Politik | Referendum

Nach der Niederlage

Erster Auftritt der SVP nach dem Verfassungsreferendum. Eine Niederlage wird als Sieg gefeiert. Und Senator Karl Zeller sagt Italien eine “konfuse Phase” voraus.
SVP
Foto: SVP Mediendienst

Lauscht man am Montag Vormittag den Worten von Parteiobmann Philipp Achammer, entsteht der Eindruck, dass der SVP das No der Italiener zu Matteo Renzis Verfassungsreform nur aus einem einzigen Grund Leid tut: “Leider wurde uns die Chance nicht gegeben, das Einvernehmen zu nutzen, das mit der Reform hätte eingeführt werden sollen.” Die Schutzklausel, die dieses Einvernehmen zwischen Land und Staat bei Änderungen am Autonomiestatut vorsieht, war der einzige Grund gewesen, aus dem die SVP für ein Ja zur Verfassungsreform geworben hatte. Doch mit ihr ist nun auch die Schutzklausel vom Tisch. “Es wäre ein Qualitätssprung für Südtirol und unsere Autonomie gewesen”, ist Achammer überzeugt. Doch hier endet sein Bedauern dann auch.

Eine Niederlage, als Sieg gefeiert

Denn schließlich, und das scheint am Nachwahltag viel wichtiger, haben die Südtiroler Ja gesagt. Und das wird in der SVP gefeiert. Dort versteht man die 63,69 Prozent an Ja-Stimmen als Votum für die SVP. War man doch, gemeinsam mit dem Koalitionspartner PD, die einzige politische Kraft im Land gewesen, die sich offen für ein Ja stark gemacht hatte. “Das war ein Ja der Südtiroler zur Autonomie, wir verstehen es als Bestärkung unserer Linie und als Rückenwind, um in Rom auch weiterhin das Beste für Südtirol herauszuholen”, bringt es Achammer auf den Punkt. Auch Landeshauptmann Arno Kompatscher, der nach dem Parteiobmann das Wort ergreift, deutet die hohe Beteiligung am Referendum in Südtirol (67,41 Prozent) und das klare Ergebnis als einen “großen Vertrauensbeweis für die Arbeit der Südtiroler Landesregierung und Parlamentarier in Rom” und ein “klares Zeichen für die Südtirol-Autonomie”.

“Das hervorragende Ergebnis in den vornehmlich deutschsprachigen Gemeinden zeigt: Wir haben Zustimmung über unsere traditionelle Wählerschaft hinaus erhalten. Auch Oppositionswähler haben mit Ja gestimmt.”
(Arno Kompatscher)

“Der Gegenwind, den wir in den letzten Wochen und Monaten zu spüren bekommen haben, hat in Rückenwind für die Volkspartei und ihre Parteilinie umgeschlagen”, meint ein gut gelaunter Landeshauptmann, der mit Matteo Renzi nach seiner Rücktrittsankündigung bereits SMS-Kontakt hatte. Gemeinsam mit Achammer gibt Kompatscher am Montag ein Versprechen: “Wir werden weiter mit Beharrlichkeit und großem Einsatz daran arbeiten, unsere Autonomie in Rom zu verteidigen und auszubauen.”

Des Senators Szenario

Ob das Ergebnis hierzulande die Position Südtirols in Rom tatsächlich stärken wird, wie man in der SVP überzeugt ist, bleibt allerdings abzuwarten und hängt von den nächsten Entwicklungen in der italienischen Hauptstadt ab. Es ist Karl Zeller, der nach der Nabelschau und dem Selbstlob seiner Vorredner, die am Ende in einen Applaus für die eigene Arbeit gipfeln, von den Journalisten um eine Einschätzung gebeten wird. Was passiert jetzt in Rom? Was macht Matteo Renzi nach seinem Rücktritt? Und wer ist nun der Ansprechpartner für die SVP?

“Matteo Renzi wird die Flinte nicht ins Korn werfen, die Niederlage wird es ihm erleichtern, die nächsten Parlamentswahlen zu gewinnen”, sagt der SVP-Senator voraus. Denn es gebe derzeit keine großen Alternativen zu dem zurückgetretenen Premier, der jetzt Zeit habe, zu lernen und sich vorzubereiten. “Wahrscheinlich war es für seine politische Karriere sogar gut, dass er verloren hat und wir werden in einem Jahr vielleicht einen stärkeren Renzi denn je erleben”, mutmaßt Zeller. Als unmittelbare Folge des Nein-Sieges kämen auf Italien nun aber erstmal eine “konfuse Phase” und “harte Zeiten” zu, so der Senator weiter. Bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes wird Renzi im Amt bleiben, dann wird Staatspräsident Sergio Mattarella aller Voraussicht nach einen neuen Ministerpräsidenten ernennen. Gut im Rennen ist derzeit Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan. Für Zeller könnten es aber auch Kulturminister Dario Franceschini oder Transportminister Graziano Delrio werden – “je nachdem wie die Märkte auf das Ergebnis des Referendums reagieren”. Bei anhaltenden Turbulenzen sei der erfahrene Padoan sicher von Vorteil; kehrt aber rasch Beruhigung ein, kämen auch Franceschini oder Delrio als Nachfolger von Matteo Renzi infrage.

“Die Wähler wollten keine Klarheit – das haben sie jetzt.”
(Karl Zeller)

Vorgezogene Neuwahlen mit dem aktuellen Wahlgesetz  als Alternative zu einer Übergangsregierung stehen außer Frage – zumindest für Karl Zeller: “Das Italicum funktioniert nicht, es muss geändert werden. Das wird in den kommenden Monaten die Aufgabe des Parlaments sein.” Vor allem im Senat zeichnen sich angesichts der großen politischen Zersplitterung Schwierigkeiten bei der Wahlrechtsreform ab. “Es könnte möglich sein, dass man sich auf die Rückkehr zum Verhältniswahlrecht als Kompromiss einigt”, vermutet Zeller. Mehr Spielraum sieht er angesichts der politischen Kräfteverhältnisse und der Rückkehr von Silvio Berlusconi auf die politische Bühne nicht: “Berlusconi will keinen Mehrheitsbonus.” Durch einen solchen würden jedoch stabile Verhältnisse und klare Mehrheiten garantiert, die die Regierbarkeit des Landes gewährleisten würden. Doch im Senat ist der PD auf die Stimmen aus den Reihen von Mitte-Rechts und Berlusconis Forza Italia angewiesen.

Frühestens nach einer Wahlrechtsreform, spätestens aber Anfang 2018 finden dann Neuwahlen statt. Als naheliegenden Wahltermin stellt Zeller Februar 2018 in den Raum – “außer es passiert ein Wunder und man findet rascher als erwartet einen Kompromiss bei der Reform des Wahlgesetzes”. Die große Frage bleibt also, ob bei zu den offiziellen Parlamentswahlen 2018 noch mit dem alten Wahlsystem gewählt wird oder bereits nach neuen Regeln. “Alles ist möglich”, sagt Zeller.