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“Einfach wegklicken geht nicht”

ff-News statt Fake News sollen die Menschen im Land lesen – Manuel Saxl erklärt, warum er als neuer Miteigentümer und baldiger ff-Direktor davon felsenfest überzeugt ist.
Manuel Saxl
Foto: Salto.bz

Nun ist er offiziell im Besitz von 30 Prozent des ff-Verlags. Mit 1. Juli, also seit gestern, hat Manuel Saxl den bisherigen Miteigentümer Kurt W. Zimmermann als Miteigentümer abgelöst. In Kürze wird der 23-Jährige Brixner auch den Posten des verantwortlichen Direktors bei “Südtirols wichtigstem Wochemagazin”, so die Eigenbezeichnung. 1980 wurde die ff gegründet, 37 Jahre später steht sie neuen Herausforderungen gegenüber – mit einem jungen Gesicht an der Spitze.

salto.bz: Herr Saxl, die offizielle Nachricht kam am 23. Juni. Welche Reaktionen hat es seither gegeben?
Manuel Saxl: Überwiegend positive. Das hat mich schon überrascht. Aber vielleicht werden auch nur die positiven Reaktionen an mich herangetragen.

Warum sollte man sich nicht mit Ihnen oder für Sie freuen?
Die Reaktionen reichen von “Wow, cool, dass sich ein junger Mensch traut”, “mutig” und “viel Glück” bis hin zu “Vatersöhnchen”. Mir schlägt also auch eine gewisse Skepsis entgegen. Aber in dem Moment, in dem ich die Entscheidung gefällt habe, habe ich mit solchen Sprüchen gerechnet. In Südtirol ist es nicht anders als anderswo auch, wir sind eine Neidgesellschaft.

Ich traue mir zu, das zu schaffen.

Der Neid könnte sich in Grenzen halten, wenn man bedenkt, dass Sie in eine Branche investieren, die von vielen bereits totgesagt wurde. Wie zeitgemäß ist ein Wochenmagazin noch?
Ich bin überzeugt davon, dass ein solches Medium notwendiger denn je ist. Im Gegensatz zu Tageszeitungen, die sich in Zukunft noch schwerer tun werden, bieten wir mehr als die reine Nachricht. Bei uns findet man Hintergrundinformationen: Warum? Wer? Wie? Guter Journalismus ist in einer demokratischen Gesellschaft und in Zeiten von Fake News enorm wichtig.

Wie sind Sie zum Journalismus gekommen?
Das war gegen Ende meiner Oberschulzeit. Ich habe, ganz klassisch, bei der Schülerzeitung angefangen. Das Schreiben hat mir schon immer gefallen und in jenen Jahren habe ich gemerkt, dass mich Journalismus interessiert. Damals habe ich auch begonnen, mich mit den verschiedenen Zeitungen im Land zu beschäftigen.

Ihre Erkenntnis?
Die Dolomiten hat mich über die Sportereignisse aufgeklärt – aber zu mehr war sie nicht zu gebrauchen. Irgendwann habe ich die ff entdeckt. Und nach der Matura hat sich dort ein Praktikum ergeben.

Hat es gleich gefunkt?
Ursprünglich sollte ich zwei Wochen mitarbeiten. Daraus wurden vier – und schließlich eine regelmäßige Mitarbeit, auch nachdem ich mein Studium begonnen hatte. Und ich habe gemerkt: Das ist es. Ich habe mich schon nach kurzer Zeit als vollwertiges Redaktionsmitglied gefühlt dem Moment.

Trotz der positiven Erfahrungen haben Sie beschlossen, an die Uni zu gehen. Wollten Sie sich doch nicht zu sehr binden?
Ich hätte vielleicht die Möglichkeit gehabt, ohne Studium bei der ff anzufangen. Aber dort, rieten mir alle, vorher ein Studium abzuschließen. Seien wir ehrlich, als Journalist hat man es schwer, vor allem in Italien. Nach der Journalistenprüfung bekommt man vielleicht einen befristeten Arbeitsvertrag. Wer garantiert mir, dass dieser verlängert wird? Daher habe ich begonnen, Geschichte und Betriebswirtschaftslehre in Wien zu studieren. Geschichte studiere ich aus Interesse. BWL ist das Studium, das weniger Spaß macht. Aber es wappnet für die Zukunft.

Im Leben bekommt man nichts ohne ein Risiko einzugehen.

Stichwort Zukunft: Wohin soll die ff mit Manuel Saxl als Direktor und Co-Herausgeber gehen?
Mein Ziel ist es, das Potential der ff voll auszuschöpfen. Ich möchte, dass es jede Woche heißt: "Hast du das in der ff schon gelesen?" Die Leute sollen wieder schätzen, was eine gute Hintergrundberichterstattung bietet.

Welche Rolle spielt für Sie die Unabhängigkeit eines Journalisten, ja, eines Mediums?
Eine ganz entscheidende. Journalismus hat für mich nur eine Berechtigung, wenn man wirklich unabhängig etwas niederschreiben und veröffentlichen kann. Aber Unabhängigkeit alleine reicht nicht.

Nein?
Für mich müssen journalistischen Texte auch gehaltvoll sein: Wenn ich etwas nicht zu 100 Prozent genau weiß, schreibe ich die Geschichte nicht. Auch wenn es eine Hammer-Story wäre. Wenn ich mir nicht absolut sicher bin, warte ich lieber eine Woche – und nehme das Risiko auf mich, dass ein anderes Medium die Geschichte bringt.

Ein ehrenwerte Einstellung in Zeiten von Schnelllebigkeit und Fake News, in denen journalistische Prinzipien vielfach außer Acht gelassen werden.
Ich bin überzeugt, dass gerade in solchen Zeiten guter Journalismus zählt und es wichtig ist, das Geschriebene belegen zu können. Die so genannten Fake News funktionieren auch nur, weil sie häufig den Meinungen der Menschen entsprechen. Diese glauben und lesen natürlich lieber, was ihre persönliche Wahrnehmung bestätigt. Als Zeitung kann man aber nicht nur  über ein Thema schreiben, weil es der Leser gerne liest, oder weil er es sich erwartet. ff-Themen sind Themen, die für alle wichtig sind, egal ob 18 oder 76 Jahre alt. In Südtirol läuft es im Kleinen genauso wie anderswo auf der Welt. Es ist wichtig, dass das aufzeigt wird.

Wenn sich ein Leser während der Zeitungslektüre aufregt, bedeutet, dass er auf etwas aufmerksam geworden ist, das seinen Gemütszustand bewegt. Das ist gut so.

Die Leser mit unerwarteten und vielleicht auch unangenehmen Themen verstören?
Absolut. Genau das macht das Printmedium für mich zu einem gehaltvollen Medium: Ich kann nicht einfach wegklicken. Ich kann zwar weiterblättern, aber mir persönlich etwa passiert es, dass, wenn ich eine Zeitung zu Ende gelesen habe, auf Artikel, die ich nicht gelesen habe, zurückkomme. Von diesen Artikeln, die mich anfangs vielleicht nicht interessieren, lerne ich jedes Mal etwas. Im Wort “Zeitung”, steckt das wichtige Wort “Zeit”. Man sollte das in diesem Sinne wörtlich nehmen, und sich die Zeit nehmen, sich zu informieren. Es ist utopisch zu glauben, dass das jeder macht. Aber in einer Demokratie zu leben, bedeutet Arbeit. Und die Arbeit des Wählers ist es, sich zu informieren.

Das zu ermöglichen, ist die Aufgabe von Journalisten. Die haben es aber nicht immer einfach in einer Ära, in der sie und Medien allgemein mit großem Vertrauensverlust zu kämpfen haben…
Das Problem ist, dass viele die Arbeit der Journalisten pauschal diskreditieren, in Frage stellen. Journalisten arbeiten aber oft stunden- oder tagelang um etwas herauszufinden, zu verstehen. Jemand, der am Tag acht Stunden arbeitet, hat nicht dieselbe Möglichkeit und die gleichen Ressourcen, verschiedene Medien zu lesen und die Hintergründe zu einer Nachricht zu recherchieren. Die Glaubwürdigkeit kann man nur durch gute und qualitative Berichterstattung zurückgewinnen. Ich glaube, dass in den Menschen wieder eine gewisse Sensibilität geweckt werden muss. Damit sie verstehen, wozu es etwa ein Wochenmagazin braucht.

Nämlich?  
Ganz einfach: Um das zu korrigieren, was viele Leute durch tägliche Einflüsse mitbekommen. Facebook, Google & Co. schneiden Werbung und Inhalte auf den einzelnen User zu. Es entsteht die vielbeschworene Filterblase. Zu dieser braucht es ein Korrektiv.

Und hier liegt der gesellschaftliche Wert der ff?
Jeder kann sich natürlich über Soziale Medien informieren, sich austauschen und diskutieren – ich finde das ganz wichtig. Aber der Gehalt der Informationen, die eine seriöse Zeitung – und ich denke, die ff kann als seriös gelten – liefert, sollte nicht untergraben werden. Wir liefern objektive Berichterstattung, die auf Fakten basiert; die dem Leser die Freiheit lässt, zu sagen: Dem stimme ich zu oder dem stimme ich nicht zu. Die Fakten aber, die Grundlage eines jeden Artikels, sind “unverhandelbar”.

Ist es das, was die Menschen heute noch wollen – tiefer gehen, hinterfragen? Es ist doch einfacher, vorgefertigte Meinungen zu lesen.
Natürlich sähe es so mancher gerne, wenn in drei Zeilen klipp und klar steht, wer der Bösewicht ist und wer der Gute. Aber das macht doch keinen Sinn. Die Welt ist nicht einfach, sie ist nicht schwarz oder weiß, sondern komplex. Journalistische Schwarz-Weiß-Malerei ist daher weder seriös noch sinnvoll.

Dem Leser nach seinen Erwartungen schreiben ist nicht der richtige Weg.

Wann stand für Sie fest, dass Sie Kurt Zimmermans Anteile an der WZ Media GmbH und damit 30 Prozent an der ff übernehmen wollen?
Es war keine Entscheidung, die ich von heute auf morgen getroffen habe. Irgendwann Anfang, Mitte April habe ich sie gefällt. Ich habe Zimmermann angerufen und gefragt, ob ich noch ein Angebot abgeben kann. Er antwortete mir, dass ihm zwar schon zwei unterschriftsreife Angebote vorlägen, gab mir aber fünf Tage Zeit, um meines vorzulegen. Schließlich habe ich ihn überzeugen können, mir seine Anteile anzuvertrauen.

Welche Überlegung war bei Ihrer Entscheidung zentral?
Was wäre, wenn ich diese Chance jetzt nicht nutze? Werde ich es in fünf Jahren bereuen? Vermutlich, ja. Ich bin für mich zum Schluss gekommen, dass ich mir zutraue, das anzugehen. Und ich führe das Unternehmen ja nicht alleine. Der Geschäftsführer, Stefan Weber, ist seit 10 Jahren in diesem Business tätig und ich kann auf seine Erfahrung zurückgreifen.

Und dann ist da noch das eingespielte Redaktionsteam. Wie hat die Redaktion reagiert, als sie – vermutlich um einiges früher als die Öffentlichkeit – erfahren hat, wer an die Stelle von Kurt Zimmermann treten wird?
Ich habe mir bereits im Vorfeld die Unterstützung der Redaktion gesichert. Wir hatten von Anfang an stets ein gutes Verhältnis zueinander, sind in ständigem Kontakt, egal ob ich Wien oder in Südtirol bin. Vom ersten Tag an war es immer eine Begegnung auf Augenhöhe – obwohl ich Praktikant war. Hätte ich das Gefühl gehabt, keine Rückendeckung zu haben oder dass mich jemand nicht ernst nimmt beziehungsweise meine Autorität untergraben könnte, hätte ich diesen Schritt nie gemacht.

Stichwort Autorität: Wie werden Sie – vom Praktikant zum Direktor – mit Ihrer neuen Rolle umgehen?
Das Verhältnis zur Redaktion wird dasselbe bleiben – auf Augenhöhe. Was sich ändern wird, ist, dass ich bei gewissen Entscheidungen sicherlich eine andere Position vertreten werde als die Redaktion. Ich höre mir gerne andere Meinungen an, doch am Ende muss ich – beziehungsweise ich gemeinsam mit Stefan Weber – Entscheidungen im Sinne des gesamten Betriebs treffen. Das ist allen bewusst.

Was werden Sie ändern?
Es sind nur kleine Schrauben, an denen ich drehen werde. Sicher wird das ff-Logo nicht plötzlich blau. Es geht vielmehr darum, das, was gut läuft, besser zu machen. Und das, was nicht so gut läuft, zu verbessern.

Artikel, die über mehrere Seiten gehen, sollten nicht abschrecken. Jemand, der sich die Zeit nimmt, einen solchen Artikel durchzulesen, ist nachher ein bisschen besser informiert und vielleicht in einer Meinung oder Haltung bestärkt – oder hinterfragt sie.

Wie wird das gehen: Herausgeber, Direktor und Studium?
Ab Mitte September bis voraussichtlich Mitte Jänner bin ich in Bologna. Ich werde alle zwei Wochen nach Bozen kommen, wenn nötig auch häufiger. Wenn es Arbeit gibt, muss sie erledigt werden. Das habe ich so auch von zu Hause mitgekriegt.

Was machen Ihre Eltern?
Meine Mutter betreibt einen Tante-Emma-Laden, mein Vater führt einen Bodenleger-Betrieb.

Soweit bekannt geworden ist, haben sie Ihnen beim Kauf der ff-Anteile finanziell unter die Arme gegriffen?
Natürlich. Welche Bank gibt einem 23-jährigen Studenten für solch ein Unterfangen einen Kredit? Dazu noch einen ziemlich hohen. Vermutlich keine.

Über den Preis, den Sie für Zimmermanns Anteile bezahlt haben, ist offiziell nichts bekannt. Die Rede ist von 600.000 Euro. Wollen Sie dazu etwas sagen?
Da halte ich mich an mein Motto: Leben und reden lassen. Egal, wie hoch die Summe dann letztlich gewesen sein mag. Als Wirtschaftsstudent sehe ich eine Investition, mit der ich natürlich ein Risiko eingehe. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Diese Chance hat sich mir jetzt eröffnet und hat nicht gewartet, bis ich mit dem Studium fertig und ausgebildeter Journalist bin. Das wäre mir sicher gelegen gekommen. Aber, wenn ich auf alles warte, was ich im Leben gerne erreichen würde, dann werde ich wahrscheinlich mein Leben lang warten.

Werden Sie weiterhin in der ff zu lesen sein?
Keine einfach zu beantwortende Frage. Als Herausgeber und Direktor bin ich in einer Doppelfunktion unterwegs. Natürlich werde ich mich, wenn ich etwas zu sagen habe, mit Leitartikeln einbringen. Vielleicht auch in der Redaktion mithelfen, wenn es Unterstützung bei der Recherche braucht. Den Rest wird man sehen. Ich wollte immer etwas machen, wo ich am Ende des Tages sagen kann, etwas für mich Sinnvolles geleistet zu haben. Das ist Journalismus für mich.

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gorgias Dom, 07/02/2017 - 18:23

Ja die bösen Fakenews werden von den Printmedien gehyped damit die Leute vor dem Internet Angst bekommen. Doch die Trennung zwischen klassischen Medien und neuen Medien als Fakenewsgrenze zu sehen ist für einige bequem, doch nicht korrekt. Wer will findet in den Printmedien genug Fakenews. Siehe z.B. BILD oder auch bei uns gibt es genug Medien wo man sich fragt ob sie gewissen Schrott absichtlich verbreiten. Wer sich in einem Gebiet gut auskennt wird feststellen dass viele Journalisten oberflächlich und ignorant in diesem Gebiet sind und fragt sich wie das in anderen Gebieten in denen man sich nicht so gut auskennt so sein mag.

Oft ist es auch so dass es in den neuen Medien gute Analysen zu Beiträgen in den klassischen Medien gibt und deren Schwächen aufzeigen.

Es ist Fakenews, wenn man glauben machen will dass es in den Printmedien keine Fakenews gibt.

Das einzige was wirklich hilft ist sich breit und kritisch zu informieren. Und da spielen Printmedien eine immer geringer werdende Rolle.

Dom, 07/02/2017 - 18:23 Collegamento permanente