Economia | Corona-Krise

Wie geht es weiter?

Die letzten Wochen haben gezeigt: Harte Lockdowns können der Ausbreitung von Infektionen entgegenwirken. Ein Interview mit Alfred Ebner.
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Social Distancing
Foto: Social Distancing Pixabay

Mit dem Virus zu leben, ist nicht leicht. Aber irgendwann wird dies unvermeidlich sein?

Alfred Ebner: „Zweifelsfrei. Den Schutz der Gesundheit und die wirtschaftlichen Interessen mit geringen Einschränkungen zu vereinbaren, ist bisher nicht gelungen. Eiserne Disziplin wäre die Voraussetzung, aber es gibt zu viele Menschen, die die Gefahr unterschätzen oder leugnen. Innerhalb der Familien ist es zudem schwierig, strenge Präventivmaßnahmen einzuhalten. Ich bin aber zuversichtlich, dass mit dem Beginn des warmen Wetters und mit einer gelungenen Impfkampagne langsam wieder eine Rückkehr zu einem normalen Leben möglich sein wird.“

Also ist eine Entspannung der Lage in Sicht.

„Im Gesundheitsbereich sicher. Aber wir müssen auch darüber nachdenken, wie die Welt nachher aussehen wird. Nach der Pandemie ist nicht vor der Pandemie. So wird die Spaltung zwischen Nord und Süd zunehmen. Während wir einige Reserven haben, werden Armut und Hunger in vielen Teilen der Welt zunehmen. Darüber hinaus zeichnet sich bei den Impfungen eine Diskriminierung der Dritten Welt ab. Der Druck auf unsere Grenzen dürfte deshalb wieder zunehmen“.

Wie beurteilen Sie die Lage in Südtirol?

„Auch auf lokaler Ebene befinden sich viele Wirtschaftszweige in einer Krise. Ein klassisches Beispiel ist der Tourismus, der den ganzen Winter über stillgestanden ist. Das verarbeitende Gewerbe und das Handwerk sind weniger betroffen, während der Handel irgendwo dazwischenliegt, mit Sektoren, die stark betroffen sind und anderen, die nicht so stark gelitten haben. Wie viele Betriebe schließen und was mit dem Arbeitsmarkt nach dem Entlassungsstopp passiert, ist schwer zu beurteilen, da die Antworten von der Dauer dieses Notstandes und von der globalen wirtschaftlichen Entwicklung danach abhängen. Es wird aber sicherlich Entlassungen geben“.

Keine guten Aussichten …

„Eine bestimmte Anzahl an Entlassungen ist unvermeidbar. Aufgrund von Betriebsschließungen, Auslaufen von Aufträgen, Umstrukturierungen usw. gibt es jährlich immer eine bestimmte Zahl an Entlassungen. 2020 war diese Zahl aufgrund des Entlassungsstopps mehr als halbiert. Nach der Aufhebung des Entlassungsstopps wird sich dies einpendeln, und die Rückkehr zur „Normalität“ wird auch Entlassungen mit sich bringen. Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze durch Covid19 verloren gehen werden, ist schwer abzuschätzen. Viele ehemals befristet Angestellte sind bereits jetzt ohne Arbeit und sicherlich wird noch einiges dazukommen. Zu den zu erwartenden wirtschaftlichen Problemen der Betriebe kommt noch die Notwendigkeit von Umstrukturierungen hinzu.

Trotzdem ist es wichtig, schnell aktiv zu werden, um gegenzusteuern zu können.

„Südtirol ist im Bereich Arbeitsmarktservice schwach aufgestellt. Die Beratungstätigkeiten für ArbeitnehmerInnen und die Beurteilung der Kompetenzen vor einer Umschulung sind eine Grundvoraussetzung für eine effiziente Arbeitsvermittlung. Ein konstantes Monitoring des Arbeitsmarkts ist wichtig, um nicht am Arbeitsmarkt vorbeizuplanen. Gezielte Ausbildungsmaßnahmen sind für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt unerlässlich. Die Arbeitsvermittlung muss als Schnittstelle zwischen Arbeitsangebot und Nachfrage effizient ausgebaut werden. Eine Personalaufstockung und eine spezifische Ausbildung der Berater in diesem Bereich sind unerlässlich“.

Sie vertreten die Rentner in Südtirol. Sind sie besorgt?

„Die Renten sind derzeit zwar nicht bedroht, aber ein stark rückläufiger Arbeitsmarkt könnte in Zukunft die Diskussionen wieder anfachen, ob die Renten in der nächsten Zukunft noch finanzierbar sind“.

Also alles im grünen Bereich für die Senioren?

„Sorgen bereitet mir die Gefahr einer steigenden Inflation. Die EZB hat die Finanzmärkte mit viel Liquidität und niedrigen Zinsen geflutet, um die Realwirtschaft zu stützen. Auch die Ersparnisse der Menschen sind gestiegen. Sobald der Notstand vorbei ist, wird der Wunsch nach Urlaub, Freizeit und Konsum steigen. Bleibt die Frage, ob das Angebot an Waren und Diensten aufgrund der angeschlagenen Wirtschaft der Nachfrage gerecht wird. Eine hohe Nachfrage und ein begrenztes Angebot dürften aber die Preise in die Höhe treiben. Es gilt daher eine heikle Phase zu bewältigen, die gut gemanagt werden muss“.

Wird ein leichter Anstieg der Inflation nicht von der EZB seit Jahren angemahnt.

„In normalen Zeiten wäre dies sicherlich erstrebenswert. Da dies aber zu Zinserhöhungen führen könnte, hätte dies negative Auswirkungen für diejenigen, die stark verschuldet sind. Die Finanzkrise von 2009 sollte eine Lehre sein. Auch würde eine zu hohe Inflation die reale Kaufkraft der Arbeitnehmer und Rentner stark verringern. Während die Arbeitswelt das Instrument des Tarifvertrags zur Verfügung hat, um die Inflation auszugleichen, sind die Mechanismen zur Aufwertung der Renten unzureichend. Ein Problem, das wir seit Jahren zu lösen versuchen. Eine Gewissheit bleibt: Die Rolle der Gewerkschaft muss gestärkt werden. Wir können den Wiederaufbau nicht allein anderen überlassen. In diesem Fall würden die Sonderinteressen überwiegen. Nur durch eine stärkere Vertretung der Interessen der Arbeiterschaft und der Rentner wird es möglich sein, neue Ungleichheiten zu verhindern, damit die Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch größer wird“.