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Sind Dolomitenleser dumm?

In der Dolomitenausgabe vom Freitag, 15. Mai 2015 versuchen die „Dolomiten“ das Ergebnis der Wahlen mittels Vorzugsstimmenanalyse zu einem Erfolg der SVP umzudeuten. Jedem politisch denkenden Menschen ist klar: so geht das nicht! Für wie dumm halten die Dolomiten-Redakteure ihre eigenen Leser? Ein Kommentar von
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Die zentrale These der Artikelserie in den Dolomiten vom 15.05.2015 lautet: Würden die Vorzugsstimmen der Kandidaten zählen und nicht die Listenstimmen der Parteien, dann hätte die SVP wesentlich mehr Gewählte in den Gemeindestuben sitzen als es der Fall ist. Als Beispiel sei der Artikel „Wenn Parteien nicht zählen …“ von Klaus Innerhofer zum Wahlergebnis in Meran zitiert:

„Doch wie sähe der Gemeinderat aus, würden nur die Stimmen für die Kandidaten zählen? […] Sepp Brunner, der erste Nichtgewählte bei der SVP, erreichte mehr Stimmen als der Zweitplatzierte auf der Liste Rösch/Grüne […] (Die) SVP hätte 13 Mandate und leichtes Spiel.“

Tatsächlich hat die SVP aber nur neun Sitze im Meraner Gemeinderat erreicht. Folgt man dem Rechenbeispiel von Klaus Innerhofer, dann ist für das miserable Abschneiden der SVP also nicht die Partei schuld, sondern ein ungerechtes Wahlsystems.

Ein Nachdenken über ein besseres Wahlsystem ist nie falsch und es gibt viele Modelle, die den Einfluss des Wählers auf das Wahlergebnis deutlich erhöhen. Als Beispiel sei das in der Schweiz und Süddeutschland praktizierte Panaschieren und Kumulieren erwähnt. (vgl. "Panaschieren und Kumulieren" auf Politis). Bei diesen Wahlsystemen kann der Wähler seine Vorzugsstimmen über mehrere Parteien verteilen oder demselben Kandidaten mehrere Vorzugsstimmen geben. Gerade bei Gemeinderatswahlen könnte dies eine interessante Alternative sein. Soweit kann man dem Gedankenspiel der Dolomitenredakteure noch folgen.

Als Redakteur sollte man die Intelligenz seiner Leser nicht unterschätzen

Danach begibt sich Klaus Innerhofer aber auf dünnes Eis: wenn man das Ergebnis eines Listenwahlrechtes so interpretiert, als sei es mit einem reinen Vorzugsstimmenwahlrecht zu Stande gekommen, dann verlässt man den Boden der seriösen Berichterstattung – auch wenn es sich nur um ein Gedankenspiel handelt. Glaubt Herr Innerhofer ernsthaft daran, dass ein anderes Wahlrecht das Vorzugsstimmenergebnis nicht erheblich verändert hätte? Hätte Paul Rösch in einer reinen Vorzugsstimmenwahl etwa nicht mehr Stimmen bekommen als Gerhard Gruber, wenn man den Bürgermeister unabhängig von der Partei hätte wählen können? Wie sieht es mit dem Stimmverhalten der italienischsprachigen Wähler Merans aus? Ist es nicht so, dass hier vor allem Listen und weniger Personen gewählt werden? Muss das in einem solchen Rechenbeispiel nicht auch berücksichtigt werden (vergleiche hierzu auch den Artikel von Jimmy Milanese zur Analyse des „voto italiano“)? Würde sich bei einem reinen Wahlrecht nach Vorzugsstimmen nicht auch das Verhalten der „Parteilistenwähler“ aller anderen Parteien notgedrungen ändern? Noch viele Fragen dieser Art müssten gestellt und von den Dolomitenredakteuren beantwortet werden.

In meinem Bekanntenkreis haben die Artikel von Herrn Innerhofer und seinen Kollegen jedenfalls Kopfschütteln ausgelöst. Einige fühlten sich durch die fragwürdige Interpretation der Zahlen vor den Kopf gestoßen und für dumm verkauft. Als Zeitungsredakteur sollte man die Intelligenz seiner Leser niemals unterschätzen – das geht auf Dauer nicht gut.

Am selben Tag, auf derselben Seite findet sich ein weiterer fragwürdiger Artikel in dem „Dreck“ gegen die Grüne Christina Kury geworfen wird. Ein schlechter Zeitungstag für die Dolomiten: sie wandelt sich immer mehr vom „Tagblatt der Südtiroler“ weg - hin zum „Tagblatt der SVP-Wähler“, während die SVP immer mehr den Anspruch verliert die „Rechte der deutschsprachigen Südtiroler“ zu vertreten (Zitat: Luis Walcher). Ein Strudel in dem sich zwei Verzweifelte eng umschlungen in den Abgrund ziehen.

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Sebastian Felderer Mo., 18.05.2015 - 15:59

..... und noch eine Überlegung: Würde auch bei den Parlamentswahlen nach Vorzugsstimmen ausgezählt, dann würden bisher wenige SVP-Kandidaten den Weg in den Senat gefunden haben. Und richtig: Würde nach Intelligenz ausgezählt ...... aber lassen wir die beiden "Umschlungenen" ruhig ihrem Schicksal über. Was letztlich zählt, ist die Intelligenz des Volkes.

Mo., 18.05.2015 - 15:59 Permalink
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Franz Linter Mo., 18.05.2015 - 23:57

Die Dolomiten lese ich eher sporadisch, weniger um mich zu informieren, mehr um die Zeitgenossen zu verstehen, die NUR die Athesia-Medien komsumieren. Deshalb meine ich, dass die Dolomitenleser nicht dumm, sondern allenfalls unverantwortlich sind, wenn sie ihre Entscheidungen nur aufgrund von Informationen aus einer Informationsquelle treffen.

Ein richtiges Aha-Erlebnis hatte ich anässlich der Volksabstimmung am 21.09.2014 in Brixen, als stol.it das Wahlergebnis noch am Abend kommentierte. (https://proaltvor.wordpress.com/2014/09/22/die-unheiligen-b/)

Sollte der Strudel tatsächlich kommen, so werden die Ebners nicht dabei sein, sie haben sich in Bereichen Energie, IT-Netze und Tourismus weitere Standbeine geschaffen.

Mo., 18.05.2015 - 23:57 Permalink