion noch nicht ausgereift ist. Deshalb habe ich den Artikel vorerst gestrichen. Das Thema muss diskutiert werden, damit wir einen gemeinsamen Weg finden können. Das hat nichts mit meinen persönlichen Ansichten zu tun. Meine Grundüberlegung war: Wie schaffen wir es, das Anti-Diskriminierungsgesetz aus dem Jahr 1993 endlich zu aktualisieren und auch homo- und transphobische Angriffe unter Strafe zu stellen? Es ist wirklich eine Schweinerei, dass das noch nicht passiert ist.

 

Wie schaffen wir es, das Anti-Diskriminierungsgesetz aus dem Jahr 1993 endlich zu aktualisieren und auch homo- und transphobische Angriffe unter Strafe zu stellen?

 

Um das Gesetz so schnell wie möglich durchzubringen, wäre eine Genehmigung des momentanen Gesetzesentwurfs die beste Lösung. Sonst wird die Mehrheit in der Kammer riskiert. Abgesehen vom Wahlverhalten ihrer Senatskollegen, könnten Sie diesem Gesetz, so wie es steht, zustimmen?

Das Gesetz ist zum Teil nicht gut geschrieben. Artikel 4 zum Beispiel: Anstatt wie gewollt die Meinungsfreiheit zu sichern, wird sie infrage gestellt. Das Gesetz ist verbesserungswürdig. Ich gehe davon aus, dass diese Verbesserungen angeführt und umgesetzt werden und das Gesetz dann mit einer breiten Mehrheit genehmigt werden kann. Bei so einem Gesetz ist es extrem wichtig, dass sich ein großer Teil des Senats hinter das Gesetz stellt. Mit dem momentanen Gesetzesentwurf wäre eine breite Mehrheit nicht möglich gewesen. Ich gehe sogar davon aus, dass es keine Mehrheit gefunden hätte.

Warum ist der breite Konsens in diesem Fall so wichtig?

Bei einem Thema, das von breiten Teilen der Gesellschaft gefühlt wird, bei dem es auch um Minderheiten geht, ist es wichtig, dass es parteiübergreifend keine großen Diskussionen gibt. Wenn das Parlament die Priorität des Anti-Diskriminierungsgesetzes gemeinsam hervorheben und umsetzen könnte, wäre das ein starkes Signal. Das ist ohne viel Casino machbar. Hier tun wir auch den Betroffenen einen Gefallen.

Wie erklären Sie ihre Bestrebung, einen breiten Konsens zu erreichen, jemandem, der deshalb vom Schutz ausgeschlossen wird?

Welche Personen werden nicht mehr geschützt?

Jene Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, Frauen, Menschen mit Behinderungen.

Für mich ist es kein Problem, auch diese Personengruppen zu schützen. Ich bin davon ausgegangen, dass es besser und stärker wäre, ein eigenes Gesetz zu erlassen, auch deswegen, weil ein Gesetz zum Frauenschutz beispielsweise sehr schnell durchgebracht werden könnte. Wenn das nicht so ist, ist es für mich kein Problem, sie in dieses Gesetz miteinzuschließen. Ich werde mit meinen Parteikollegen und -kolleginnen sprechen, um zu verstehen, was sie davon halten, Frauen und Menschen mit Behinderungen ins Gesetz miteinzuschließen. Wenn sie sagen “machen wir es jetzt, dann ist es gesetzlich zementiert”, bin ich der Erste, der Frauen und Menschen mit Behinderungen ins Anti-Diskriminierungsgesetz aufnimmt.

 

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Manfred Klotz Do., 22.07.2021 - 07:29

Wenn man die Begründung Stegers für seinen Abänderungsvorschlag, der die Streichung von Frauen und Behinderten aus dem Gesetzesvorschlag vorsieht, liest, fällt einem tatsächlich die Kinnlade zu Boden. Er tut mit der Ausklammerung so, als ob Frauen und Behinderte das Problem bei der Genemigung des Gesetzesvorschlags wären, dabei sind es genau jene Kategorien, die er nicht ausklammert. Mit diesem Änderungsvorschlag will er hingegen erreichen, dass der Gesetzesvorschlag "Zan" problemlos abgelehnt werden kann. Wären nämlich Frauen und Behinderte auch mitgenannt, hätten sicher viele Senatoren und Abgeordnete (denn wird der Vorschlag geändert, muss er erneut der Abgeordnetenkammer zur Genehmigung vorgelegt werden) ein Problem ihn abzulehnen. Der Vorstoß Stegers schlägt dem Fass den Boden aus, besonders weil er die öffentliche Meinung für dumm verkaufen will.

Do., 22.07.2021 - 07:29 Permalink
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Karl Trojer Do., 22.07.2021 - 09:01

Wenn man selber gut abgefedert ist, wird man wohl das Recht haben, die Schwachen in ihrem Glück zu belassen...

Do., 22.07.2021 - 09:01 Permalink
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Sepp.Bacher Do., 22.07.2021 - 10:46

Antwort auf von Karl Trojer

Ich verstehe zwar den ganzen Gedanken, den ganzen Satz nicht, doch besonder bleibe ich an der Formulierung "... die Schwachen in ihrem Glück zu belassen..." hängen. Welches Glück sollen die Schwachen haben, indem man sie belassen darf/soll? Da musst du schon deutlicher werden, Karl! Dann kann man vielleicht verstehen, was du meinst.

Do., 22.07.2021 - 10:46 Permalink
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Karl Trojer Fr., 23.07.2021 - 09:35

Antwort auf von Sepp.Bacher

Lieber Sepp,
ich dachte die Parodie wäre eindeutig... und sie würde sich aus dem absurden Gegensatz des "selbst gut abgefedert sein" und "die Schwachen in ihrem Glück belassen" ergeben. Setze für "Glück" Unglück (was gemeint war).

Fr., 23.07.2021 - 09:35 Permalink