Gesellschaft | Transport&Begleitung

Stotternder Dienst

Wie sieht es bei Tundo spa tatsächlich aus? “Alles ok”, sagt ein Teil der Angestellten. “Blödsinn”, kontert der SGBCisl. Und eine Mutter spricht von einer “Schweinerei”.
Tundo
Foto: tundovincenzospa.it

Es ist eine ungewöhnliche Aktion, die kurz vor Mittag am Mazziniplatz in Bozen stattfindet. Vor dem Sitz der RAI marschieren am Dienstag Angestellte der Firma Tundo auf. Sie protestieren. Doch nicht etwa gegen den Arbeitgeber, sondern ihr Ärger richtet sich gegen die Gewerkschaften. Die Medien hatten vergangene Woche über die Kritik des SGBCisl an Tundo berichtet. Das Unternehmen mit Sitz in Lecce versieht seit Herbst 2014 den Fahrt- und Begleitdienst für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. “Und der wird immer schlechter”, sagt Günther Patscheider vom SGBCisl. Stimmt nicht, entgegnen die Tundo-Angestellten am Mazziniplatz. Der Dienst funktioniere, “Herr Tundo” mache seine Arbeit “super”. Und die Gewerkschaft wolle nur böses Blut machen, verbreite Falschaussagen, die von “einigen wenigen Angestellten” in die Welt gesetzt würden. Doch wer beim Gewerkschafter Patscheider nachfragt, erntet ein müdes Lächeln: “Blödsinn! Die Probleme sind real und sie existieren nicht erst seit heute. Das können Ihnen viele andere bestätigen.” Und es sind nicht nur Angestellte, die Kritik an der Firma äußern. Eine Mutter, deren Kind auf den Begleitdienst von Tundo angewiesen ist, spricht von einer “Schweinerei”, wirft dem Unternehmen vor, unseriös zu arbeiten.

 

Das Kreuz mit dem Gehalt

Die Vorgeschichte ist bekannt: Drei Jahrzehnte lang hatte eine Bietergemeinschaft von Lebenshilfe und Arbeitsgemeinschaft für Behinderte den Transport- und Begleitdienst für Kinder und Jugendliche mit Behinderung in Südtirol versehen. Bis 2014 der Auftrag an Tundo spa ging. Das apulische Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben italienweit über 900 Angestellte, 188 davon in Südtirol – und war die kostengünstigere Variante zu Lebenshilfe und Arbeitsgemeinschaft.
Am Montag eilt Firmenchef Vincenzo Tundo höchstpersönlich nach Bozen. Über die Medien habe er das Rumoren aus Südtirol vernommen, berichtet Brigitte Stolz. Sie fährt selbst für Tundo, ist als Ansprechperson der Firma für das Einzugsgebiet Eisacktal zuständig und eine derjenigen, die sich nach dem Protest vor der RAI am Dienstag auch an salto.bz wenden. Stolz verteidigt ihren Arbeitgeber, dem von der Gewerkschaft Zahlungsrückstände bei Gehalt und Lieferanten, organisatorische Probleme und hygienische Mängel vorgeworfen werden. Die Arbeit laufe problemlos, werde “pünktlich und sauber” gemacht, so Stolz zu salto.bz. Und was ist mit den Zahlung der Gehälter, auf die laut Aussagen der Gewerkschafter etwa 60 Mitarbeiter seit September warten? “Im Vertrag steht klar drin, dass der Lohn innerhalb des 20. des Folgemonats ausgezahlt wird”, unterstreicht Stolz.

Abgesehen davon, dass diese Regelung eine “Absurdität” sei, hätten viele “bis heute (7. November, Anm.d.Red.) kein Gehalt bekommen”, hält Günther Patscheider fest. Am Montag Abend hat sich Firmenchef Tundo bei den Angestellten, die er zu einer Versammlung gebeten hatte, für die ausständigen Zahlungen entschuldigt. Es habe “unvorhersehbare Schwierigkeiten in der Buchhaltung” gegeben. Doch die verzögerten Lohnzahlungen seien nicht zum ersten Mal ein Grund für Beschwerden vieler Angestellten bei seiner Gewerkschaft gewesen, erklärt Patscheider: “Jedes Mal wird eine andere Ausrede gefunden.” “Das akzeptiere ich nicht”, sagt einer der Angestellten, die am Montag bei der Aussprache mit Tundo anwesend war – während Brigitte Stolz Verständnis für den Großunternehmer aus Süditalien zeigt. “Ich kenne viele, Angestellte und Eltern, die mit dem Service überaus zufrieden sind.”

 

Die Schlaglöcher

Die Mutter, mit der salto.bz am Dienstag Vormittag spricht, gehört nicht dazu. Seit Tundo den Dienst von der Lebenshilfe und der Arbeitsgemeinschaft für Behinderte übernommen habe, hat sie sich mehrmals beschwert. Die Personen, die Tundo geschickt habe, um ihr Kind in den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule zu begleiten, seien durch die Bank unprofessionell gewesen. “Es darf nicht sein, dass jemand, der einen so sensiblen Dienst versieht, keine Ahnung hat, wie man mit Menschen mit Beeinträchtigung umgeht”, empört sich die Mutter. Auch bei den Deutschkenntnissen der Angestellten hapere es gewaltig: “Viele sprechen kein Wort Deutsch.” Nach hartnäckigem Intervenieren ihrerseits und nachdem die Begleitperson mehrmals ausgetauscht worden war, ist sie heute zufrieden mit dem Dienst von Tundo. “Jetzt passt es, weil ich Glück hatte und über Jahre hinweg bei Tundo und beim Amt für Schulfürsorge insistiert habe. Aber ich weiß von anderen, die ihre Kinder lieber selbst fahren.”

Zig Geschichten von unzufriedenen Eltern und Mitarbeitern könne auch er erzählen, gesteht Günther Patscheider. “Jeden Tag gehen bei uns Anrufe ein, aus dem ganzen Land. Streikdrohungen stehen im Raum”, verrät der SGBCisl-Gewerkschafter. Und so gehe das nicht erst seit gestern. Ihn verwundere es nicht, dass einige Tundo-Angestellte sich nun vor ihren Chef stellten: “Das ist nichts Neues, immer wieder gibt es solche Personen, die zur Verteidigung vorgeschickt werden sobald Gewerkschaften versuchen, Tätigkeiten aufzubauen.” Für ihn steht fest: “Anders als von diesen Leuten, die auf dem Mazziniplatz aufmarschiert sind behauptet, vertreten sie sicher nicht die Mehrheit der Tundo-Angestellten.” Darüber hinaus seien “alle Kritikpunkte, die wir vorgebracht haben, wahr und wir können sie belegen.” So sei nach den Schneefällen Sonntag Nacht der Fahrtdienst in einigen Gebieten ausgefallen, weil die Fahrzeuge von Tundo keine Winterreifen hätten. “Das darf nicht sein!”, schüttelt Patscheider den Kopf.

 

Was bringt 2018?

Dass es “anfangs gehapert” habe, weist Brigitte Stolz nicht von der Hand. Doch man habe bei Tundo auf Beschwerden reagiert und wolle auch intern einiges neu organisieren. Die Kritik an Tundo führt Stolz auch darauf zurück, dass das Unternehmen aus Süditalien stamme. “Dabei arbeitet Tundo um einiges günstiger als die vorherigen Dienstleister”, gibt sie zu bedenken. Doch was nützt der günstigste Preis – mit dem lokale Unternehmen ohnehin “niemals mithalten” könnten, so Patscheider –, wenn der Dienst dann immer wieder in der Kritik steht? 2018 läuft der Auftrag für Tundo aus, der Fahrt- und Begleitdienst für Kinder und Jugendliche mit Behinderung wird neu vergeben. Bei den Gewerkschaften ist man derzeit dabei, die Spielräume des neuen Landesvergabegesetz, das seit Jänner 2016 in Kraft ist, auszuloten. “Der Begleitdienst muss überhaupt nicht ausgeschrieben werden und auch beim Transportdienst muss erst geschaut werden, ob er überhaupt ausgeschrieben werden muss, weil es sich dabei um einen Sondertransport handelt”, führt Patscheider aus. Unabhängig davon brauche es “in erster Linie andere Gewichtungen bei den Vergabekriterien”, steht für den Gewerkschafter fest. Und es gelte zu bedenken, dass lokale Unternehmen “mehr Garantien” geben könnten. “Aber das soll nicht heißen”, will Patscheider klarstellen, “dass ich etwas gegen auswärtige Dienstleister habe”. Die Qualität müsse passen.

Für die zuständigen Ämter könnte sich ein Blick ins Trentino lohnen. Bei der heurigen Ausschreibung des Schulbus-Dienstes legte die Provinz Trient unter anderem eine Mindesterfahrung des Unternehmens beim Befahren von Bergstraßen als Kriterium für die Vergabe fest. Wer diese Voraussetzung nicht erfüllen kann, bleibt außen vor. Wie Tundo spa, die bisher erfolglos gegen die Trientner Regelung vorgegangen war.