Cultura | Salto Gespräch

"Ich hätte Zahnarzt werden sollen"

Schauspieler Peter Simonischek war für Dreharbeiten zum Film "Crescendo" in Südtirol. Ein Gespräch über seinen Werdegang und seine Paraderollen. Und über Kunstgebisse.
peter simonischek
Foto: Foto: Oliver Oppitz

salto.bz: Sie bekommen im September den Schauspielerpreis für ihr Lebenswerk. Angefangen hat alles in Markt Hartmannsdorf, einer kleinen Gemeinde in der Oststeiermark…
Peter Simonischek: Nicht ganz. Mein Vater kam 1945 vom Krieg zurück, 1946 bin ich geboren. Bis zu meinem fünften Lebensjahr habe ich in Graz gelebt. Dann hat mein Vater, er war Zahnarzt, in Hartmannsdorf eine Praxis eröffnet. Er ist sein Leben lang dort geblieben.

Sie sind in einem zweisprachigen Kontext aufgewachsen? In der Steiermark gibt es ja, wie in Kärnten, eine Slowenische Minderheit…
Nein, bin ich nicht. Die Minderheit gibt es wohl in der Südsteiermark, um Bad Radkersburg. Dort ist das Grenzgebiet. Es gibt bei uns keine zweisprachigen Ortstafeln. Und es gab nie nennenswerte Konflikte, wie etwa in Kärnten. Ich erinnere mich beispielsweise an die Einweihung für einen Grenzjausentisch, einem großen runden Tisch, der zur Hälfte in Slowenien und zur anderen Hälfte in der Steiermark stand. Die Leute konnten sich dort treffen und trinken. Das erste Achterl in der Steiermark, das nächste Achterl in Slowenien.

Gute Idee…
In meiner Familie aber, da gibt es einen slowenischen Hintergrund, meine Vorfahren mütterlicherseits kommen aus Slovenske Konjice. Mein eigentlicher Nachname ist zudem Simonišek. Da die Leute immer Simonisek sagten, wurde später Simonischek mein Künstlername.

Ich habe damals auch Scherzzähne angefertigt, mindestens zehn Kunstgebisse. Für mich und andere Kollegen.

Wie hat Sie das kleine Hartmannsdorf geprägt?
Ich bin dort zur Volksschule gegangen. Als ich zehn war, wollten meine Eltern dass ich Matura mache. Aber am Land gab es diese Möglichkeit nicht. Ich kam ins Internat, nach Sankt Paul im Lavanttal. Von dort bin ich nach der Matura wieder zurück nach Graz, begann ein Architekturstudium.

Die Schauspielerei kam erst später?
Mein Vater war sehr unglücklich mit meinem Wunsch, Schauspieler zu werden. Ich hätte Zahnarzt werden sollen, wie er. Zum Glück habe ich eine 10 Jahre jüngere Schwester, die Zahnärztin geworden ist, die Praxis vom Vater übernommen und auch noch einen Zahnarzt geheiratet hat.  
Ich habe hingegen damals, um nicht Zahnarzt zu werden, mit meinem Vater einen Kompromiss ausgehandelt, studierte Architektur und machte ihm zuliebe eine Zahntechnikerlehre. Das war nichts Ernstes. Ich habe damals auch Scherzzähne angefertigt, mindestens zehn Kunstgebisse. Für mich und andere Kollegen. Wir hatten eine Menge Spaß damit.

Als Schauspieler mit krummen Zähnen wurden Sie später, in Maren Ades Film "Toni Erdmann", weltweit bekannt. Ein guter Zufall?
Als ich das Buch Toni Erdmann gelesen habe, da musste ich lachen. Das hatte ja mit mir nichts zu tun, im Ursprung.

Wie haben Sie sich als Schauspieler durchbeißen können?
Ich wollte immer Schauspieler werden. Und das habe ich durchgehalten. Mit 24 habe ich begonnen. Jetzt bin ich 72. Und ich habe kein einziges Jahr ausgelassen. Ich war immer in einem Ensemble, habe immer gespielt, 20 Jahre an der Schaubühne bei Peter Stein in Berlin und jetzt schon 20 Jahre beim Burgtheater in Wien. Vorher war ich in verschiedenen Ensembles in Deutschland und in der Schweiz.

Das Leben spiegelt sich einfach in diesem Stück.

Von 2002-2009 verkörperten Sie die Rolle des Jedermann in Salzburg. Nicht jedermanns Sache…
Ich hab ihn 100 Mal gespielt. Und er war auch eine sportliche Herausforderung. Das würde ich in dieser Form heute nicht mehr schaffen. Den ganzen Tag brennt die Sonne auf die Bühne im Freien, die Luft ist zu Beginn der Aufführungen um 17 Uhr wie in einem Backofen.

Wie gleich spielt man 100 Mal die gleiche Rolle?
Es ist immer anders. Bei einer Vorstellung, da lag meine Mutter im Sterben, war schon im komatösen Zustand. Sie wurde operiert und der Arzt sagte mir: Rufen sie mal nach der Vorstellung an. Die Chancen stehen 50/50. Sie können sich vorstellen, dass man so eine Vorstellung mit einer anderen Stimmung zu diesem Thema spielt.

Wie zeitnah wird das alte Stück in der Gegenwart wahrgenommen?
Beispielsweise das Thema Kapitalismus im Stück. Das wurde während der Finanzkrise ganz anderes aufgenommen und verstanden. Von mir und vom Publikum. Das Leben spiegelt sich einfach in diesem Stück.

Hier in dieser Gegend hielt sich Jedermann-Autor Hugo von Hofmannsthal auf, ein Jahr nachdem er den Jedermann geschrieben hatte . Im September 1912, er wohnte im Schloss nebenan...
Wahnsinn. Die wussten wo es schön ist. Ja, der Jedermann hat mich sehr bekannt gemacht. Aber nicht so wie Toni Erdmann. Dieser Erfolg ist gewaltig Der Film ist in 100 Länder verkauft. Ich freue mich natürlich sehr darüber.

Ich spiele nicht wegen der Rolle mit, sondern wegen des politischen Anliegens.

Mit wem drehten Sie Ihre ersten Filme?
Meinen ersten Film in der Hauptrolle hab ich mit dem Regisseur Axel Corti gemacht. Er war ein Film- vor allem Fernsehregisseur. Und er war Mentor und Hochschullehrer vieler österreichischer Filmschaffenden, etwa Michael Haneke, Götz Spielmann, Julian Pölsler.

Im neuen Film Crescendo von Dror Zahavi sind Sie in der Rolle des Dirigenten zu sehen. In einem politisch motivierten Film…
Und deshalb mache ich den Film auch. Ich spiele nicht wegen der Rolle mit, sondern wegen des politischen Anliegens. Ich lebe seit 70 Jahren mit diesem Nahost-Konflikt und möchte dass wir mit dem Film ein wenig Hoffnung verbreiten.

Film oder Theater, was steht Ihnen näher?
Es ist ein abgedroschener Satz, den ich oft benutze: Ich bin mit dem Theater verheiratet. Filme, das sind meine Amouren, meine Verhältnisse, meine Liebschaften.