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Meran, du Schöne

Erika Wimmer Mazohl hat ein Buch über Meran und Umgebung geschrieben. Die Literaturkennerin ist bei ihren Recherchen sogar der neuen Norbert C. Kaser-Skulptur begegnet.
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Foto: Erika Wimmer Mazohl / Foto: Privat

Mit dem Text Meran, du Schöne leitet Erika Wimmer Mazohl in ihr neues Buch "Meran, abseits der Pfade" ein. Im Anschluss beschreibt sie das Steinachviertel, die Lauben, die Villen und die Radwege oder auch das Lido. Daneben berichtet die Autorin über Künstler vergangener Zeiten, die jüdische Gemeinde in Meran, sowie die vielstimmige Szene in einer offenen Stadt. Am 5. Mai stellt sie das Buch, um 19.30 Uhr, im Ottmanngut Meran vor.

Auf Seite 98 erwähnt die Autorin kurz dass der Dichter Norbert Conrad Kaser in seinem literarischen Text stadtstich meran, der Stadt ein „exotisches tolerantes gepraege“ zugeschrieben hat. Im letzten Kapitel, es handelt von den Leuten der Gegend, besucht Wimmer Mazohl die Kunstgießerei Dirler in Marling. Begleitet wird sie von Sonja Steger, die 2008 das Buch Flüssiges Feuer zusammengestellt hat und den alchemistischen Prozess des Gießens von Metallskulpturen dokumentiert. Überraschend wurde am Tag des Besuches der beiden, an einer Norbert C. Kaser-Skulptur des Künstlers Josef Rainer gearbeitet. Ein Textausschnitt:

Vinzenz Dirler, der als Kind beim Weithaler-Wast im Ansitz Kränzel in Marling erste Erfahrungen mit dem Schmelzofen machte, hat sich im heimischen Prantlhof eine Werkstatt eingerichtet und selbst einen Schmelzofen gebaut. Es sei vor allem das Feuer gewesen, das ihn von Anfang an fasziniert habe, weshalb er unbedingt Metallgießer werden wollte. Seine Ausbildung absolvierte er zwischen 1967 und 1971 in Hall in Tirol bei Hans Haslinger, der mit dreien seiner vier Töchter eine Gießerei betrieb. Dort erlernte Vinzenz Dirler das Sandgussverfahren.Von 1973 bis 1976 ließ er sich in Verona zum cerista, zum Wachsarbeiter, ausbilden.
Vinzenz Dirler empfängt uns mit einem verschmitzten Lächeln, der Mann ist ein Schelm: Vom Meraner Maler Gigi Picelli hat er sich ein erotisches Klo gestalten lassen, gleich neben der Werkstatt. Früher oder später muss ein jeder Besucher das Örtchen benutzen, und während ich auf der Toilette sitze, betrachte ich die freizügigen Frauendarstellungen und muss an die in Mechanikerwerkstätten nicht selten anzutreffenden Kalender mit nackten Frauen denken – da ist das doch etwas ganz anderes! An diesem Tag ist der Ofen kalt, es wird nicht gegossen. Aber zu unserer Freude haben Vinzenz und Stefan Dirler die bereits gegossene Norbert-Conrad-Kaser-Porträtskulptur von Josef Rainer in Arbeit. Der an seiner Trunksucht allzu früh verstorbene Kaser (1947–1978) gilt bis heute als bedeutender Lyriker Südtirols. Im April 2017 wäre er siebzig Jahre alt geworden; die Skulptur, an der hier gearbeitet wird, wird zu diesem Anlass in seiner Heimatstadt Bruneck der Öffentlichkeit übergeben. Vater und Sohn Dirler erklären die Arbeitsgänge, die auf den Guss folgen, sie demonstrieren, wie die noch in Teile zerlegte Skulptur zusammengebaut, geschliffen und poliert wird. Die Ausführung dieser Arbeit lässt sich die Werkstatt, Material inklusive, mit 16.000 Euro bezahlen – ein knapp kalkuliertes Salär. Da darf nichts schiefgehen, sagt Stefan Dirler, damit das noch ein Geschäft ist.
Was beim Gießen alles schiefgehen kann und wie delikat dieses Handwerk insgesamt ist, darüber gibt das Buch Flüssiges Feuer Auskunft, dessen Verdienst es ist, das Sandgussverfahren und das Wachsausschmelzverfahren Schritt für Schritt zu erklären. Es ist ein hochkomplexer Vorgang, der großer Erfahrung bedarf. Während Sonja in den Ofen steigt und von dort aus lachend für ein Foto posiert, lasse ich mir von Vinzenz seine Spezialerfindung zeigen: eine Metalltreppe, die senkrecht gestellt werden kann, wodurch ein Schacht entsteht, über den die schweren Skulpturen in das obere Stockwerk gehoben werden; für Schacht und Treppe nebeneinander gab es in Dirlers erstaunlich kleiner Werkstatt nicht genug Platz. So vieles wird hier mit geringen Mitteln, dafür mit umso mehr Kreativität und Können umgesetzt.
Als wir uns zum Gehen wenden, drückt Vinzenz Dirler mir zum Abschied eine Flasche hauseigenen Prantlhof-Wein in die Hand. Wie hat Sonja Steger es in ihrem Gedicht vinzenz-haus so treffend formuliert: „prantlwein fließt / der schmelzofen / schweigt oder flimmert / gänse ziehn zum trog.“