Politik | Referendum am 9. Februar

Wie das „Bürgerbeteiligungs-Gesetz“ echte Mitbestimmung verhindert

Das von der SVP im Alleingang beschlossene Gesetz hat einen schönen Namen. Aber die Wirklichkeit schaut anders aus.
Versuch einer möglichst kompakten und verständlichen Erklärung - ohne Anspruch auf Vollständigkeit, das Gesetz hat noch weitere schwere Fehler.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Wenn Politiker nicht das verwirklichen, was die Mehrheit der Bürger will – denn das ist ihr Auftrag – welche Möglichkeit bleibt den Bürger/innen? Mit diesem Gesetz nur die Volksabstimmung. Aber eine erfolgreiche Volksabstimmung gegen den Willen der Politiker ist mit diesem Gesetz praktisch nicht möglich. Warum?

  • Eine Volksabstimmung gibt es nur nach einem Bürgerantrag (mit 8000 Unterschriften in 6 Monaten). Jetzt kann der Landtag auch eine Alternative zum Bürgervorschlag ausarbeiten. Dann entscheidet eine vom Land eingesetzte Kommission, ob das Anliegen der Bürger trotz Abänderung des Bürgervorschlags erfüllt ist - nicht die Beantrager selbst! Wenn ja, ist das Verfahren beendet. Es gibt keine Volksabstimmung.
  • Sollte das Verfahren jedoch weitergehen (mit 26.000 Unterschriften in nur 2 Monaten-nächste schwere Hürde!) dann kommt das nächste Hindernis: wenn eine der drei Sprachgruppen im Landtag befindet, dass das Thema der Volksabstimmung „ethnisch sensibel“ ist, wird ebenfalls abgebrochen. Dafür findet sich immer irgendeineBegründung – und es gibt keine Instanz, die prüft, ob sie berechtigt ist. Es gibt wieder keine Volksabstimmung.
  • Sollte nach diesen schweren Hindernissen tatsächlich eine Volksabstimmung stattfinden, wartet der nächste Haken: die Landesregierung kann einen Gegenvorschlag einbringen. Dagegen wäre nichts zu sagen, aber die Regelung ist so, dass dadurch die Befürworter einer Änderung in zwei Lager gespalten werden (in der Schweiz gäbe es dafür eine bessere Methode). Damit kann eine Mehrheit viel leichter verhindert werden. In diesem Fall würde die Volksabstimmung zwar durchgeführt, aber ohne Erfolg für die Einbringer.
  • Sollte nach all diesen Schwierigkeiten die Volksabstimmung tatsächlich Erfolg gehabt haben (wieso fällt mir eigentlich gerade jetzt der Odysseus ein?) dann sind inzwischen bis zu vier Jahre vergangen. Wenn es um ein Projekt ging, z.B. eine Liftanlage oder einen Flugplatzausbau, dann kann dieses längst fertig sein und das Geld verpulvert- gegen den Willen der Wähler/innen!

Dieses Gesetz dient dazu, gegen die Mitbestimmung zu mauern und nicht sie zu fördern.

Wer in Zukunft Mitbestimmung will, wird am 9. Februar folgerichtig mit NEIN stimmen.

 

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Simon Lanzinger Di., 04.02.2014 - 19:41

Inwieweit ist es den gut wenn das Volk mitbestimmen darf?

Die wenigsten Bürger machen sich die Mühe sich zu informieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. I wage zu behaupten, dass die meisten Bürger nicht mal wissen, dass es ein Referendum am 9 Februar gibt, geschweige denn worum es dabei geht.
Und jene, welche wirklich hingehen, kreuzen Ja an, weil es von der SVP empfohlen wurde, oder kreuzen Nein an, weil es von der Opposition epfohlen wurde. Und man hat ja schließlich auch bei den Landtagswahlen sein Stimme der jeweiligen Partei gegeben.

Zudem mangelt es dem Bürger in vielen anderen Bereichen einfach and dem erforderlichen Fachwissen um sich eine Meinung bilden zu können.

Super Artikel nebenbei!!

Di., 04.02.2014 - 19:41 Permalink
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Wilfried Meraner Di., 04.02.2014 - 22:25

Antwort auf von Simon Lanzinger

(@Simon Lanzinger: vielen Dank für die Anerkennung. Das ist gerade bei unterschiedlichen Meinungen ein schönes Zeichen von Fairness- und Reife für die Demokratie!)

Das Volk bestimmt mit. Aber nur alle 5 Jahre. Ist das gut? Nein, ich möchte nicht, dass wir alle Jahre wählen müssen. Aber ich möchte zwischendurch eine Kontrolle haben über meine Vertreter. In fünf Jahren machen die was sie wollen, nicht was ihre Wähler wollen.
Und nach fünf Jahren werden sie wieder gewählt, weil...viele Versprechen, keine bessere Alternative, Gewohnheit, Resignation....

Geht es auch anders?
Sigmar Gabriel, (bundesdeutscher Politiker, SPD)
"Wenn die Bürger abstimmen können, geben wir Politiker uns mehr Mühe."
Gibt es eine Alternative zu Demokratie? Monarchie? Diktatur?
Was heißt Demokratie? „Herrschaft des Volkes“!

Ist das Volk reif für Demokratie?
Erich Kästner:
"Wir müssen unseren Teil der Verantwortung, für das was geschieht und für das was unterbleibt,
aus der öffentlichen Hand in die eigenen Hände zurücknehmen."
Also nicht nur im Fernsehsessel zurücklehnen und warten, ob die Politiker ihre Aufgabe erfüllen.

Demokratie muss man lernen- und wir können sie lernen. Die Schweizer sind keine anderen Menschen als wir, sie haben nur ein anderes politisches System.
„...dass die meisten Bürger nicht mal wissen, dass es ein Referendum am 9. Februar gibt …..“
Warum nicht? Warum interessieren sie sich nicht dafür? Weil sie gewohnt sind, dass es „eh nichts nützt“. Und sie haben ja recht damit, weil es bisher noch keine funktionierende Mitbestimmung gibt! Bitte nur einmal soll das Volk ein Erfolgserlebnis mit Mitbestimmung haben- dann könnte sich die Einstellung zu Mitbestimmung und zur Politik schlagartig ändern! Auch hier gibt es zum Glück die Schweiz als Beweis.
Gehen wir vorwärts, nicht zurück! Auch Demokratie lernt man durch tun! Heraus aus der Resignation und Lethargie, nehmen wir unsere Verantwortung an, werden wir ein mündiges Volk!
Die Politiker können die drängenden Probleme ohne die aktive Mitarbeit und Kontrolle der Bürger/innen nicht lösen. Das haben sie uns nun lange genug bewiesen.
Nelson Mandela (1918 – 2013)
"Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass es die einfachen Menschen sind, die die Geschichte machen; ihre Beteiligung an den Entscheidungen über die Zukunft ist die einzige Garantie für Demokratie und Freiheit."

Di., 04.02.2014 - 22:25 Permalink
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Alessandro Stenico Mi., 05.02.2014 - 08:00

Antwort auf von Simon Lanzinger

„Das Volk bestimmt mit. Aber nur alle 5 Jahre. Ist das gut? Nein, ich möchte nicht, dass wir alle Jahre wählen müssen. Aber ich möchte zwischendurch eine Kontrolle haben über meine Vertreter. In fünf Jahren machen die was sie wollen, nicht was ihre Wähler wollen“.
Stimmt nicht ganz genau, wenn wir nur die Zeit zwischen Frühjahr 2013 und Frühjahr 2014 berechnen sind es schon vier Wahlgänge (Parlamentswahlen-Landtagswahlen-Landesabstimmung-Europaparlamentswahlen), jedes Jahr gibt es wenigsten eine Abstimmung. Seit 1974 hatten wir auch in Südtirol 75 mal die Möglichkeit uns zu verschiedenen Themen zu äußern, und mehrere Themen war sehr wichtig, es ging mit der Volksabstimmung über die Scheidung los, dann ging es um die Abtreibung, Atom usw. Die Themen waren so breit und oft auch so unbedeutend sodass sie immer weniger Zulauf fanden, im Jahre 1974 waren es noch 89,9% Abstimmenden und 2009 nur noch 12,2%. Wenn es aber über wichtige Themen ging wie 2011 bei Wasser und Atom dann waren es wieder 66,7%.
Sergio Romano hat vor einige Jahre auf ein Leserbrief über Direkte Demokratie so geantwortet:
Gli elettori non votano soltanto mettendo le loro schede nell’urna. Votano quando rispondono ai sondaggi, quando intervengono telefonicamente in una trasmissione radiofonica o televisiva, quando si servono di chat line o reagiscono a idee che circolano nei blog, mandano un sms, aprono una finestra su Facebook. I politici, d’altro canto, credono che sia necessario stare al gioco e fanno a loro volta un largo uso di Facebook, YouTube, Twitter. Rincorrono gli elettori e sembrano dimenticare che contribuiscono in tal modo all’aumento del numero dei voti quotidiani…. Oggi i governi vengono giudicati ogni giorno, spesso sulla base di informazioni imprecise e di dati approssimati. Viviamo tutti in una sorta di campagna elettorale permanente ….. :

http://archiviostorico.corriere.it/2010/novembre/16/MOLTIPLICAZIONE_DEI…

Mi., 05.02.2014 - 08:00 Permalink
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Simon Lanzinger Mi., 05.02.2014 - 10:39

Antwort auf von Simon Lanzinger

Villeicht wäre es nicht falsch unseren Volksvertretern ein gewisses Vertrauen für 5 Jahre zu geben, denn ich bezweifle nicht, dass der Landtag bessere Entscheidungen als die Bevölkerung trifft.

Beispiel: Stellen Sie sich vor es würde eine Volksbefragung über Politikergehälter im Land Südtirol abgehalten. Ich bin mir sicher, dass dabei jedes Quorum erreicht würde und sich die Große Mehrheit für eine Senkung der Gehälter ausspreche.
Doch inwieweit ist das die richtige Entscheidung? Schließlich bleibt nach den 5300 Euro abzüglich Parteiabgaben usw. nicht mehr sooo viel übrig. Und die Berufung eines Landtagsabegeordneten bringt ja auch eine große Verantwortung mit sich und mir persönlich wäre es lieber durch eine höhre Entlohnung eine gewisse "Qualität" zu wahren.

Anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor man würde eine Volksbefragung über Zuwanderer abhalten? Thema nicht entscheidened (Minarettbau, Sozialleistungen, ganz egal..).
Ich bin mir wiederum sich, dass sicher eine Vielzahl der Bevölkerung teilnehmen würde und sich wieder die große Mehrheit gegen die Begünstigung von Zuwanderer ausspricht. Egal ob das Thema nun wirklich relevant ist oder nicht. Einfach nur weil der gewöhnliche Bürger sich keine eigenen Meinung BILDET und grundsätzlich etwas fremdenfeindlich ist.

Ich bin mir auch nicht sicher ob die Möglichkeit auf mehr Mitbestimmung ein Interesse der Bevölkerung wecken würde. Schließlich wurde 2009 nicht mal das Quorum erreicht (wenn ich mich recht entsinne). Also warum nicht die paar Millionen Euro an Kosten einsparen?
Meiner Meinung nach liegt das Problem in unserem Bildungssystem. Bereits in der Schule sollte ein politisches Interesse geweckt bzw. erzwungen werden.

Mi., 05.02.2014 - 10:39 Permalink
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gorgias Mi., 05.02.2014 - 12:51

Antwort auf von Simon Lanzinger

Es ist ein Trugschluss zu glauben dass das Volk sich nicht interessiert weil es nicht mitentscheiden kann.
Informieren und Politik verfolgen müsste man nur um alle 5 Jahre qualifiziert genug zu sein um das eigene recht zu wählen gewissenhaft auszuüben.
doch die Menschen die sich für Politik interessieren die ich kenne kann ich mit beiden Händen abzählen, die anderen ziehen sich mit billigen pauschalurteile aus der Affäre.
ich möchte wirklich wissen wieviele sich im Detail mit beiden Gesetzen jenseits der Unterschriftzahl und des beteiligungsquorum mit dem Thema auseinander gesetzt haben.

Mi., 05.02.2014 - 12:51 Permalink
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Peter Grünfelder Do., 06.02.2014 - 10:32

Antwort auf von Simon Lanzinger

Sie, Herr Lanzinger, stellen die Kompetenzen der Bevölkerung in Frage. Genauso gehören aber auch die Kompetenzen unserer Volksvertreter in Frage gestellt. Unser Wahlsystem hievt nicht fachkundige Personen in Politik und Verwaltung sondern solche die sich gut inszinieren können. Gib dem Volk die Verantwortung, dann wird es sie auch wahrnehmen. Direkte Demokratie steht nicht gegen Vertreterdemokratie. Es ist eine sinnvolle Ergänzung. Man könnte es auch so nennen: "Die Möglichkeit den Volksvertretern einen tritt in den Arsch zu geben!"

Do., 06.02.2014 - 10:32 Permalink
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Simon Lanzinger Do., 06.02.2014 - 12:07

Antwort auf von Simon Lanzinger

Doch liegt es auch maßgeblich an der Bevölkerung, fachkundigen Personen in die öffentliche Verwaltung zu wählen und nicht jene, die Pasta in der Stadtgasse verteilen oder die schönsten Bilder auf Facebook posten.
Im Sinne des demokratischen Grundsatzes ist das SVP-Gesetz sicherlich keine Lösung, aber auch das vorherige ist untragbar und muss überarbeitet werden. Ich hoffe auf bessere Lösungen in dieser Legislaturperiode.

Do., 06.02.2014 - 12:07 Permalink
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Michael Thaler So., 09.02.2014 - 12:21

...verstehe ich zwar nicht ganz. Wo liegt das Problem eines alternativen Vorschlags, wenn doch das Volk darüber entscheiden kann - und nur eine einfache Mehrheit nötig ist, die notwendigerweise zustande kommt? Spaltung der hin oder her: je größer die Auswahl desto besser würde man meinen. Wer sagt denn, dass das Volk den Einbringern immer Recht geben wird und sollte? Einen Fehlschluss, den ich bei vielen Verfechtern der direkten Demokratie sehe. Liegt es nicht nahe, dass die Stammwähler dann genau dem Appell ihrer Partei folgen und sich somit wieder die selben Mehrheitsverhältnisse wie im Landtag einstellen?

So., 09.02.2014 - 12:21 Permalink
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Profil für Benutzer Wilfried Meraner
Wilfried Meraner So., 09.02.2014 - 13:28

Antwort auf von Michael Thaler

Zum vorletzten Punkt:
Sie haben insofern recht, als dieser Punkt in dem Artikel nicht ausführlich erklärt wurde- weil es etwas kompliziert ist.
Ich versuche es mit einem konkreten Beispiel. Angenommen, Bürger beantragen den Bau einer öffentlichen Sportanlage mit Schwimmbad und Fußballplatz. Wenn die regierenden Politiker dagegen sind, haben sie folgende taktische Möglichkeit: sie schlagen eine möglichst ähnliche Alternative vor, angenommen hier eine Sportanlage mit Schwimmbad und Eislaufplatz.
Ergebnis: 33% für den Bürgervorschlag, 32% für den Alternativvorschlag, 35% für gar keine Sportanlage. Nach der Regelung in diesem Gesetz gewinnen die 35% und es gibt gar keine Sportanlage, obwohl 65% (32+33) eine möchten!
So krass würde es sicher selten ausgehen, aber da ist noch sehr viel Spielraum für ein ungerechtes Ergebnis.
Auf jeden Fall wird sich bei einem taktisch geschickten Gegenvorschlag der Bürgervorschlag schwerer durchsetzen.
Aber nichts gegen einen konstruktiven Gegenvorschlag! Mit einer besseren Regelung kann auch dann ein gerechtes Ergebnis
erzielt werden.
Die einzige gerechte Lösung scheint eine Art Stichwahl zu sein, und das geht auch ohne zusätzlichen Wahlgang, indem eine Zusatzfrage beantwortet wird, z. B. "was bevorzugen Sie zwischen A und B" oder ähnliches.
Denn natürlich sollte das Volk gar nicht den Einbringern immer Recht geben, und ich kenne diesen Fehlschluss. Aber mit dieser Methode wird er vermieden, und alle Alternativen werden gleichberechtigt behandelt.
Ein Gesetz, das wirklich Bürgermitbestimmung fördern soll, müsste also eine solche oder ähnliche Methode eingebaut haben. Und diese Methoden sind in der Schweiz schon bekannt.

Zum letzten Punkt: ich kann nicht sehen, was dieser Punkt mit ihrer Frage zu tun hat. Ein Missverständnis?

So., 09.02.2014 - 13:28 Permalink