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Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Am Montag wird die Gesellschafterversammlung das Kapitel „Haftungsklage“ endgültig schließen. Es ist das unrühmliche Ende eines sechs Jahre dauernden Eiertanzes.
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Foto: sparkasse
Manche Prozesse gehen zu Ende, noch bevor sie angefangen haben.
Ein solches Schicksal ist dem Verfahren beschert, das im "Allgemeinen Register" am Landesgericht Bozen unter der Nr. 1698/2017 eingetragen ist. Es handelt sich um eine millionenschwere Zivilklage gegen 19 bekannte Südtiroler Persönlichkeiten und um einen der größten Wirtschaftsprozesse, die in diesem Land jemals angestrengt wurden.
Die Liste der Beklagten liest sich wie das Gotha der Südtiroler Wirtschaft: Norbert Plattner, Enrico Valentinelli, Walter Ausserhofer, Maria Niederstätter, Gerhard Gruber, Marina La Vella, Mauro Pellegrini, Werner Schönhuber, Hans Peter Leiter, Helmut Gschnell, Andreas Sanoner, Anton Seeber, Alberto Zocchi, Siegfried Zwick und Heinrich Dorfer. Sowie Peter Gliera, Andrea Maria Nesler, Heinrich Müller und Peter Schedl. Es sind Gremien der Südtiroler Sparkasse zwischen 2007 und 2014. Der Verwaltungsrat, der Aufsichtsrat und der Generaldirektor.
In der Klage geht es nicht nur um viel Geld, sondern indirekt auch um die Klärung gesellschaftspolitischer Fragen rund um die größte Lokalbank Südtirols.
Doch dazu wird es nicht mehr kommen. Denn am diesem Montag wird die Gesellschafterversammlung der Südtiroler Sparkasse eine Einigung und den Rückzug der Haftungsklage gegen die ehemalige Bankenführung beschließen. Es ist ein bewusster Schritt, um das schwärzeste Kapitel in der 167jährigen Geschichte der Südtiroler Sparkasse endlich ein für alle Mal zu schließen.
 

Spielverderber Kleinaktionäre


Eigentlich sollte diese Entscheidung ohne große Diskussion erfolgen. Aufgrund des Covid-19-Notstandes und „in Befolgung der grundsätzlichen Prinzipien, die den Schutz der Gesundheit der Aktionärinnen und der Aktionäre, der Angestellten, der Exponenten und der Lieferanten der Gesellschaft vorsehen“, findet die Versammlung virtuell statt. Das heißt: Jeder Aktionär muss vorab über einen von der Bank ernannten Bevollmächtigten seine Vollmacht bzw. Stimmabgabeerklärung abgeben. Zur Gesellschafterversammlung am Montagnachmittag sind so Kraft dieser Gesetzesauslegung nur die Verwalter, die Aufsichtsräte, der Schriftführer der Versammlung, der Vertreter der Revisionsgesellschaft und der Bevollmächtigte zugelassen. Man ist damit unter sich.
 
 
Die Aktionäre konnten vorab schriftlich Fragen zur Tagesordnung stellen, die schriftlich beantwortet und auf der Homepage der Bank veröffentlich werden. Es wurden insgesamt sechs Fragen gestellt und zum Teil von der Bankenführung beantwortet.
Vor allem der Bund der Südtiroler Kleinaktionäre ist aber mit den Antworten und der geplanten Einigung nicht einverstanden. „Wir bedauern den bescheidenen Betrag der Entschädigungszahlung, der in keinem Verhältnis steht zu den hohen Verlusten die wir als Aktionäre erlitten haben“, heißt es in einer Aussendung der Kleinaktionäre. Der Vorstand des Verbundes - angeführt vom ehemaligen Sparkassen-Verwaltungsrat Stefan Jäger - empfiehlt daher die Stimmenthaltung bei dieser Abstimmung und stellt es jedem Mitglied frei, „anders zu wählen, sollte es dies für richtig halten.
Mehr als verständlich wird diese Haltung, wenn man die gesamte Geschichte noch einmal Revue passieren lässt.
 

Die Strafe

 
Ausgangspunkt für die Haftungsklage sind die Berichte und Erhebungen der Bankenaufsicht. Acht Inspektoren der Banca d’Italia haben vom 8. Oktober 2014 bis zum 6. März 2015 die Sparkasse auf Herz und Nieren geprüft. Am Ende kommt ein Prüfbericht heraus, in dem Sparkasse die schlechteste Note bekam, die je für eine Südtiroler Bank vergeben wurde. Die Prüfung endet für die Sparkasse mit der Note 5, also „vorwiegend negativ“ (in prevalenza sfavorevole). Weiß man, dass die Bewertung 6 automatisch die Ernennung eines Kommissars nach sich zieht, dann wird klar, wie ernst es um die Sparkasse bestellt war.
 
 
Der Bericht der Banca d’Italia wird am 30. Juni 2015 der Bank zugestellt. Gleichzeitig wirdgegen die ehemaligen Verwaltungs- und Aufsichtsräte sowie gegen den ehemaligen Generaldirektor ein Sanktionsverfahren eröffnet, das genau ein Jahr später mit einer Strafe von insgesamt 912.000 Euro endet. Jeder der 19 Funktionäre wird zu 48.000 Euro Strafzahlung verdonnert.
In diesen Jahren fährt die Sparkasse Verluste von über 300 Millionen Euro ein. Die Bankenaufsicht geht davon aus, dass die ehemaligen Verwalter und Aufsichtsräte durch verschiedene Handlungen und Unterlassungen an den Millionenausfällen Mitschuld tragen.
Spätestens damit kommt eine Haftungsklage ins Spiel.
 

Die Klage

 
Es dauert fast ein weiteres Jahr, bevor die Sparkasse dieses Thema konkret auf den Tisch bringt. Gleich zwei Mailänder Kanzleien, zuerst „Bonelli, Erede e Partner“ und ab Dezember 2015 das „Studio Legale Chiomenti“ beschäftigen sich mit dem Fall.
Im Frühjahr 2016 lieferten die Berater dann ein Gutachten ab. Die Rechtsanwälte kommen darin zu denselben Schlussfolgerungen, die die Banca d'Italia schon elf Monaten zuvor detailliert in ihrem Bericht ausgeführt und dem amtierenden Verwaltungsrat vorgelegt hat: Man geht von einer Mitschuld der früheren Verwalter aus.
 
 
Es sind vier Bereiche, die im Gutachten im Mittelpunkt stehen. Die Unregelmäßigkeiten bei der Kreditvergabe, die Unzulänglichkeiten der Verwaltungs-, Steuerungs- und Kontrollstrukturen in der Bank, die mangelnde Aufsicht über die Tochtergesellschaften und die Beanstandungen der Aufsichtsbehörden.
Im dritten Anlauf beschließt die Aktionärsversammlung der Sparkasse am 26. Juli 2016 die Haftungsklage. Man beauftragt den Verwaltungsrat mit der Einreichung der Klage.
 

In der Zwickmühle

 
Bis die Haftungsklage wirklich am Bozner Landesgericht hinterlegt wird, vergeht aber ein weiteres Jahr.
Das liegt auch daran, dass die amtierende Bankenführung spätestens jetzt in eine Zwickmühle gerät.
Es gibt zu viele und zu enge Beziehungen geschäftlicher, privater und beruflicher Natur zwischen der amtierenden Sparkassenspitze und den Beklagten. Man befürchtet deshalb zu Recht, dass sich die Haftungsklage zu einer Schlammschlacht vor Gericht entwickeln könnte, die der Bank nachhaltig schaden würde.
 
 
Deutlich wird das bereits im Gutachten der Anwaltskanzleien. So etwa haben die Anwälte 370 von der Banca d'Italia ausgewählte Kreditfälle, bei denen es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll, nochmals detailliert überprüft. Davon wurden 32 konkrete Kreditfälle herausgefiltert, die in die Haftungsklage einfließen sollten. Es handelt sich vorwiegend um Vergaben, bei denen die für die Kreditvergabe zuständigen Funktionäre und Gremien der Bank ein negatives Gutachten abgegeben haben, der Verwaltungsrat die Kredite aber dennoch gewährt hat.
Einige dieser Fälle wurde im allerletzten Moment aber aus der Klage gestrichen. Der Grund: Die Unternehmen waren von der Anwaltskanzlei des Sparkassen-Präsidenten Gerhard Brandstätter betreut worden. So blieben am Ende 28 konkrete Fälle übrig.
 

64 Millionen Schaden

 
Vor diesem Hintergrund war schon von Beginn an klar, dass die Sparkassenführung einen Vergleich in Sachen Haftungsklage suchen wird. Mehrmals wurde die Auftaktverhandlung in den vergangenen Jahren vertagt, sodass der Prozess nie wirklich startet.
Dazu muss aber auch gesagt werden, dass Haftungsklagen alles andere als ein leichtes Spiel sind. Weil die Kläger den „dolo“ und/oder die Fahrlässigkeit der Beklagten nachweisen müssen, ist es alles andere als eine Selbstverständlichkeit, vor Gericht Recht zu bekommen. Auch diese durchaus berechtigten Überlegungen dürften in den vergangenen viereinhalb Jahren eine Rolle gespielt haben.
Wie strategisch die Bankenführung aber von Anfang vorgegangen ist, zeigt sich an einem Detail. Bis heute wurde offiziell in keinem Gerichtsdokument der potentielle Schaden quantifiziert, der der Bank entstanden sein soll.
Genau danach fragen jetzt schriftlich ein Aktionär, sowie der Verbund der Kleinaktionäre. Die offizielle Antwort der Sparkasse:
 
“L’atto di citazione non quantifica il danno oggetto di richiesta risarcitoria perché, come consentito, lo rimette alle ulteriori fasi processuali, e in particolare all’esito degli approfondimenti e dell’attività istruttoria necessari per determinare e attualizzare le effettive perdite e, tra esse, individuare quali possano configurare un danno risarcibile e causalmente riconducibile alle condotte contestate ai convenuti.”
  
In einer weiteren Antwort wird präzisiert, dass jene Kredite, die der Verwaltungsrat trotz negativer Gutachten der Bankenstruktur genehmigt hat, sich in einer Höhe von 27 Millionen Euro bewegen.
Dabei ist der von den Sparkassen-Anwälten ursprünglichen ausgearbeiteten Haftungsklage der potentielle Schaden weit höher quantifiziert. In dem Dokument, das Salto.bz vorliegt, stehen genau 64 Millionen Euro.
 

Die Einigung

 
Dass diese Schätzung vor den Aktionären nicht offengelegt wird, liegt auch an dem Vergleichsangebot, das man am Montag beschließen wird.
Die 19 ehemaligen Sparkassen-Verwalter und Funktionäre zahlen einen allumfassenden Betrag von 3 Millionen Euro. Es ist kein Schuldeingeständnis. Dafür zieht die Sparkasse die Haftungsklage vor dem Landesgericht zurück.
Für die Beklagten ist es ein annehmbarer Deal, da der Großteil dieser Summe von den Versicherungen beglichen wird.
Weniger rosig sieht der Deal für die Sparkasse aus. Laut der Antwort auf eine entsprechende Frage haben die Gutachten und Anwälte der Bank in dieser Frage bisher rund 900.000 Euro gekostet.
Demnach werden der Sparkasse zwei Millionen bleiben.
Doch man hat anscheinend lieber fünf Bienen in der Hand als eine unkontrollierbare Schlammschlacht auf dem Dach.
 

Richtigstellung

 

“Im heute veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ wird in einer Passage ein Zusammenhang zwischen dem Ausschluss einiger Kreditpositionen und Verbindungen zur Bankenspitze unterstellt. Die Südtiroler Sparkasse erklärt, dass diese Aussage jeglicher Grundlage entbehrt. Vielmehr ist der Ausschluss einiger Kreditpositionen aus dem Geltungsbereich der Haftungsklage auf die Entwicklung dieser Positionen selbst zurückzuführen, weshalb diese nicht mehr in Zusammenhang mit dem Verhalten der Verwalter gesehen werden können.”

Unsere Bank behält sich in jedem Fall vor, die verleumderischen Auswirkungen des Artikels zu prüfen und entsprechende Maßnahmen zum Schutz ihres Ansehens zu ergreifen.

Die Südtiroler Sparkasse

 

 

 
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rotaderga Fr., 19.11.2021 - 09:45

Mein erstes Bankkonto hatte ich, als noch überzeugter junger Südtiroler, bei der Südtiroler Sparkasse.
Mittlerweile hab ich dazugelernt.
Überall wo Südtirol draufsteht ist auch viel Südtirol drinnen.

Fr., 19.11.2021 - 09:45 Permalink
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△rtim post Sa., 20.11.2021 - 22:44

Zuerst das Aus im Straf- und nun im Zivilverfahren.
Erinnert an B. Brechts treffende Beschreibung im Theaterstück “Die Dreigroschenoper": "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"

Sa., 20.11.2021 - 22:44 Permalink