Cultura | Salto Afternoon

antimortina

Das aktuelle Stück des Dramatikers Martin Plattner wird am 4. März an den Vereinigten Bühnen Bozen uraufgeführt. Salto bringt eine Kostprobe und den Autor im Kurzporträt.
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Foto: Foto: Salto.bz

Wenn du dir drei Räume aussuchen kannst, in denen du dich verorten möchtest: Wie schauen sie aus?
Martin Plattner: Morgens am Küchentisch; als statisch bedenkliches Häuschen in/auf einem gotischen Fresko; in einem Kostümfundus.

Ein selbst geschaffener Neologismus?
Widerkäuen (statt: Wiederkäuen; für: Kontern)

Überhaupt war mein letztes ein komisches Kind. Das hat komische Dinge gesagt und getan, viel eigener, als die anderen neun. 

Warum schreiben?
Aus Instinkt – für den Instinkt.

Welche Motive tauchen in deinem Schreiben immer wieder auf?
Bräute, die mit Witwen hadern (und umgekehrt). Menschen, die Medikamente einnehmen. Menschen, die Radio horchen. Schnee, Eis und Stauseen.

Welche Frage möchtest du dir selbst gerne stellen?
Was würde ich tun, wenn ich nicht schreiben täte? Zeichnen.

 

Textauszug:

a n t i m o r t i n a

Auftakt

DIE MUTTER
Soll ich Ihnen mal was zeigen? Soll ich Ihnen zeigen, was meine Kinder haben angetan mir? Ein Panoramafenster! Das tun einem die Kinder an: schneiden dir  irgendwann ein Panoramafenster in die alte Hauswand hinein, damit das alte Scheit auch was zum Hinausschauen hat. Dabei bin ich froh, wenn ich nichts von dem sehen muss, was mich umgibt. Wie kommen Kinder nur auf so was? Letztes Jahr, da haben sie mir statt einem Rollbraten, oder einem Rollkragenpullover, einen Rollator gekauft, den ich am liebsten aus diesem Fenster schmeißen möcht'. Vorletztes Jahr haben sie mir anstatt ein paar alter Kamellen oder Zuckerln ein Zuckermessgerät gekauft, das ich ihnen am liebsten in den Rachen stopfen tät'. Aber heuer haben sie den Vogel abgeschossen mit diesem Fenster, auf das man ja fast schon solche Folienvögel picken muss, weil die echten Vögel sich sonst böse den Kopf anhau'n – Kinder, Kinder! Und erst meine arme Hauswand! Die hat jetzt ein Loch im Bauch. Ich wäre ja mehr für Schießscharten! Wenn es nach mir ginge, dann hätte ein jedes Haus Schießscharten nur. Aber es geht nicht nach mir. Es ist immer um die Kinder gegangen. Und es wird weiterhin immer nur um die Kinder gehen. Zehn Stück hatte ich davon: sieben Buben, zwei Mädchen, beim letzten bin ich mir nicht sicher. Überhaupt war mein letztes ein komisches Kind. Das hat komische Dinge gesagt und getan, viel eigener, als die anderen neun. Ein paar dieser komischen Dinge hat es sogar gesagt wieder und wieder, zum Beispiel …

DAS KIND
Fallen! In einem fort: Fallen! Woraus falle ich denn, wo fall' ich denn hin? Aus meinem oder in mein eigenes Totsein? Aus meinem oder in mein eigenes Nicht-Am-Leben-Sein? Na, da werd' ich noch lang fallen müssen, um über diesen Fall hinauszukommen, um über mich selbst hinauszukommen, oder vielleicht sogar herauszukommen aus mir. Mein Dasein ist Fallen, in dem oder nach dem es kein Überleben mehr gibt. Tja, das ist mir jetzt so eingefallen, das Einfallen ist mir wieder eingefallen, obwohl es fürs Sich-Was-Einfallen-Lassen keine Hausübungen gibt
(…)

SALTO in Kooperation mit: Südtiroler Autorinnen und Autorenvereinigung (SAAV)