Società | Projekt Side by Side

Normalität im besonderen Stil

Innerhalb des Projektstudiums ist es den Professoren Hans Leo Höger und Kuno Prey gelungen, das Unternehmen Side by Side als Kooperationspartner zu gewinnen.
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Prey Exkursion
Foto: unibz

Verzichten ist nicht immer einfach. Zu keiner anderen Jahreszeit wird das so vielen Menschen klar, wie in der Fastenzeit, kurz vor Ostern. Doch die Genügsamkeit, das Schätzen von Einfachheit und Normalität, sollte nicht bloß von kurzer Dauer sein. Um Schlichtheit geht es auch im diesjährigen Projektstudium der Fakultät für Design und Künste. Eine Disziplin, die wohl wie keine andere das Inbild von Extravaganz und Luxus verkörpert, soll im Projekt einem außergewöhnlichen Gegensatz ausgesetzt werden, erklärt einer der Organisatoren, Professor Hans Leo Höger: „Die Rede von ‚Designermöbeln’, ‚Designobjekten’, ‚Designertaschen’ deutet darauf hin, dass im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit das Versprechen des Außergewöhnlichen steht, die Aura des Besonderen, die Hervorhebung des Ungewöhnlichen, die Realisierung des Aufwendigen. Wenn Gestaltung jedoch auf den Alltag von Menschen Bezug nehmen, diesen vielleicht erleichtern, verschönern, bereichern, optimieren will, dann ist nicht so sehr die Faszination am Außergewöhnlichen gefragt, sondern vor allem die intelligente Einwirkung auf ganz normale, tägliche Lebenssituationen“, beschreibt Professor Hans Höger.  So entstand das Projekt Side by Side – l’arte di ridurre.

 

Für das Projekt wurde diesmal das bayrische Unternehmen Side by Side als Kooperationspartner hinzugezogen. Das Unternehmen aus Straubing stellt genau solche Produkte zur Verfügung- alltagstaugliche Wohnaccessoires, Garderoben und Küchenutensilien. Design mit hohem Form-und Funktionsfaktor, sozusagen. Für die Studenten wird dieser neue Blickwinkel ihr bisheriges Verständnis von Design bereichern, ist Professor Höger überzeugt: „Im Projekt werden wir untersuchen, was es bedeutet, sich als Gestalter auf die Normalität des alltäglichen Lebens einzulassen, und zu welcher Art von Designverständnis diese Schwerpunktsetzung führen kann. Unvorhergesehene Überraschungen sind dabei nicht ausgeschlossen.“

 

Hinter dem Namen Side by Side steht allerdings viel mehr, als die Kunst, Einfaches zu schätzen. Side by Side ist in erster Linie ein soziales Projekt, das einen Beitrag leisten möchte zur Zufriedenheit von besonderen Mitmenschen, erklärt Professor Kuno Prey:  „Die Hauptaufgabe des Unternehmens ist es, hohe Designansprüche zu entwerfen, die allerdings in Werkstätten für Menschen mit Behinderung umgesetzt werden. Daher der Name Side by Side- Design steht Menschen mit Behinderung zur Seite, Menschen mit Behinderung stehen dem Design zur Seite.“

 

Designer entwerfen die Konzepte, Behinderte setzten diese in ihren Werkstätten um. Dieser Idee liegt eine neue, dem Unternehmen eigene Designerphilosophie zugrunde. Durch die Kooperation zwischen Designern und Menschen mit Beeinträchtigungen entstehen neue Herausforderungen auf beiden Seiten, erzählt Professor Prey: „Die große Aufgabe besteht für den Designer darin, zu verstehen, wie weit er in seinem Entwurf gehen kann, um Produkte zu designen, die von Behinderten umgesetzt werden können. Auf der anderen Seite, ist die Produktion für die Menschen in den Werkstätten ebenso eine Herausforderung. Die Produkte sind keine klassischen Ergebnisse aus Behindertenwerkstätten, die normalerweise sofort erkennbar sind, etwa durch abgerundete Kanten. Es handelt sich um Designerwerke, die verkaufstauglich sind. Daher sind kaum Produktionsfehler zugelassen.“

 

Das hohe Niveau hat sich bestätigt und bewährt. Seit 16 Jahren sind die Produkte in Kollektion und verkaufen sich weltweit immer noch gut. Mit tollen Ergebnissen, auch für die Menschen dort, wie Professor Prey begeistert schildert: „Wenn die Menschen am Abend von den Werkstätten heimkehren, dann sind sie glücklich. Sie erleben die Genugtuung des „sich bestätigt fühlen“. Den Mitarbeitern der Behindertenwerkstätte ist durchaus bewusst, was sie leisten. Als ich ankam, nahm mich einer der Mitarbeitern beim Arm und zog mich zu einer Landkarte, die in der Werkstatt hängt. Dort waren alle Verkaufspunkte mit Stecknadeln markiert. Der Mann zeigte auf Tokyo und sagte stolz ‚schau mal, bis dahin verkaufen wir unsere Produkte’. Das hat mir sehr imponiert.“

 

Das ungewöhnliche Unternehmen wurde 2001 von den Caritas Wendelstein Werkstätten in Zusammenarbeit mit der Projektleiterin und Designerin Sabine Meyer, der Grafikagentur factor product und mehr als fünfzehn freien Designern ins Leben gerufen. Bereits im Folgejahr konnte die erste Design-Kollektion der Marke präsentiert werden: Rund 120 behinderte Mitarbeiter stellten verschiedene Artikel in vier technischen Fachbereichen her. Mittlerweile hat es sich zu einem Netz aus rund 20 Werkstätten entwickelt, die von Bayern bis an die Ostsee reichen.

 

Neben dem sozialen Aspekt, spielt beim Unternehmen auch der ökologische Faktor eine wichtige Rolle. „Erstens, werden Objekte hergestellt, die man nicht schnell konsumiert und sich bald daran satt sieht, sondern Produkte, die langlebig sind. Der Kunde soll langfristige und somit nachhaltige Konsumentscheidungen treffen. Zweitens, werden als Material primär Holz und Textilien verwendet, die dem Prinzip der Umweltfreundlichkeit unterliegen. Es wird also nur Holz benutzt, das aus Gebieten stammt, in denen nachgeforstet wird oder Textilien aus kontrolliertem Anbau. Und zuletzt werden bei der Produktion auch Hilfsgeräte entwickelt, die den Menschen mit Behinderung die Arbeit erleichtert bzw. erst ermöglichen,“ so Kuno Prey.

 

Für die 14 teilnehmenden Studenten der Uni Bozen ist das praxisnahe Projektstudium enorm wichtig, um Partner aus der Realität kennen zu lernen. Für Kuno Prey ist es außerdem dafür da, dass Studenten sich aus den Oberschulzwängen befreien und ihre eigene Formsprache entfalten: „Für die Studierenden gibt es keine genauen Vorgaben über die Art des Design. Wir lassen es absichtlich offen, damit die Nachwuchsdesigner ihren eigenen Spielraum finden. Sie müssen nur den Gedanken der Firma aufnehmen um mit neuen, eigenen Vorschlägen zu reagieren. Dies ist die Herausforderung für die Studierenden: Sich mit verschiedenen Gebieten auseinanderzusetzen um einen eigenen Weg zu finden.“

 

Die Projektgruppe aus südtirolerischen, deutschen und außereuropäischen Studierenden ist mit großem Eifer dabei. Am 10. April wird die erste Entwurfsidee stehen. Designerin Frau Sabine Meyer wird als Initiatorin von Side by Side die Entwürfe begutachten, bevor es an die Ausgestaltung geht. Die letzte Phase der Projektarbeit ist der Realisierung der Prototypen gewidmet. Vom 14. – 16. Juni werden diese in der Semesterabschluss-Ausstellung präsentiert.