Wirtschaft | Öffentliche Arbeiten

Der Boden des Vizepräsidenten

Die Messe Bozen lässt im gesamten Eingangsbereich einen neuen Boden verlegen. Den Auftrag erhält ein Unternehmen das Vizepräsidenten Claudio Corrarati gehört.
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Foto: Messe Bozen
Es sei alles rechtens und nach den geltenden Vorschriften. Das ist der Tenor an der Spitze der Bozner Messe AG. „Aus unserer Sicht gibt es hier keine Unvereinbarkeit, wir haben das auch rechtlich überprüfen lassen“, sagt Direktor Thomas Mur. Auch Claudio Corrarati, Vizepräsident der öffentlichen Messekörperschaft sieht das ähnlich: „Es handelt sich um keinen direkten Auftrag, damit ist die Sache formal absolut in Ordnung“.
Was man nicht sagt: Manchmal kann man die Form auch so hinbiegen, dass der gewünschte Inhalt hineinpasst. Dieser Verdacht kommt unweigerlich, wenn man sich die Geschichte genauer anschaut.
Dass die Messe einen äußerst lukrativen Auftrag ausgerechnet an ein Unternehmen vergibt, das auch ihrem Vizepräsidenten gehört, darüber scheint sich in der öffentlichen Körperschaft niemand zu wundern.
Derzeit wird am Hauptsitz der Bozner Messe der gesamte Eingangsbereich neugestaltet. Dabei werden auch über 2.500 Quadratmeter Boden neu verlegt. Die Arbeiten dafür führt ein Unternehmen aus, an dem ausgerechnet einer beteiligt ist, der bei der Vergabe des Auftrags ein gewichtiges Wort mitzureden hat: Claudio Corrarati, Vizepräsident der Messe Bozen.
Es ist eine Information, die so eigentlich nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte. Auch dafür hat man sich in der öffentlichen Messekörperschaft des Landes einen rechtlichen Rahmen gezimmert.
 

Keine Transparenz

 
Die „Messe Bozen“ ist seit 1. Januar 2003 eine Aktiengesellschaft. Die Hauptaktionäre sind das Land Südtirol (88,44%), die Handelskammer Bozen (4,79%), die Gemeinde Bozen (4,63%). Die restlichen 2,03 Prozent der Aktien halten die Stiftung Südtiroler Sparkasse, die Südtiroler Volksbank, Intesa Sanpaolo S.p.A, Brigl und der Südtiroler Bauernbund.
Da 97,97 Prozent der Messe in der Hand öffentlicher Körperschaften ist, würde man meinen, dass auch alle Transparenz- und Vergabebestimmungen der öffentlichen Hand auf diese Körperschaft zutreffen. Doch das ist weit gefehlt.
So existiert auf der Homepage der Messe AG weder der gesetzlich vorgeschriebene Bereich der „transparenten Verwaltung“ noch findet man im Vergabeportal des Landes eine Ausschreibung der Messekörperschaft. „Wir sind von diesen Bestimmungen zum größten Teil ausgenommen“, erklärt Messe-Direktor Thomas Mur.
 
 
Laut Interpretation der Verantwortlichen fällt die „Messe Bozen AG“ in die Kategorie der „enti economici-commerciali“, die aus Konkurrenzgründen von den meisten Transparenz- und Vergabebestimmungen der öffentlichen Körperschaften befreit sind. Demnach muss die Messe nur dann den öffentlichen Vergabekodex einhalten, wenn sie für die Arbeiten Landesgelder bekommt. Konkret: Die öffentliche Körperschaft kann in den meisten Fallen so wie ein Privatunternehmen agieren.
Vor diesem Hintergrund muss man auch den aktuellen Fall sehen.
 

Die Vergabe

 
Seit längerem plant die Messe AG den Eingangsbereich, das gesamte Atrium rund um die Kassen neu zu gestalten. „Wir haben dazu zehn Unternehmen eingeladen“, sagt Messedirektor Thomas Mur. Eine technische Kommission hat die Angebote geprüft und eine Rangliste erstellt. Im Jänner 2021 vergibt dann der Verwaltungsrat der Messe den formalen Zuschlag für den 3-Millionen-Euro-Auftrag. Die Arbeiten, die derzeit vor der Fertigstellung stehen, werden an eine Bietergemeinschaft aus Union Bau, Ritten Bau und Elektro Haller vergeben.
Es ist diese Bietergemeinschaft, die einen Unterauftrag (subappalto) an die „Boden Service Srl“ vergeben. Das Bozner Unternehmen ist einer der Marktleader in Südtirol in Sachen Bodenverlegungen. Die Boden Service Srl ist ein Familienunternehmen und hat insgesamt 5 Gesellschafter. Die Hauptgesellschafter mit jeweils 29 Prozent Claudio Corrarati und sein Schwager Maurizio Lazzarini.
 
 
Claudio Corrarati, der durchaus erfolgreich seit Jahren den italienischen Handwerkerverband CNA anführt und in diesen Tagen als Präsident wiedergewählt wurde, sitzt als Vizepräsident auch in der Bozner Messe AG. Corrarati wurde in diese Funktion erst am 27. April 2021 für weitere drei Jahre bestätigt.
Dass die Messe einen äußerst lukrativen Auftrag ausgerechnet an ein Unternehmen vergibt, dass ihrem Vizepräsidenten gehört, darüber scheint sich in der öffentlichen Körperschaft niemand zu wundern. Man redet sich auch hier auf einen Formalismus hinaus. „Es gibt keine direkten Geschäftsbeziehungen und damit auch keinen Interessenkonflikt“, sagt Direktor Thomas Mur. Interessant ist auch: Dass man anscheinend an der Messe-Spitze nicht weiß, in welchen finanziellen Rahmen sich der Unterauftrag bewegt, den die Boden Service Srl erhalten hat.
Selbst die Tatsache, dass Corrarati im Verwaltungsrat der Messe bei der Vergabe des Auftrages mitgestimmt hat und sich somit selbst einen Auftrag zumindest indirekt zugeschanzt hat, hält man für rechtens. Mur: „Damals waren die Unteraufträge noch nicht vergeben“.
 
 
Claudio Corrarati sieht die Situation ähnlich. „Das Ganze wurde rechtlich von den zuständigen Stellen vorher abgeklärt“, sagt er zu Salto.bz. Dabei sei auch ausschlaggebend, dass er im operativen Geschäft seiner Firma keine Rolle habe. Dafür sei der alleinige Geschäftsführer Maurizio Lazzarini zuständig.
Aber auch hier hat sich Wunderbares getan.
Die Boden Service Srl wird 2003 gegründet. 17 Jahre lang ist Claudio Corrarati Mitglied des Verwaltungsrates des Unternehmens. Erst im Jänner 2020 ändert man die Unternehmensstruktur, indem man einen Alleinverwalter ernennt.
Zufälle gibt es. Auch auf Messen.