Politik | Gastkommentar

Willkommen, liebe sudtirolesi!

Der Vorschlag, Sudtirolo zu sagen statt Alto Adige, kommt von unvermuteter Seite, aber ist ernst zu nehmen. Es wäre ein Stück Beheimatung.
Alto Adige/Südtirol
Foto: upi
Heute präsentieren die Landtagsabgeordneten der Südtiroler Freiheit den Vorschlag, Südtirol auf Italienisch amtlich Sudtirolo zu heißen und nicht länger Alto Adige. Und nach Logik wird für die Einwohner des künftigen Sudtirolo Gleiches gelten: Sie werden Sudtirolesi sein und nicht mehr Altoatesini. Ich habe es zeit meines politischen Amtes als Parlamentsabgeordneter so gehalten. Habe konsequent in Wort und Schrift immer Sudtirolo und Sudtirolesi verwendet, und wenn Unterscheidung notwendig oder hilfreich war, dann eben sudtirolesi di lingua italiana oder di lingua tedesca. Nie aber spreche ich von deutschen Sudtirolesi und italienischen altoatesini.
 
Ich wusste um die politische Brisanz meines unkonventionellen Sprachgebrauchs, ließ es aber gern drauf ankommen. Ob es bei Vorträgen, bei Reden im Parlament oder Diskussionen war, es gab Situationen, in denen das Wort irritierte. Ich schreibe es meinem doch bekannten politischen Standort zu, dass es mir italienischerseits kaum einmal übel genommen wurde. Fragt mich gelegentlich jemand, warum ich es so halte, antworte ich: „aus Respekt vor unsern italienischen Mitbürgern“. Das muss dann immer ein bisschen erklärt werden, und die Folge ist meistens verwundertes Einverständnis.
 
Ich versuche es in der Regel so: Zweifler und Unwissende gewinne ich schon damit, dass ich ihnen sage, ich hätte das von Alexander Langer. Der Name Langer ist unter Italienern, viel mehr als unter Deutsch-Südtirolern, Symbolgestalt für friedliches Zusammenleben, Völkerverständigung und gegen jede Art Nationalismus, volkliche Übervorteilung und ein bisschen auch gegen alles, was sich auf EsseVuPi reimt. Langer sagte immer Sudtirolo, nie Alto Adige. Und wenn der das so gesagt hat, ... wisst schon. Langer ist die demokratische, anti-nationalistische Patentierung von „Sudtirolo“.
 
 
Ich habe es zeit meines politischen Amtes als Parlamentsabgeordneter so gehalten. Habe konsequent in Wort und Schrift immer Sudtirolo und Sudtirolesi verwendet.
 
Mich stört an Südtirol-Alto Adige seit je die Zweinamigkeit, auf Südtirolerisch gesagt, der Doppelname. Warum soll meine Heimat zwei Namen tragen, die miteinander nichts zu tun haben? Warum nicht den einen und diesen einen übersetzt? Ginge es nur um die Heimat, von mir aus! Aber wenn ich an die Menschen denke, meine Landsleute: Wir haben uns dran gewöhnt, Südtiroler und sudtirolesi zu sagen und damit nur uns deutschsprachige Südtiroler zu meinen. Allenfalls noch die Ladiner. Und unsere italienischen Landsleute altoatesini. Sind wir unser mehrere gemischt beieinander, so sind wir, ja was? Sudtirolesi e altoatesini? Auf Deutsch gar: Südtiroler und Altoatesiner?  Eine schlimme Gewohnheit.
 
Wollen wir es nicht so weit kommen lassen, dass Südtiroler oder Altoatesino zu einer Bekennungsfrage wird. Um das zu vermeiden, ist es der beste Weg, wir heißen unser Land und in der Folge unsere Landsleute bei einem, einem gemeinsamen Namen. Südtirol. Und übersetzen ihn unbefangen mit Sudtirolo. So wie wir zu Milano Mailand sagen und zu Trento Trient. Genauso mit seinen Bewohnern. Es wäre ein Akt der Anerkennung und Antidiskriminierung. Allzu oft und auch von höchster Stelle wird „Südtiroler“ und „Südtirolerin“ gesagt und meint damit nur die deutschsprachigen davon. „Italienischsprachige Südtiroler“ klingt in patriotischen Ohren wie ein Fehler. Von „italienischen Südtirolern – sudtirolesi italiani“ gar nicht zureden. Ein Widerspruch! Wie oft muss ich im öffentlich-rechtlichen Heimatsender von „Südtiroler Schule“ hören, und es ist nur die deutsche gemeint. Als ob die andere die altoatesine wäre, und die hat eh ihren eigenen Sender. Solang es ein Südtirol und ein Alto Adige gibt, sind wir kein zweisprachiges, sondern nur ein geteiltes Land. Und wer darauf beharrt, will mit dem jeweils anderen nichts zu teilen haben.
 
 
Den Toponomastik-Pedanten passiert hier ja ein kleines Eigentor. Sie halten Namen für unübersetzbar.
Die Initiative der Südtiroler Freiheit verdient deshalb Respekt. Sie will erreichen, dass einem logischen Korrekturbedarf und gesellschaftlichen Reifeprozess amtlich entsprochen wird. Sudtirolo ist unter der italienischen Bevölkerung im Land geläufig, es hat kaum mehr einen chauvinistischen Nachklang, die Zeit scheint reif. Schon allein die Formulierung des „Sudtirolo-Antrags“ ist Beweis dafür. Seine Einbringer sind sehr darauf bedacht, dass dem Schritt keine revanchistische Absicht angehängt werden kann. Der Antrag liest sich, als wollte die Südtiroler Freiheit damit, wenn auch nicht nur, aber auf jeden Fall auch einem Anliegen der italienischen Mitbürger entgegenkommen. Diese Handreichung von womöglich unerwarteter Seite sollte angenommen und nicht als Überlistung gedeutet werden.
 
Ob das Vorgehen der Südtiroler Freiheit freilich klug ist, will sagen: nicht zwangsläufig scheitern muss? Natürlich wird der Beschlussantrag im Landtag versenkt werden. Dafür bürgt schon die Elternschaft von einer Oppositionspartei. Die Südtiroler Volkspartei lässt sich nicht patriotisch belehren. Und abgesehen davon hätte eine solche Umtaufe so viele politische und rechtliche Instanzen zu durchlaufen, nicht zuletzt eine Änderung des Autonomiestatuts, dass Zuversicht schon Verwegenheit ist. Da fragt sich schon, ob nicht allein der Versuch einer „Legalisierung“ der Kraft des Faktischen in die Quere kommt.
Wie oft muss ich im öffentlich-rechtlichen Heimatsender von „Südtiroler Schule“ hören, und es ist nur die deutsche gemeint.
Es verhält sich mit dem „Sudtirolo“ ein bisschen wie mit der leidigen Toponomastik-Frage insgesamt. Den Toponomastik-Pedanten passiert hier ja ein kleines Eigentor. Sie halten Namen für unübersetzbar. Das ist topografisch Unsinn. Immer sind Ortsnamen übersetzt worden. In Südtirol ist Unübersetzbarkeit zum Dogma erklärt worden, um den Italienern ihre Namen wegzunehmen. Sudtirolo, mit Verlaub, ist übersetzt. Es würde damit den Italienern aber nichts genommen, sondern etwas gegeben. Das ist der große Unterschied. Doch wie auch immer, eine institutionelle Lösung wird es kaum geben. Südtirol hat mit seiner Autonomie viele große Probleme gelöst. Es sieht so aus, als müsste das eine und andere Problem, zum Beispiel das der Toponomastik, ungelöst bleiben. Na und? Wir werden den Ehrgeiz aufbringen müssen zu beweisen, dass wir bei vielen gelösten Problemen mit einem ungelösten Problem zu leben verstehen. „Südtirol“ hat es zusammen mit „Provincia di Bolzano -Alto Adige“ in die italienische Verfassung geschafft. Für Sudtirolo wird es dauern. Aber wir können inzwischen ja fest üben und es verwenden – so wie alle Ortsnamen auch
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Paolo Ghezzi Di., 14.09.2021 - 15:28

Un ragionamento coerente, il tuo, Florian. Una riflessione nel segno dell'inclusione e dell'unitarietà di una Heimat. E una provocazione per la destra sudtirolese, che ha tutt'altri scopi. Un pensiero langeriano, il tuo, che hai sempre coerentemente praticato. Troppo politico (in senso buono) e dunque eversivo-impolitico, ancor oggi, per una Provincia ancora etnicamente e linguisticamente determinata a livello istituzionale. I nomi cambiano solo quando i rapporti di forza lo consentono. Ma fai bene a ragionare come se le idee contassero più dei numeri e degli schieramenti.

Di., 14.09.2021 - 15:28 Permalink
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Georg Zeller Di., 14.09.2021 - 15:47

Sehe ich genauso und verwende diese Formulierung seit eh und je. Schade nur, dass sie nun ausgerechnet von deutsch-rechts eingebracht wird und damit breitere Angriffsflächen bietet.

Di., 14.09.2021 - 15:47 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 14.09.2021 - 16:29

Antwort auf von Georg Zeller

Alexander Langer war wohl nicht deutsch-rechts, und er hat immer Sudtirolo gesagt. Tirolo ist eine seit jeher im dreisprachigen Tirol verwendete Landesbezeichnung, da brauchte nichts übersetzt zu werden. Von Tiroler Seite, die von nationalistischen Italienern gerne als "rechts" bezeichnet wird, ist immer, nicht erst seit heute, ausschließlich die Verwendung der historischen Namen gefordert worden, und Tirolo ist nun einmal der historische Namen unseres Landes, ob es den Faschisten gefällt oder nicht.

Di., 14.09.2021 - 16:29 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 14.09.2021 - 22:33

Antwort auf von Sepp.Bacher

Massimo kann man, wenn man unbedingt will, nur mit Maximilian übersetzen. Mollica zu übersetzen hat keinen Sinn. Wenn ich Massimo Mollica höre, dann denke ich unwillkürlich an den großartigen Schauspieler dieses Namens (z.B. im Film "Salvatore Giuliano") der aus dem Ort Pace del Mela bei Messina gebürtig war und vor acht Jahren gestorben ist. Wer wäre wohl so verrückt, seinen Geburtsort im umgekehrten Geiste Tolomeis mit "Friede des Apfels" zu übersetzen?

Di., 14.09.2021 - 22:33 Permalink
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Sigmund Kripp Mi., 15.09.2021 - 07:25

Im Umgang mit meinen italienischen Weinkunden verwende ich seit 20 Jahren nur den Begriff "Sudtirolo", und siehe da: auch sie switchen sofort auf diesen Begriff um und verwenden ihn fließend. "Sudtirolo" ist nur für Urzì & Co. ein Problem; für alle anderen nicht....

Mi., 15.09.2021 - 07:25 Permalink
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Matthias Wallnöfer Do., 16.09.2021 - 21:32

Schlimmer wird es, wenn man als "Trentini" bezeichnet wird. Viele Italiener grenzen die Regionsbezeichnung "Trentino-Alto Adige/Südtirol" auf "Trentino" ein und dabei hatte ich schon einige Male Aufklärung zu leisten, wieso diese Benennung völlig verfehlt ist und bleibt. Aus diesem Grund heraus sehe ich dieses Regionskonstrukt mit großer Skepsis, da es einer größeren Sichtbarkeit nach außen hin im Wege steht.

Do., 16.09.2021 - 21:32 Permalink