Economia | Interview

“Die Lage hat sich zugespitzt”

Michael Gilli ist CEO der Holz Pichler AG im Eggental. Im Interview spricht er über die Auslöser der Preisexplosion des Holzes.
Michael Gilli
Foto: Michael Gilli

Der Rohstoff Holz ist in Südtirol allgegenwärtig: 50 Prozent der Landesfäche ist mit Wald bedeckt, es gibt 25.000 Einkommensbezieher, ungefähr 2.200 Unternehmen sind in der Holzverarbeitung tätig. Von Dezember 2020 bis März 2021 ist der Holzpreis um 30 Prozent gestiegen. Zudem wird Holz auf dem heimischen Markt knapp, es gibt bereits erste Lieferengpässe. Michael Gilli, CEO der Holz Pichler AG im Eggental, spricht im Interview über die Hintergründe des Preisanstiegs, das Sturmtief Vaia und die zunehmende Wertschätzung, die Holz derzeit erfährt.

salto.bz: Herr Gilli, in den vergangenen Monaten sind die Rohstoffpreise in die Höhe geschossen – auch der Holzpreis. Wie ist dieser plötzliche Preisanstieg erklärbar?

Michael Gilli: Dieser surreale Preisanstieg ist wahrscheinlich auf eine Kombination aus realem Mehrbedarf, Preisspekulationen, Hamsterkäufen und politischen Dynamiken zurückzuführen. Aber der Reihe nach: In der Pandemie hat schönes, nachhaltiges und ökologisches Wohnen an Bedeutung gewonnen, viele Menschen haben begonnen ihr Heim zu renovieren, was die Nachfrage angekurbelt hat. Diese Tendenz ist auch in China beobachtbar. China ist in der Pandemiebewältigung einen Schritt weiter und die wachsende chinesische Mittelschicht möchte sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen. China selbst hat kaum Holz und importiert den Rohstoff vorwiegend aus Russland. Demzufolge kann Russland weniger Holz nach Europa oder in die USA exportieren. In den USA hingegen hat sich seit der Krise 2009 die Baubranche nie mehr richtig erholt – jetzt beginnen die Menschen jedoch wieder vermehrt Holzhäuser zu bauen. Der steigende Bedarf wäre eigentlich kein Problem, hätten nicht viele kanadische Sägewerke auf Grund mangelnder Nachfrage im letzten Jahrzehnt ihre Werke geschlossen. Jetzt fehlen diese.

Die Nachfrage ist höher als der Realbedarf

Sie haben davor auch Hamsterkäufe und Preisspekulationen angesprochen.

Ja, immer, wenn Menschen Angst haben, etwas nicht mehr zu bekommen, tätigen sie Hamsterkäufe. Das geschieht derzeit beim Holz: Holzhändler zum Beispiel kaufen viel mehr Material ein, als sie tatsächlich brauchen. Die Nachfrage ist höher als der Realbedarf. Dazu kommen noch Preisspekulationen. Ein Zusammenspiel aus all diesen Faktoren hat zu dieser surrealen Phase geführt, von der niemand weiß, wie lang sie dauert.

Wer profitiert nun von dem großen Preisanstieg?

Laut der gängigen Meinung, profitieren am meisten die Sägewerke vom Preisanstieg. Ich persönlich fühle mich nicht angesprochen: Wir haben Jahresverträge und ändern unter dem Jahr die Preislisten nicht. Zugutekommt der Anstieg sicherlich großen deutschen und österreichischen Sägereien, die keine fixen Preislisten haben.

 

 

Ist die gestiegene Nachfrage an Holz auch in Südtirol spürbar?

Ja sicher, aber wir können nicht darauf reagieren. Wir haben bereits im vorigen Herbst das ganze Jahr 2021 geplant und wurden von der momentanen Situation überrascht. Um angemessen zu reagieren, bräuchten wir doppelt so viel Personal. Das geht nicht von heute auf morgen, zudem weiß keiner, wie lange die Situation so bleibt.

Kommt der hohe Preis auch bei den Waldbauern an?

Bei der Holzernte im Herbst werden die Waldbauern den Preisanstieg spüren. Das ist auch gut so, denn in den vergangenen Jahren hat es sich für die Bauern in der Holzwirtschaft oft gar nicht mehr rentiert den Wald zu bewirtschaften.

Wird die Preisspirale zu sehr nach oben getrieben, läuft man Gefahr, dass sich der Markt alternative Baustoffe zum Holz sucht

Welche langfristigen Gefahren verbirgt dieser überraschende Preisanstieg?

Wird die Preisspirale zu sehr nach oben getrieben, läuft man irgendwann Gefahr, dass sich der Markt alternative Baustoffe zum Holz sucht. Die extrem langen Lieferzeiten und unverhältnismäßig hohen Kosten im Vergleich zum konventionellen Bauen sprechen derzeit nicht für den Bau eines Holzhauses. Eine andere Problematik könnte auch das Entstehen einer Blase sein: Also, dass die Bauern darauf warten, dass der Preis weiter steigt und kein Holz schlägern. Wenn der Rohstoff fehlt, hat auch niemand was davon.

Welche Preisentwicklung wäre für Sie wünschenswert?

Ich hoffe, dass sich der Preis auf hohem Niveau stabilisieren wird und sich die Lage nicht weiter zuspitzt. Holz ist ein nachhaltiger und ökologischer Stoff, der sich auf jeden Fall einen besseren Preis verdient hat. Trotzdem sollte man sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette Holz - vom Wald bis zum Baustoff, wie zum Beispiel Leimbinder - bei der Preisgestaltung gemäßigt verhalten.

Ich hoffe, dass sich der Preis auf hohem Niveau stabilisieren wird

Noch ein Blick in die Vergangenheit: im Herbst 2018 hat das Sturmtief Vaia viele Hektar Wald, unter anderem im Eggental, zerstört. Der Holzpreis ist damals drastisch gesunken.

Ja, der Preis des Rundholzes hat unter dem Überangebot gelitten. Allein in Südtirol war das Holzangebot mindestens fünfmal so hoch, wie der eigentliche Jahresbedarf. Aber im Endeffekt war das Holz für uns nicht so günstig wie alle denken: Die ziemlichen intensiven Lagerkosten, die Kosten für die Vorfinanzierung und die geringe Qualität, welche die Langzeit-Lagerung mit sich bringt, dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Aktuell füllen wir unser Lager wieder mit Frischholz, zu Einkaufspreisen, welche annähernd, an jene vor Vaia herankommen.

 

 

Der Großteil des erwirtschafteten Holzes wird aus Südtirol exportiert. Gleichzeitig wird der Großteil des Holzes, das in der heimischen Holzindustrie verarbeitet wird, importiert. Das ist doch ein Widerspruch?

Die sogenannten Holzströme klingen in der Tat im ersten Moment paradox. In Südtirol fehlt die verarbeitende Holzindustrie – wir haben Sägewerke, das wars dann aber. Es gibt zum Beispiel keine Leimbinder- oder Paletten Hersteller. Diese Lücke kann aber nicht so einfach geschlossen werden. Für das Entstehen einer Industrie gibt es zu wenige Kunden und Lieferanten, sowie ein zu geringes Angebot und einen zu geringen Bedarf.

Zahlt der Endkonsument weniger, bekommen alle weniger: der Möbelhersteller, der Holzhändler, das Sägewerk und der Bauer

Welche zukünftigen Entwicklungen befürworten Sie?

In den letzten Jahrzehnten haben die Endkonsumenten sehr wenig Holz gekauft. Momentan erfährt Holz einen verdienten Aufschwung. Im Diskurs wird oft vergessen, dass auch sehr viel vom Endkonsumenten abhängt. Zahlt der Endkonsument weniger, bekommen alle weniger: der Möbelhersteller, der Holzhändler, das Sägewerk und der Bauer. Es wäre wünschenswert, wenn jene Leute, die es sich leisten können, einen grünen Fußabdruck hinterlassen. Wenn man möchte, dass der Waldbauer mehr Geld bekommt, muss man auch bereit sein, für den lokalen und nachhaltigen Rohstoff mehr Geld auszugeben. Ich würde mir wünschen, dass die Wertschätzung von Holz in der Gesellschaft erhalten bleibt.