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Arzt weg, Chaos perfekt?

Im Wipptal spitzt sich der Hausärztemangel zu. Man sei man bemüht, Nachfolger zu finden, heißt es aus dem Gesundheitsbezirk, während ein Bürgermeister Alarm schlägt.
Arztpraxis
Foto: Pixabay

Unverständnis, Entrüstung und Verärgerung herrschten am Montag im Krankenhaus Sterzing. Zahlreiche Menschen drängten sich schon früh am Morgen in den Gängen vor den Schaltern, um einen neuen Hausarzt zu wählen. Mit 1. Juli hat Dr. Berta Marcher nach einem Jahr den Gesundheitssprengel Wipptal verlassen. Marcher war seit 1. Juli 2017 in der Gemeinde Freienfeld als Hausärztin tätig. Es war ein provisorischer Auftrag für ein Jahr, nachdem Dr. Wilhelm Seppi in den Ruhestand getreten war.

An die 1.350 Patientinnen und Patienten standen zuletzt auf der Patientenliste von Dr. Marcher. Und diese müssen nach ihrem Abgang – die Hausärztin hat in den Gesundheitsbezirk Bruneck gewechselt – einen neuen Hausarzt wählen.
“Die Patienten wurden mit einem Schreiben vor drei Wochen darüber in Kenntnis gesetzt”, berichtet Anna Holzknecht. In der Personalabteilung des Sanitätsbezirks Brixen, zu dem der Gesundheitssprengel Wipptal gehört, hat sie von den langen Warteschlangen und dem Unmut der Menschen unmittelbar mitbekommen. Doch sie setzt auf Verständnis.

“Im Krankenhaus Sterzing waren beide verfügbaren Schalter geöffnet”, sagt Holzknecht. Und erklärt, dass die Hausarztwahl nicht nur dort, sondern auch am Krankenhaus Brixen, und sogar per Mail möglich ist. “Außerdem muss die Wahl des Hausarztes nicht heute passieren, die Patienten haben sechs Monate dafür Zeit”, stellt Holzknecht klar. So lange nämlich dauert die Übergangszeit, für die sich vier Hausärzte im Gesundheitssprengel Wipptal angeboten haben, um die Patienten von Dr. Marcher zu übernehmen. “Sie haben sich freiwillig bereit erklärt, ihre Patientenzahl auf 1.920 anzuheben”, betont Holzknecht. Für einen dieser vier Hausärzte können sich die betroffenen Patienten nun entscheiden. “Das ist ein ganz normaler Vorgang und muss nicht unbedingt am erstmöglichen Tag passieren”, wiederholt Holzknecht, um die Verärgerung über die Warteschlangen zu entkräften.
Zumal “jeder einzelne Patient einen Hausarzt kriegen wird”, wie Holzknecht unterstreicht.

Ein Ersatz beziehungsweise eine Nachfolge für Dr. Marcher ist derzeit keine in Aussicht. “Wir haben noch keine gefunden”, seufzt Holzknecht. Bei der Arztwahl im heurigen April habe sich keiner der Basisärzte für das Wipptal entschieden. Und die einzelnen Gesundheitsbezirke reißen sich geradezu um die Mangelware Hausarzt. Sie verstehe, wenn der ein oder andere Patient “geplagt” sei, meint Holzknecht. Doch “wir telefonieren tagtäglich herum”, gesteht sie. “Aber die Nachfrage ist einfach nicht da”. Schuld daran habe niemand, betont sie, “Ärztemangel ist eine Tendenz, die in Europa und Italien nicht anders ist als in Südtirol”. Im Gesundheitsbezirk Brixen sei sowohl die Bezirksdirektion als auch die Sanitätskoordination äußerst bemüht, will Holznkecht festhalten. Unverhandelbar sei jedoch die Voraussetzung, dass Hausärzte im Gesundheitsbezirk zweisprachig sind. “Anders als vielleicht in Bozen werden die Befunde aus den Krankenhäusern in deutscher Sprache ausgestellt”, erklärt Holzknecht. “Die Zweisprachigkeit der Basismediziner muss also gewährleistet sein.”
Die Suche im Gesundheitsbezirk Brixen läuft auf Hochtouren – gehen doch in Kürze zwei weitere Hausärzte in Pension. Für die Stelle von Dr. Marcher “laufen derzeit Verhandlungen mit zwei, drei Personen”, verrät Holzknecht.

Die Bemühungen im Gesundheitsbezirk will Franz Kompatscher nicht bestreiten. Doch in seinem Rathaus in der Gemeinde Brenner herrscht Alarmstimmung. Ende Juli wird die dortige Hausärztin in Pension gehen. “Die Situation im Wipptal ist besorgniserregend”, warnt Kompatscher. Die Versäumnisse sieht der Bürgermeister der Gemeinde Brenner und Wipptaler SVP-Landtagskandidat vor allem in der Vergangenheit. “Jahrelang” habe man sich nicht um die Ärzteausbildung gekümmert, Südtirol sei insgesamt als Arbeitsplatz immer noch zu unattraktiv für Hausärzte, bemängelt Kompatscher. “Es besteht extremer Handlungsbedarf”, appelliert er an die zuständige Landesrätin Martha Stocker und den Generaldirektor des Sanitätsbetriebs, Thomas Schael. Unter anderem seien die einzelnen Gesundheitsbezirke mit mehr Befugnissen auszustatten, “um bei Krisensituationen wie wir sie derzeit erleben, die notwendigen Instrumente in der Hand zu haben und flexibler reagieren zu können”.

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Hartmuth Staffler Lun, 07/02/2018 - 20:57

Ich wäre sofort bereit, auf meinen Hausarzt zu verzichten - de facto tue ich es ja bereits - wenn ich dafür das Geld bekommen würde, das mein Hausarzt für meine hypothetische Betreuung einsteckt. Damit könnte ich mir eine ausgezeichnete privatärztliche Betreuung leisten - was ich ja bereits mache, allerdings auf meine eigenen Kosten.

Lun, 07/02/2018 - 20:57 Collegamento permanente
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Frei Erfunden Mar, 07/03/2018 - 12:11

Interessanter Vorschlag Herr Staffler.
In absehbarer Zeit wird eine Hundertschaft an Hausärzten pensioniert.
Gediente Fachärzte dürfen die Hausarzttätigkeit ohne Zusatzausbildung antreten, jüngere Kollegen (Studium + Staatsprüfung)müssen hingegen eine zusätzliche 3-jährige Hausarztausbildung (welche in dieser Form nur im Land Südtirol existiert) absolvieren (wobei neuere Studiengänge die Universität sicherlich praxisorientierter verlassen).
Zudem ist zu sagen: Fachärzte älterer Generation mussten nicht einmal eine Facharztprüfung ablegen.
Nicht nur aus qualitativen Überlegungen ist das Ausbildungssystem für Hausärzte in Frage zu stellen , es bedient zudem den bevorstehenden massiven Hausärztemangel.

Vorschlag 1:
die Pensionen der Generation Nachkrieg sollten gekürzt werden um den jungen Generationen einen besseren Start anzubieten. Ein pensionierter Facharzt aber auch Verwaltungsangestellter undundund kann leicht von 4000 Euro Pension leben.
Vorschlag 2: Fachärzte dürfen auch Hausarzttätigkeit übernehmen.
Vorschlag 3: die Erste Hilfe und KH gehören entlastet, also rotieren Hausärzte in die Area Verde und übernehmen nicht akute Fälle (3 Wochenenden im Jahr?).
Vorschlag 4: Hausärzte kassieren pro Patient richtig gut ab, aber falls dieser des Öfteren im KH vorstellig wird soll es zu Kürzungen beim Hausarzt kommen.
Vorschlag 5: der Selbstbehalt in der Ersten Hilfe ist bei grünem Kodex (nicht akut) zur Gänze vom Patienten zu entrichten, die KH Verwaltung übernimmt jegliche bürokratische , rechtliche und finanzielle Verantwortung bei nicht klaren Fällen.

Mar, 07/03/2018 - 12:11 Collegamento permanente