Politik | Meran

Der geheime Anti-Rösch-Pakt

Bereits vor zwei Jahren wurde in einem Treffen zwischen der SVP und den beiden italienischen Bürgerlisten Meran politisch aufgeteilt. Das enthüllt jetzt Diego Cavagna.
Cavagna, Diego
Foto: Oskowebtv
Am Ende ist es die Eitelkeit, die manchmal der Wahrheitsfindung unerwartet zu Hilfe eilt.
Ich enthülle euch eine Anekdote“, sagt Diego Cavagna, „ihr wisst, dass ich mich nicht zurückhalten kann“. Dann erzählt der Mann in der Videokonferenz eine Geschichte, die die politische Entwicklung der letzten zweieinhalb Jahre in Meran unter einem ganz anderem Licht erscheinen lässt. Was man bisher angenommen und gemutmaßt hat, wird plötzlich zur Gewissheit: Die Meraner SVP hat die Öffentlichkeit und ihre eigene Wählerschaft zwei Jahre lang an der Nase herumgeführt.
Durch die Enthüllung dieses Anti-Rösch-Paktes wird klar, dass die SVP die Öffentlichkeit und ihre Wählerinnen und Wähler zwei Jahre lang an der Nase herumgeführt haben.
Doch beginnen wir von vorne
 

Der Schattenmann

 
Der heute 60jährige Diego Cavagna ist eine Fixgröße in der Politik der Passerstadt. Der gelernte Elektrotechniker und studierte Volkswirt, der ein Hotel und einen Campingplatz in Meran betreibt, saß 25 Jahre lang im Meraner Gemeinderat, war Assessor und 10 Jahre lang Vizebürgermeister. Cavagna hatte unzählige Posten im sogenannten Sottogoverno inne, über die Kurverwaltung, die Etschwerke bis hin zur Bezirksgemeinschaft.
2015 zieht sich der Langzeitpolitiker aus der aktiven Mandatspolitik zurück, bleibt aber die „graue Eminenz“ in der italienischen Meraner Politik. So ist Diego Cavagna der Gründer der „La Civica per Merano“ und derjenige der Dario Dal Medico erfunden und zum Meraner Bürgermeister gemacht hat. „Er ist der mächtigste Lokalpolitiker in Meran“, sagt ein Meraner SVP-Funktionär.
 
 
 
Eine Gruppe von Burggräfler Politaktivisten verschiedenster Lager betreiben seit längerem auf Facebook und Youtube einen Kanal mit dem Titel „Oskowebtv“. Dabei werden wöchentlich Diskussionssendungen online gestreamt. Am vergangenen Dienstag stand die Sendung mit dem Titel „Il fattore D.C - Wer ist Diego? Ein italienischer Hotelier und was noch?“ auf dem Programm.
In diesem „Dialogo con Diego Cavagna“ machte der alte Politfuchs eine Enthüllung, die die Meraner SVP jetzt in ärgere, politische Schwierigkeiten bringen dürfte.
 

Das Treffen 2019

 
Diego Cavagna erzählt 70 Minuten lang aus seinem Leben zwischen Hotel, Prinz Rudolf und der Politik. Dann lässt er sich völlig unerwartet zu einem Bekenntnis hinreißen.
Cavagna erzählt von einem Treffen im Juli 2019 zwischen der Civica, Alleanza per Meraner und der Meraner SVP auf dem man einen gemeinsamen Pakt gegen Paul Rösch und die Grünen geschlossen habe. „Dieses Treffen wollte vor allem ich, damit man ein politisches Abkommen findet und diese Mehrheit entsteht “, sagt Diego Cavagna wörtlich. Cavagna sagt offen, dass es das erste Mal war, dass die SVP sich vor den Wahlen mit anderen politischen Parteien abgesprochen hat. Was er nicht sagt: Wer an diesem Sommerabend 2019 dabei war: Diego Cavagna für die Civica, Nerio Zaccaria für Alleanza und Karl Zeller für die SVP.
Auf diesem Treffen wurde jener politische Pakt geschlossen, der seit dieser Woche die zweitgrößte Stadt Südtirols regiert. Cavagna: „Damals wurde die famose Abmachung getroffen: Meine Herren entweder mit uns oder mit niemand“.
Dann sagt der Mann, der die italienische Politik in Meran seit fast drei Jahrzehnten maßgeblich mitbestimmt: „Ich schäme mich dafür überhaupt nicht“.
Aber Cavagna geht noch weiter. Er erklärt, dass er den politischen Pakt eigentlich öffentlich machen wollte. Laut Cavagna sei das aber von der SVP nicht goutiert worden, „weil das die Wähler nicht verstehen können“.
 
 

Das Video

 
Diego Cavagna - Die Enthüllung, von salto. bz
 
 

Doppelzüngige SVP


Diego Cavagnas Anekdote bringt jetzt aber die Volkspartei in die Bredouille.
Durch die Enthüllung dieses Anti-Rösch-Paktes wird klar, dass die SVP die Öffentlichkeit und ihre Wählerinnen und Wähler zwei Jahre lang an der Nase herumgeführt haben. Mehrmals war die Existenz einer solchen, politische Abmachung - auch vom Autor dieser Zeilen - ins Feld geführt worden. Die Meraner SVP bestritt aber wortreich und energisch jede politische Abmachung.
 
 
Zudem hat die SVP sowohl bei den Stichwahlen 2020 als auch bei den Stichwahlen 2021 öffentlich erklärt sich neutral zu verhalten. Das Bekanntwerden dieses Paktes und die Worte von Diego Cavagana straft dieser Haltung aber Lügen.
Auch wird jetzt klar, welches Schmierentheater die drei heutigen Koalitionspartner bei den Regierungsverhandlungen 2020 abgezogen haben. Noch heute gibt man der angeblich unnachgiebigen Haltung von Paul Rösch und Madeleine Roher die Schuld für das Scheitern der Regierungsbildung und die kommissarische Verwaltung der Stadt.
Dabei war von vornherein klar, dass die drei Parteien keinesfalls mit den Rösch und den Grünen koalieren werden. Wie sagt Diego Cavagna: „Signori, o con noi o con nessuno“.
Der Meraner Politstratege dürfte sich dabei am Dienstag im Oskowebtv kaum verredet haben. Vielmehr ist es nach dem Sieg bei den Gemeinderatswahlen eine bewusste Machtdemonstration. Das wird auch deutlich, wenn Cavagna am Ende der Sendung über die nächsten Gemeinderatswahlen sinniert. „Ich sollte das eigentlich nicht sagen“, meint er, „aber, wenn Dario Dal Medico in dreieinhalb Jahren wieder antritt, was tut dann die SVP?“ Die Antwort: Sie wird wohl oder übel Dal Medico unterstützen müssen. Denn alles andere wird man den Wählern kaum erklären können.
Damit wird auch klar, wer in Meran ab jetzt die Hosen anhat.
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Heinrich Tischler Fr., 26.11.2021 - 08:50

Da ist ja die Aussage des Herrn Ing. Unterberger in einem Interview vom 28.11.2020 nach der gescheiterten Regierungsbildung in Meran noch harmlos.
Frage der D:
"Dass der SVP-Fraktionssprecher offen über Facebook Werbung für einen italienischen Bürgermeister-Kandidaten gemacht hat, haben Sie dafür Verständnis?"
Antwort Unterberger:
".....Aber vielleicht war mit den Italienern schon alles ausgmacht. Als wir damals an die Öffentlichkeit gegangen sind, hatten wir längst alles vereinbart. In der Öffentlichkeit haben wir nur mehr Scheingefechte geführt."
Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen (die Neuen)

Fr., 26.11.2021 - 08:50 Permalink
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△rtim post Fr., 26.11.2021 - 09:16

Diese maßgeblich so geheime Verschwörungs- und Skandalierungserzählung aus dem Jahr 2020 war dank Salto ja schon damals alles andere als geheim —oder?
Die it. Bürgerlisten wollten ja 2020 genau das, was Rösch 2021 nach seiner Niederlage ja selbst plötzlich forderte — eine breite
Aufstellung aus it. Bürgerlisten, Liste Rösch und SVP.
Das einzig Überraschende für die Strategin der Liste Rösch und wohl selbst für die damals personell geschwächte SVP 2020 war die Loyalität der it. Bürgerlisten gegenüber der SVP.
Zur Wahrheit gehört: Die Liste Rösch hat 2020 einfach zu hoch gepokert und ist wohl zu sehr einer taktischen Einflüsterung gefolgt. Man sieht auch hier, dass das offenbar nicht unbedingt zielführend und hilfreich sein muss. Alles hat Folgen und kam jetzt 2021 auf sie selbst zurück. Auch der Liste Rösch täte zur Abwechslung ein bisschen Fehlerkultur ganz gut statt sich ständig nur als Opfer zu generieren. Es gilt wohl nicht nur die Ereignisse von 2020 aufzuarbeiten, als die Liste anfangs den it. Bürgerlisten zudem über Medien Ultimaten zukommen ließ anstatt mit ihnen auf Augenhöhe und Respekt zu kommunizieren und man die SVP unbedingt außen vor lassen wollte.
Der Zukunft zugewandt kann man aufgrund der gigantischen
Herausforderungen nur hoffen, dass es jetzt endlich um Inhalte geht, weniger um Geschichten und Anekdoten. Dafür hat es Stadtschreiber-innen und Salto.

Fr., 26.11.2021 - 09:16 Permalink
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Marta Treibenreif Fr., 26.11.2021 - 13:35

Antwort auf von △rtim post

Dem Stil nach, würde ich sagen der Kommentar ist von Herrn Mitterhofer, aber er ist von Herrn RITM.
Zu den Sachthemen:
1. Sachthema Verkehrspolitik: noch bevor ein Gemeindeausschuss gewählt ist, Bestimmungen aus dem Verkehrskonzept über den Haufen zu werfen ohne mit den Bürgern zu reden, halte ich für Zeichen von Mangel an Bürgernähe und Dialogbereitschaft mit von Maßnahmen Betroffenen. Wenn man bedenkt, dass etwas über 100 Anrainer acht Jahre lang für die Verkehrsberuhigung gekämpft hatten, diese von der grünen Stadtregierung endlich bekommen hatten und jetzt von der neuen Stadtregierung regelrecht überfahren wurden, da muss man uns erst noch sachlich erklären was der Bürgermeister mit Dialogbereitschaft meint.
2. Sachthema Sozialpolitik: Obdachlose bei Beginn der Kälte vom Untermaiser Bahnhof zu vertreiben, ohne eine Alternative anzubieten, halte ich für eine inhumane, populistische Aktion.

Fr., 26.11.2021 - 13:35 Permalink
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Josef Ruffa Fr., 26.11.2021 - 14:20

E´interessante il passaggio del Signor Cavagna quando dice "gli elettori non avrebbero capito, perchè ancora non c'è maturità". Penso non ci sia altro da aggiungere.

Fr., 26.11.2021 - 14:20 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Ruffa
Josef Ruffa Fr., 26.11.2021 - 17:31

Schon interessant was Herr Cavagna sagt "gli elettori non avrebbero capito, perchè ancora non c'è maturità". Auf jeden Fall erkennt man in dieser Geschichte, dass es nur um Macht geht, Eigeninteressen und das Wohl der "res publica" interessiert niemand. Also nicht wundern, wenn immer weniger Personen wählen gehen. Vermutlich wundern sich aber diese Personen nicht, sondern lachen sich ins Fäustchen. Ab diese Rechnung immer aufgehen wird, wird sich mit der Zeit schon zeigen.

Fr., 26.11.2021 - 17:31 Permalink