Umwelt | WRRL

Strangulierte Bäche

Rückhaltebecken und -Sperren bringen den Materialtransport in Bächen zum Erliegen. Landtagsabgeordnete äußerten sich kritisch zu Mega-Rückhaltebecken.
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Bäche werden von Rückhaltebecken und Rückhaltesperren unterbrochen. Diese Bauten dienen dem Hochwasserschutz und halten Material zurück. Der Feststoffhaushalt der Gewässer wird durch den Bau von Rückhaltebecken beeinflusst und gestört. Sand,Schotter, Totholz usw. wird nicht weitertransportiert, sondern landet in Rückhaltebecken. Die bachbettprägenden Umlagerungen von Sand, Kies und Geröll kommen durch solche Stauungen zum Erliegen und damit verschwindet die Dynamik, welche für die Ausbildung von natürlichen Gewässerlebensräumen, wie Schotterbänken, notwendig ist. Das Defizit an Feststoffen kann der Fluss oft nur durch eine Materialaufnahme aus der Sohle ausgleichen, wodurch sich Flüsse auch in die Tiefe graben. Der Rhein, die Isar oder die Elbe in Deutschland oder die Donau in Österreich haben sich in machen Gewässerabschnitten bis zu 8m in die Tiefe eingegraben und auch in Südtiroler Bächen kommt es zur Tiefenerosion der Bachsohle. Der Trend der weiteren Eintiefung hält in den verbauten Fließgewässern weiter an und eine Trendumkehr ist nicht zu erwarten, nicht zuletzt deshalb, weil immer mehr Rückhaltebecken gebaut werden.

Kurz und allgemein- WRRL und Hydromorphologie https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/fluesse#textpart-5

Zwei Rückhaltebecken wurden im Landtag thematisiert, von den Freiheitlichen und den Grünen. Pius Leitner, Vahrner Bürger und vertraut mit dem Schaldererbach und der Dynmik des Naturdenkmals Schalder Bach, machte in einer Landtagsanfrage aufmerksam: “Im kommenden Jahr (heuer) soll am Schalderer Bach ein Mega-Rückhaltebecken errichtet werden. Dieses ist Teil von Verbauungsmaßnahmen zum Schutz vor Hochwasser. Nachdem ein Vertreter des Amtes für Wildbach- und Lawinenverbauung letzthin ein erstes Projekt dem Gemeinderat von Vahrn vorgestellt hat, scheiden sich die Geister, ob das Projekt in diesem Ausmaß notwendig ist oder ob auch ein geringerer Eingriff ausreicht. Auf jeden Fall sollten die Bedenken bei der Erstellung des endgültigen, von der EU finanzierten Projektes berücksichtigt werden. Wenn auch die Sicherheit im Vordergrund steht, so sollte das Projekt doch auch umweltverträglich und angemessen sein.” In der Antwort von Landesrat Schuler werden ländschaftsästhetische Verbesserungen erwähnt. So sollen Fugen der Zyklopenmauern mit Weiden bepflanzt werden und Stahlbetonoberflächen getarnt werden. Neben der Tarnung der Stahlbetonoberflächen werden auch Amphibienteiche angelegt und die Durchgängigkeit für Fische berücksichtigt. Der Bau des Rückhaltebeckens ”ist aber nicht Gegenstand von politischen Verhandlungen, sondern es handelt sich um technische Vorschläge, die umzusetzen sind. Insgesamt geht es um eine Reduzierung der hydraulischen Gefahr, wobei von dieser momentanen Gefahrensituation 577 Personen betroffen sind, davon 202 Anrainer und 375 Beschäftigte”, wird erwidert. In der Antwort wird auch auf den Flussgebietsplan mittlerer Eisack verwiesen, in welchem aber offensichtlich nicht der Erhalt der Dynamik der Gewässer, insbesondere des Feststofftransportes, Beachtung findet. “ Man versucht wirklich, die Verbauungen so naturnah wie möglich vorzunehmen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht vermeiden, auch manchmal Maßnahmen zu setzen, die vielleicht nicht allen gefallen, der Effizienz halber aber notwendig sind.” wird denjenigen, denen das Rückhaltebecken nicht gefällt, geantwortet. Der Bau des Rückhaltebeckens wird heuer beginnen, obwohl der Schalderer Bach ein Zufluss des Eisack ist, welcher mit dem Projekt “StadtLandFluss” bzw. den Flussgebietsplan Mittlerer Eisack Gegenstand der Wasserahmenrichtlinie in Südtirol ist (Verbesserungsgebot der WRRL) und obwohl der Schalderer Bach im Gewässerschutzplan als besonders sensibles Gewässer ausgewiesen ist:

  1. als Gewässer mit hoher naturkundlicher Bedeutung,
  2. als Gewässer, die zur Neubildung von Grundwasser beitragen, welches aufgrund seiner Qualität und Quantität für die Trinkwasserversorgung geeignet sind,
  3. Gewässer mit sehr gutem ökologischem Zustand bzw. Ziel
  4. als Gewässer in einem Gebiet mit landschaftlicher Unterschutzstellung

Trotz dieser im Gewässerschutzplan festgestellten Wertigkeit des Baches ist der Bau des Mega-Rückhaltebeckens nicht verhandelbar,- kein Bach ist vor der Wildbachverbauung sicher, auch kein Naturdenkmal.

Hans Heiss von den Grünen machte ebenfalls auf Mega-Rückhaltebecken und die negativen landschaftsästhetischen Eingriffe in einer Landtagsanfrage aufmerksam: “Die vor nunmehr Jahren gestartete „Initiative ProDrau“ im Drau-Einzugsgebiet von Innichen, Sexten und Toblach setzt Maßnahmen zur Sicherung des Lebens- und Wirtschaftsraums, über die jüngst Zwischenbilanz gezogen wurde. Neben der Revitalisierung und Pflege der Flussränder haben der Bau der Rückhaltebecken am Walder- und Kirchbergbach bergseits von Winnebach durch die Abt. Wasserschutzbauten mit 140 m Breite und 13 m Höhe unbeschadet ihrer Sicherungsfunktion gegen Geschiebemobilisierung auch für Kritik gesorgt: als massiver Landschaftseingriff, den Anwohner, Naturschützer und vormals aktive Experten in dieser Größenordnung nicht billigen. Die im Endausbau mit ca. 1,6 Mio. € veranschlagte Maßnahme wird zwar aus EFRE-Mitteln finanziert, es fragt sich aber, ob die Dimensionierung des Beckens in dieser Form wirklich notwendig ist. Auch kleinere Maßnahmen eignen sich nach Ansicht von Fachleuten dazu, die Gefahr eines 100- oder auch 300-jährigen Hochwassers einzudämmen und die Gefahrenzonen zu reduzieren.”

Demgegenüber erklären die verantwortlichen Baumeister: “Die Errichtung eines Rückhaltebauwerkes (punktuelle Maßnahme) stellte sich als die wirtschaftlichste, umweltverträglichste, effektivste und arbeitstechnisch sicherste Lösung heraus. Tatsache ist, dass Dank der durchgeführten Verbauung, die Gemeinde Innichen nun die Anpassung des noch nicht genehmigten Gefahrenzonenplanes einleiten kann, welche zur Folge eine Reduzierung der Gefahrenzonen haben wird,” Auf Zusammenhänge mit dem Feststofftransport und auf Auswirkungen auf die Drau, an welcher im Rahmen der Wasserahmenrichtlinie die “Initiave Pro Drau” ins Leben gerufen wurde, findet keine weitere Beachtung.

Während diese beiden Rückhaltebecken von Landtagsabgeordneten thematisiert wurden, wurde das Rückhaltebecken am Hirschbrunnbach in der Gemeinde Bruneck ohne irgendwelche Kritik gebaut. In der Gemeinde Vahrn setzten sich Gemeinderäte für den Erhalt des Baches ein, in Bruneck nicht. Dort entstand ein überdimensioniertes Rückhaltebecken, das sagar Äcker vor Jahrhunderthochwässern schützt. Es gab zwei Varianten, eine kleine Variante, bei der Wiesen und Äcker von etwaigen Jahrhundertereignissen betroffen gewesen wären. Das heutige Becken schützt sogar Wiesen und Äcker vor Jahrhundertereignissen und nicht nur bewohnte Gebiete, es kann daher als überdimensioniert bezeichnet werden.

In Südtirol werden Rückhaltebecken gebaut, ohne Berücksichtigung des öklogischen Zustands der Gewässer und die Auswirkungen auf das Ökosystem Fließgewässer. Einzig bei Bauten, die Auswirkungen auf das Geschieberegime des Einzugsgebietes der Etsch in den Nachbarprovinzen haben, wurde von der Landesregierung 2010 beschlossen:” Für den Fall, dass sich Wasserschutzbauten, welche von der Autonomen Provinz Bozen errichtet werden und bedeutende Auswirkungen auf das Regime der Gewässer im Gebiet der Autonomen Provinz Trient und der Region Veneto haben, beantragen letztere, dass ein Gutachten vonseiten derselben eingeholt werden muss;”

Links:

Schuler besucht die ungetarnte Stahlbetonmauer des kleinen Winnebachs:

http://www.provincia.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=464938

Brixen, Wasserrahmenrichtlinie:

http://www.provinz.bz.it/wasserschutzbauten/service/807.asp