Umwelt | Gesetzentwurf

Pestizidmonitoring? "Nein, danke"

Ein Gesetzentwurf der Grünen verlangt nach einem systematischen Pestizidmonitoring in Südtirol. Der Rat der Gemeinden lehnt ab.
pesticidi
Foto: Suedtirolfoto/O.Seehauser

Am 28. September brachte der Landtagsabgeordnete der Grünen, Hanspeter Staffler, eine Gesetzentwurf für ein systematisches Pestizidmonitoring in Südtirol ein. Der Rat der Gemeinden will davon nichts wissen; das unlängst veröffentlichte Gutachten fällt negativ aus: "zu viel Bürokratie und Verunsicherung der Bevölkerung".

 

Laut Daten der ISTAT werden in der Südtiroler Landwirtschaft jährlich 45 kg aktive Wirkstoffe pro Hektar eingesetzt; im Jahr 2018 beliefen sich diese Zahlen insgesamt auf 1.000.000 kg Wirkstoffe – eine sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich extrem hohe Zahl, wie Staffler zu bedenken gibt. Gleichzeitig fehlen jedoch fundierte Informationen darüber, wie sich der Einsatz dieser Pestizide auf die unmittelbare Umwelt auswirkt. Trotzdem: "Dass es aufgrund von Wind, Thermik oder unsachgemäßer Anbringung zur Abdrift von chemisch-synthetischen Pestiziden kommt, wurde mittlerweile durch eine Reihe von Messkampagnen für Südtirols Obst- und Weinbau bewiesen", so Staffler.

Laut EU-Richtlinien müssten sensible Gebiete wie Wohngebiete, öffentliche Parks und Gärten, Sport- und Freizeitplätze, Schulgelände, Kinderspielplätze oder auch Gebiete in unmittelbarer Nähe zu Einrichtungen des Gesundheitswesens vor den Risiken, die chemisch-synthetischen Pestizide für Mensch, Tier und Umwelt bergen, geschützt werden. Ohne diesbezügliche Informationen ist dies jedoch kaum möglich.

Um die fehlenden Informationen einzuholen, haben die Grünen einen Gesetzentwurf eingereicht, der die Umweltagentur der Provinz beauftragt, das durch chemisch-synthetische Pestizide verursachte Risiko für Mensch, Tier und Umwelt zu ermitteln.

Der Rat der Gemeinden, der den Gesetzentwurf einer ersten Prüfung unterzog, konnte einem systematischen Pestizidmonitoring jedoch nichts abgewinnen: Man könne davon ausgehen, dass damit neue Bürokratie geschaffen würde, heißt es im Gutachten. Zudem schweige sich der Gesetzentwurf sowohl über die praktische Umsetzung als auch über die Folgen bei übermäßiger Belastung der sensiblen Gebiete oder der Gebiete von ökologischer Bedeutung mit Pestizidrückständen aus. Das führe zu Verunsicherungen der Bevölkerung und der Wirtschaftstreibenden. 

Der Gesetzentwurf und das entsprechende Gutachten werden nun im Südtiroler Landtag weiter behandelt.

 

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Herta Abram Mo., 08.11.2021 - 18:09

Das Warten auf die Politik bringt wenig (siehe auch: Argumentation des Rats der Gemeinden). Die Politik ist nicht, wie sie ständig betont für die Bürger da, sondern für die Interessen einzelner Gruppen. Überall herrscht das Dogma „Wirtschaft vor Umwelt“.
Wir lebenaber in einer komplex verwobenen Welt. Alles hängt mit allem zusammen. Das eine führt zu anderen.
„Eine radikale Umstellung unserer Produktionsweise auf kleinstrukturierte, regionalen Humus aufbauende Kreislaufwirtschaft mit weitgehenden Verzicht auf Ackergifte ist nicht nur für unsere erodierenden Böden und das labile Weltklima die einzige Chance auf Heilung, sondern auch für uns Menschen.“ (Martin Grassberger: „Das leise Sterben“. Pflichtlektüre für Politiker! Erkenntnisreich für uns alle - damit niemand mehr sagen kann er hat nicht Bescheid gewusst…..)
Ein interessantes Detail ist die Tatsache, dass die französische Regierung bereits 2012 die Parkinson-Erkrankung als durch Pestizide verursachte, mögliche Berufskrankheit anerkannte.

Mo., 08.11.2021 - 18:09 Permalink
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rotaderga Mo., 08.11.2021 - 18:47

Eben auch für die Anwender von Pestiziden wäre ein Monitoring wichtig.

Was Kosten und Bürokratie anbelangt, so sollte das Verursacherprinzip gelten.

Drei € Aufpreis pro kg eingesetzter Wirkstoffe für das Monitoring könnten das Groß der Bürokratie abdecken und der Informationspflicht für die Bevölkerung gerecht werden..

Mo., 08.11.2021 - 18:47 Permalink
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Martin Piger Di., 09.11.2021 - 00:21

Frage: werden die 45 kg Wirkstoff auf der gesamten landwirtschaftlichen Fläche oder nur auf Obst-und Weinbauflächen ausgebracht. Handelt es sich nur um Pflanzenschutzmittel oder auch um andere Produkte, wie Blattdünger und ähnlichem?

Di., 09.11.2021 - 00:21 Permalink
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Peter Gasser Di., 09.11.2021 - 06:07

Ein nicht uninteressanter Vorschlag: warum diesen aber nicht auf alle Berufsgruppen/Wirtschaftstätigkeiten anwenden, sondern immer nur auf die heimische Landwirtschaft?
Beispiele:
- Autobahn und LKW (Tourismus/Konsum) durch Bozen: verbieten/sperren, wenn Belastung durch Abdrift ansteigt?
- Stadtverkehr, Überetscherstrasse (Büroarbeit/Verwaltung): verbieten/sperren, wenn Belastung durch Abdrift ansteigt?
- Öl- und Gasheizung (Wärmeproduktion/Stromproduktion): verbieten/sperren, wenn Belastung durch Abgase/CO2 ansteigt?.
Frage: warum immer nur die Landwirtschaft? Das ist auch eine öffentliche Diskussion Wert.
.
Vorschlag: Nicht die Anwendung der Pflanzenschutzmittel verbieten, sonder den Verkauf von mit Pflanzenschutzmitteln erzeugter Produkte (oder gleich die Produktion der Pflanzenschutzmittel zum Wohle aller Menschen, auch der Landwirte in anderen Ländern), dann sind alle Menschen geschützt.
Warum scheut man sich - wie beim Klima - vor einer generellen und wirksamen Lösung?

Di., 09.11.2021 - 06:07 Permalink
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Herta Abram Di., 09.11.2021 - 08:42

Antwort auf von Peter Gasser

Nein nicht immer nur die Landwirtschaft, Peter Gasser
Das gemeinsame Problem von LW und vielen anderen Wirtschaftssparten: Die kurzsichtigen wirtschaftlichen Prozesse. Dies nicht, - bzw. nicht zwangsläufig – weil die Umwelt den Unternehmern/Landwirten egal wäre, sondern weil die Rückkopplung für wirtschaftliche Tätigkeit rein monetär ist. Um hier Verbesserungen anzuregen, müssen vor allem an der Schnittstelle Mensch-Natur andere Bewertungsprozesse stattfinden.
Soll heißen: Leider gibt es nicht nur einen positiven erwirtschafteten Mehrwert (monetär), sondern auch einen negativen Mehrwert (u.a. die Menge und der Einfluss der Abgase, chronische Pestizidexposition, Artensterben, entnommenes Trinkwasser, verseuchte Böden,Müll…) welcher vom positiven Mehrwert abgezogen werden sollte.
Es wäre schon ein Fortschritt, wenn von allen verinnerlicht wäre, dass alles mit allem zusammenhängt:
- Unsere Ernährung, unser teils rücksichtsloses Konsumverhalten, die Ausbeutung der uns zu Verfügung stehenden Ressourcen, die Gier der Konzerne, der Zwang zu Wachstum, die Verdrängung nachhaltiger Landwirtschaft, unsere Gesundheit und das labile Weltklima.

Di., 09.11.2021 - 08:42 Permalink
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Peter Gasser Di., 09.11.2021 - 09:11

Antwort auf von Herta Abram

Da stimme ich Ihnen in allem vollinhaltlich zu.
Und möchte [Zitat: “Das gemeinsame Problem von LW und vielen anderen Wirtschaftssparten: Die kurzsichtigen wirtschaftlichen Prozesse”] ergänzen:
das Konsumverhalten alles jederzeit am billigsten einkaufen zu können - besonders die Nahrungsmittel dürfen nix kosten, damit viel für Entertainment&Tourismus&Luxus übrigbleibt...
Wer die Südtiroler Landwirtschaft kritisiert und spanische Tomaten oder portugiesische Avocados kauft, lateinamerikanische Bananen oder südamerikanische Rosen konsumiert, bleibt für mich unglaubwürdig.
Man müsste sogar Kaffee, Tee, Schokolade anführen (Kindersklavenarbeit).
Also: die Regeln vom Produzenten weg und auf das Produkt anwenden - dann kommen Verbesserungen und Gerechtigkeit.
Ich fürchte aber, dafür ist der Mitmensch (noch) nicht bereit, der Politiker gar nicht.

Di., 09.11.2021 - 09:11 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Di., 09.11.2021 - 09:58

Antwort auf von Peter Gasser

Vielleicht weil man irgendwann irgendwo mal anfangen muss? Ob es dann die Landwirtschaft sein muss, sei dahingestellt. Mir scheint es aber, im Moment noch, auf jeden Fall machbarer, in den Landwirtschaft auf Pestizide zu verzichten, als die Menschen auf der Autobahn im Stau, oder zu Hause, in der Kälte stehen zu lassen.
Und wo sehen Sie beim Klima generelle und wirksame Lösungen? Ich sehe und höre nur viel Blabla, Sie sollten das Interview mir Georg Kaser in der FF lesen, von wegen Lösungen in der Klimakrise.

Di., 09.11.2021 - 09:58 Permalink
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Peter Gasser Di., 09.11.2021 - 10:30

Antwort auf von Manfred Gasser

Ich habe schon einige Interviews des Kimaforschers Kaser gehört/gelesen, der die Sachlage oft sehr hart und krass auf den Punkt bring - allein ich stimme diesem in allem zu!
Der Bürger ist gefordert: keine Produkte mehr, welche umwelt- und besonders, klimaschädlich produziert werden; nicht lokale Berufsgruppen strafen, sondern Produkte verbieten: geht schneller und ist gerechter.
Notfalls über Referenden.

Di., 09.11.2021 - 10:30 Permalink