Politica | Griechenland

Tsipras ist ein falscher Held

Eine Gegendarstellung.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Ich lese seit geraumer Zeit die Beiträge von Oktavia Brugger zur Griechenland-Krise und kann ihr Verständnis für Alexis Tspiras immer weniger nachvollziehen. Sie, Frau Brugger, haben in einem Ihrer Beiträge richtigerweise auf das Versagen der griechischen Eliten und der verschiedenen griechischen Regierungen hingewiesen. Dennoch erwecken Sie den Eindruck als ob die scheinbar von Berlin diktierte „Austeritätspolitik“ an allem Schuld wäre. Abgesehen davon, dass Deutschland trotz seines Gewichts in der EU nichts alleine durchsetzen kann: Was wäre Ihrer Meinung nach die Alternative gewesen? Alles weiterlaufen lassen wie vor 2010? Nicht zu wenig, sondern zu viel Kapital ohne Reformen hat zur 2010-Krise geführt.

Es ist sicher richtig, dass zu lange zu einseitig mit dem Rechenschieber hantiert wurde. Richtig ist aber auch, dass die griechischen Regierungen zu viel Energie darauf verwendet haben, wie sie Geld ohne Gegenleistung aus Europa erhalten und zu wenig Energie darauf, die Krise als Chance zu umfassenden Reformen zu nutzen. Irland, Portugal, Spanien, indirekt selbst Italien machen es vor. Denn es ist ja auch absurd so zu tun als ob die Troika Griechenland „abstrafen“ hätte wollen.

Warum wurden alle Unterstützungsvorschläge zum Aufbau eines effizienten Steuersystems abgelehnt? Warum ist die sogenannte Lagarde-Liste mit griechischen Steuerhinterziehern in der Schublade verschwunden? Mit viel Druck war es dennoch gelungen, die Samaras-Regierung zu zögerlichen Reformen zu drängen und für 2015 war immerhin ein Wirtschaftswachstum von 2,5% prognostiziert. Davon ist man heute weit entfernt.

Und dann kommt Tsipras und verspricht ein Ende der Sparpolitik. Mit Geld aus Brüssel würde die Wirtschaft wieder wachsen, das ist ja auch eines Ihrer Argumente. Das hängt aber sehr davon ab wohin das Geld fließt. Übrigens nicht nur „deutsches“ Geld. Auch aus Italien, und somit auch aus Südtirol, stammen bisher ca. 60 Milliarden € an Krediten und Bürgschaften für Griechenland. Wenn gleichzeitig die strukturellen Reformen für Investitionen geschaffen werden, ist es richtig, dass mit Geld die Wirtschaft wieder angekurbelt wird. Und hier sind wir bei den von Ihnen so verpönten Brüsseler Reformforderungen, im Fachjargon „Konditionalitäten“ genannt. Aber wenn Geld weiter in klientelistische Strukturen, in einen aufgeblähten und ineffizienten Staatsapparat, in sonstige Renditepositionen oder in langfristig nicht finanzierbare Rentenversprechungen fließt, dann wächst die Wirtschaft nicht.

An diesen Tatsachen ändert auch der Deckmantel der von Ihnen geforderten europäischen Solidarität nichts.

Zudem geben Sie Angela Merkel die Schuld am Platzen der Verhandlungen. Alles deutet aber darauf hin, dass die griechische Seite den Verhandlungstisch verlassen hat. Über die Gründe können wir zum jetztigen Zeitpunkt nur spekulieren. Eine mögliche Variante ist, dass Athen die geforderte Umschuldung nicht bekam. Dazu muss man bedenken: Erstens gab es in Griechenland bereits eine Umschuldung 2012. Zweitens ist die Frage derzeit nicht aktuell. Die griechischen Zinsen sind sehr niedrig angesetzt und die Rückzahlung so weit gestreckt, dass erst ab 2020 oder 2022 mit der Rückzahlung begonnen werden muss. Wenn Griechenland bereits jetzt keinen Primärüberschuss erzielt, also einen ausgeglichenen Haushalt ohne Schuldzahlungen, dann hat das mathematisch nichts mit der Tragfähigkeiten der Schulden zu tun.

Ich bin mir sicher: Wenn Griechenland sich reformiert, wird zu gegebener Zeit eine weitere Umschuldung erfolgen; und zwar aus richtig verstandener europäischer Solidarität.

Es ist richtig den Referendumsausgang am Sonntag abzuwarten. Das zweite Hilfspaket ist am Dienstag ausgelaufen. Ein drittes Hilfspaket erfordert unter anderem einen neuen Programmentwurf der EU und zum Beispiel in Deutschland ein parlamentarisches Verhandlungsmandat für die Regierung. Zeitlich ist das kaum möglich. Es wäre in dieser Hinsicht schön, wenn Sie den demokratischen Institutionen anderer Länder den gleichen Respekt entgegenbringen würden wie denen Griechenlands.

Tsipras hat dieses Referendum anberaumt und verspricht, mit einem „Nein“ besser verhandeln zu können. Ich finde die Referendumsidee richtig und mutig und es wäre besser gewesen, Papandreou hätte sie bereits durchgezogen. Die Verbesserung der Verhandlungsposition ist aber schon die zweite Lüge von Tsipras nach jener in seinem Wahlkampf, dass er die Sparpolitik beenden könnte und dass mit Geld ohne Reformen alles wieder besser würde. Denn ein „Nein“ bedeutet ein Ausstieg aus der Eurozone, deren Mitgliedschaft nicht nur aus Rechten, sondern auch aus Pflichten besteht.

Natürlich kann das griechische Volk souverän über die Mitgliedschaft in der Eurozone entscheiden, aber wie diese aussieht, kann es zwar mit- aber nicht alleine bestimmen. Denn was ist denn mit den restlichen Europäern? Ich kann am Sonntag nicht am Referendum teilnehmen und dennoch will man in Griechenland auch über meine Steuergelder entscheiden.

Dazu sage ich OXI, griechisch für Nein.

Stefan Raffeiner, Doktorand im Europa- und Völkerrecht, Humbolt-Universität Berlin

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[email protected] Sab, 07/04/2015 - 13:33

Mal abgesehen von der politischen Figur Tsipras, sehe ich zwei Punkte, die mich eher dazu bringen, zu einem NEIN zu tendieren - auch wenn die Konsequenzen beider Optionen sehe schlecht prognostizierbar sind.

- Buchhalterisch/Finanztechnisch
Obwohl ich von der ursprünglichen (seit 2010) verfolgten Politik der Reformierung und Umstrukturierung überzeugt bin, sehe ich im Moment keine Chance, dass sich GR mit neuen Krediten und den dazu erzwungenen Sparmaßnahmen in absehbarer Zeit erholen wird. Wenn ein oder mehrere BIP-Punkte allein schon zur Zurückzahlung (der Zinsen und der Kredite selbst) aufgebracht werden müssen, wird das ein Kampf über Jahrzehnte. Mit unabsehbaren sozialen und politischen Folgen. Ich glaube, man muss hier ehrlich sein: das wird GR nimmer schaffen. Ohne Schuldenumstrukturierung seh ich wenig Chancen: es ist einfach keine tragfähige Schuldenstruktur vorhanden.
Dafür stand Syriza ein ("Keine Hilfspakete"). Dass das eine wirtschaftspolitisch vernünftige Position ist, verdeutlicht die Unterstützung von anderer Seite: Krugman, Stieglitz, Washington Post, sogar der IMF selbst räumt das ein: http://www.theguardian.com/business/2015/jul/02/imf-greece-needs-extra-….
Ich seh im aktuellen Zustand Griechenlands einfach nicht die Bedingungen, um Wachstum zu ermöglichen. Auch nicht mit Null-Zinsen. Geschweige denn den riesigen Berg an Schulden aka Hilfspaketen abzutragen und gleichzeitig sozialen Frieden zu sichern. Hier darauf zu vertrauen, dass irgendwann eine Umschuldung erfolgt, halte ich für spekulativ.

- Politisch
In den aktuellen Verhandlungen ist implizit auch eine politische Dimension vorhanden, die auch über die Zukunft der EU als Friedensprojekt entscheidet. Man erhält den Eindruck hier geht es um ein "wir-gegen-die" und nicht um eine gemeinsame Lösung.
Wäre Griechenland Teil der USA, also föderalistisch organisierte Bundesstaaten, wäre die GR-Krise längst nicht so dramatisch, siehe auch die Finanzkrise in Kalifornien. Ich würde mir wünschen die EU würde sich in diese Richtung entwickeln. Deutschland hat dies ja auch schon vorgemacht: Zusammen mit Frankreich beschloss man die Auflockerung der Maastricht-Kriterien. Haushaltspolitsch eigentlich ein No-Go, wirtschaftspolitisch in bestimmten Situationen durchaus sinnvoll.
Hier würde ich mir v.a. von Merkel mehr Vision wünschen, anstatt abwartenden Pragmatismus.

Hier noch ein paar Punkte zum Beitrag von Stefan Raffeiner:
Dort wird suggeriert GR wolle nur Geld und keine Reformen. Das ist faktisch nicht richtig. Die letzten 5 Jahre wurde ausgabenseitig massiv gespart. Einnahmenseitig ebenso. Ich bezweifle, dass hier noch viel zu holen ist. Das schließt aber Strukturreformen nicht aus.
Das damit errungene Wachstum fließt aber zum guten Teil in den Abbau der Schulden - das ist jene Spirale, die noch sehr lange weiter gehen wird. Syriza will gar keine weitere Hilfspakete - also Geld aus Brüssel, die diese Spirale noch weiter dreht, sondern v.a. eine vernünftige Schuldenumstrukturierung. In den letzten Wochen ist Tsipras sogar von dieser Position abgekommen, um eine Einigung zu ermöglichen
Einen guten Einblick über die Verhandlungen und die Dynamik des Abbruchs gibt dieser Artikel: http://www.nytimes.com/2015/07/03/business/dealbook/hopeful-start-to-gr…
Die Lagarde-Liste wurde von Tsipras Vorgänger (Papandreou und Samaras!) verschlampt. Also jenen, die jetzt wieder von der EU hofiert werden.

Und zu guter Letzt: ein Ja beim Referendum und ein Grexit würde aller Voraussicht nach auch zu massiven Kosten für die Gläubiger führen. Ob dieser Weg für GR selbst und für die Eu der bessere ist, wage ich zu bezweifeln.

Sab, 07/04/2015 - 13:33 Collegamento permanente
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Franz Linter Sab, 07/04/2015 - 14:54

Ja es wird viel geschrieben über die Situation in Griechenland. Die Inhalte lassen sich grob in 2 Lager teilen:
Erstens, die Griechen sind selbst schuld, dass sie in diese Situation gekommen sind und müssen jetzt sehen, wie sie zurecht kommen. Weitere Unterstützung gibt es nur zu den Bedingungen der Gläubiger, wo kämen wir hin, wenn die Schuldner bestimmen können, ob und wann sie die Schuld tilgen.

Zweitens, die Regierungen der Vergangenheit haben das durch die EU verfügbare Geld größtenteils nicht für die Entwicklung des Landes, sondern über die eigene Klientel versickern lassen. Die aktuelle Regierung hat harte Maßnahmen getroffen, kann aber nur mit Sparen nicht weiterkommen, parallel werden die Schätze des Landes über Privatisierungsmaßnahmen verhökert. Es braucht einen Schuldenschnitt und dann einen Wirtschaftsplan für das Land.

Der einfache Weg, man bevorzugt eine Seite ohne viel zu denken und haut auf die Gegenseite ein ohne viel zu argumentieren. Der aufwändige Weg besteht aus 2 Schritten:

Erstens, man sucht sich die Informationen, welche nicht nur einen isolierten Aspekt betrachten (Ist es richtig, dass das griechische Volk über eine Frage abstimmt, die gar nicht mehr zur Diskussion steht?) sondern die größere Zusammenhängen aufzeigen und mit Quellennachweisen versehen. Ein gutes Beispiel ist da der Arte-Film von Harald Schuhmann „Macht ohne Kontrolle, die Spur der Troika“, leider nur mehr auf youtube mit Werbeeinblendungen zu sehen, die Sendung war im März, in der Mediathek ist die Zeit abgelaufen.

Zweitens, man versucht mit den Unterlagen von erstens sich vorzustellen, wie es uns erginge, wenn die Troika sich nicht Griechenland sondern Italien zur Brust nimmt. Wenn IWF-Leute sagen würden, ein Krankenhaus in Südtirol ist mehr als genug oder vom Land verlangen würden, die 3 Zinnen oder die Wasserkraftwerke zu verkaufen. Hinzu kommt, dass Griechenland gerade deshalb so streng behandelt wird, um nicht als Beispiel für Italien zu gelten.

Sab, 07/04/2015 - 14:54 Collegamento permanente
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gorgias Sab, 07/04/2015 - 15:59

In risposta a di Franz Linter

Ich möchte den Beitrag zustimmen. Ich habe auch den Dokumentarfilm von arte gesehen und möchte hinzufügen, dass die Troika Privatisierungsmaßnahmen forciert und Griechenland quasi zwingt ganze Landstriche billig zu verhökern. Auch ist es unsinnig, dass man Griechenland dazu zwang eine gerade gerettete Bank schnell wieder zu verkaufen, bevor sich der Marktwert stabilisierte, so wie es in den USA auch passierte als man 2008 Unternehmen aufkaufte kurz vor dem Bankrott sie wieder fit machte und dann zu einem Marktpreis gutes Geld machten.

Griechenland kann man von vielen Seiten zurecht kritisieren, einmal wie sie es überhaupt schafften in diese Lage zu gelangen und dann wie man keine Strukturreformen zustande bringt. Ich würde mir aber von Deutschland wünschen, dass es für Strukturreformen genausoviel Druck ausgeübt hätte, wie dafür dass Griechenland sich verpflichtet die bestellten Panzer der deutschen Rüstungsindustrie abzunehmen.

Ich sehe in der ganzen Sache großes Versagen wie Deutschland seine dominante Situation nicht genutzt hat und das fehlende Vakum an europäischen Institutionen nicht gewillt ist auszufüllen, sondern seine starke Position für kleingeistige egoistische kurzfristige Interessen nutzt, vieleicht steckt Deutschland in dieser provinziellen Sichtweise weil es keine Kolonialmacht war und es nicht zustande bringt in größeren Zusammenhängen zu denken.
Empfehlenswert ist der Artikel im Economist der dies zur Sprache bringt:
http://www.economist.com/news/special-report/21579140-germany-now-domin…

Sab, 07/04/2015 - 15:59 Collegamento permanente
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Stefan Raffeiner Sab, 07/04/2015 - 15:24

Vielen Dank für die Zustimmung zu meinem Beitrag und vielen Dank für die Kritik von David Unterholzner, auf die ich versuchen werde zu antworten:

Buchhalterich/finanztechnisch. Es stimmt, dass sehr angesehene amerikanische Ökonomen wie Krugman die EU-Institutionen seit Jahren scharf kritisieren (eine zugebenermaßen etwas tendenziöse Zusammenfassung, aber immerhin eine Zusammenfassung mit weiterführenden links: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/griechenla…). Das andere Extrem wäre Hans-Werner Sinn, der vielleicht ähnlich politisch aufgeladen argumentiert wie Krugman, weshalb ich beiden, Krugman und Sinn, nicht so ganz traue. Unter Juristen heißt es: Zwei Juristen, drei Meinungen. Ich fürchte, dass es bei Ökonomen nicht anders ist. Am Ende muss man sich eben doch im politischen Diskurs eine Meinung bilden und nicht blind diesem oder jenem Experten folgen, denn es könnte der falsche sein. Und meine ist dahingehend, dass Krugman die griechischen Strukturen unterschätzt. Dass eine spending policy in den USA gewirkt hat, verwundert nicht, da die USA sich trotz aller Abstiegspropheten weiterhin als eine der innovativsten und unternehmerisch wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften zeigt. Das ist in Griechenland leider anders. Ohne Strukturreformen sehe ich nicht wie eine spending policy in Griechenland nachhaltiges Wirtschaftswachstum generieren kann. Zumal eine nachweisliche spending policy vor 2010 gerade in die Krise geführt hat. Richtig ist aber, und das schreibe ich auch, dass der Fokus zu lange auf Einsparungen gerichtet war. Ich habe aber den Eindruck, dass die Troika/Institutionen diesbezüglich dazugelernt haben und heute den Fokus verstärkt auf Geld (insofern durchaus eine Form von spending policy) gegen Reformen legen.

Politisch. EU das Friedensprojekt. Warum sieht man hier Egoismus auf der Geberseite und nicht auf den Nehmerseite? Und mit Verlaub: Wer bezeichnet die andere Verhandlungsseite als „Terroristen“ und „Blutsauger“? Würde man in Griechenland die Krise als Chance nutzen, würde sich ein Gegeneinander so nicht ergeben. Es wurden in der EU weitreichende Krisenmechanismen geschaffen (die es in den USA zT gar nicht gibt, wo es durchaus vorkommt, dass Kommunen/Staaten samt Rentenfonds Pleite gehen; erzählen Sie das einem griechischen Rentner). Aber die Krisenmechanismen der EU sind in ein Regelwerk eingebunden. Denn die EU ist ein Friedensprojekt und eine Rechtsgemeinschaft. Was föderale Strukturen in der jetzigen Krise akut bewirken sollen habe ich nicht ganz verstanden und auch Herr Prodi hat es mir nicht erklären können. Ich sehe nur, dass Griechenland sich nicht gegen zu wenig, sondern zu viel Einmischung vonseiten der Institutionen (und die Kommission ist durchaus ein föderales Element in dieser Hinsicht) wehrt.

Direkt zu meinem Beitrag. Dass Syriza für ein Ende der Hilfspakete eingetreten ist, ist im Wahlkampf richtig, hat sich dann aber als falsch herausgestellt, denn Syriza fordert weiterhin Geld aus den Hilfspaketen. Wenn sie es nicht forderten, müsste man gar nicht verhandeln und dann könnte Syriza tatsächlich jene Wirtschaftspolitik umsetzen, für die es eintritt. Mit eigenem Geld könnte Griechenland natürlich machen was es möchte, aber nicht mit dem Geld aus den Hilfspaketen. Bei den Schulden bleibe ich dabei: Ich halte das Problem nicht für akut, da sie derzeit rein nominell sind und Griechenland sich ohnehin nicht auf dem Kapitalmarkt finanziert. Natürlich hat sich in Griechenland auch einiges getan. Dass durch Wachstum generiertes Geld direkt in den Schuldendienst geht, sehe ich auch nicht ganz und somit auch keine Spirale. Im Gegenteil sehe ich hier die Geberseite sehr gesprächsbereit und richtigerweise. Aber so ganz tabula rasa kann es auch nicht sein. Jeder Staat wäre gerne seine Staatsschulden los (Italien!) nicht nur Griechenland ...

PS. Während ich dies schrieb, erreichte mich der Kommentar von Franz Lintner. Ich werde auch auf ihn eingehen, aber erst mal ein wenig die Sonne genießen. Bis später.

Sab, 07/04/2015 - 15:24 Collegamento permanente
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Benno Kusstatscher Sab, 07/04/2015 - 23:23

Interessanter Beitrag. Tolle Diskussion. Ich störe mich aber an ein paar Punkten:

1. "Ich bin mir sicher: Wenn Griechenland sich reformiert, wird zu gegebener Zeit eine weitere Umschuldung erfolgen; und zwar aus richtig verstandener europäischer Solidarität." wenn sich alle Beteiligten da so sicher wären, wäre m.E. das Thema bereits erledigt und alle zufrieden. Schade, dass die Institutionen sich nicht zu einer klaren Aussage hinreißen hat lassen und die Griechen zum Referendum genau dazu völlig im Dunkeln lassen.

2. "Denn ein „Nein“ bedeutet ein Ausstieg aus der Eurozone, ". Der meistdiskutierte Punkt der letzten Wochen, auf den niemand eine genau Antwort geben konnte, steht hier wie Gott gegeben. Durch Umfragen belegt ist, dass ein gehöriger Großteil der Griechen für den Verbleib im Euro ist, aber trotzdem eine Mehrheit für OXI möglich ist. Somit ist ein direkter Zusammenhang zwischen Referendum und Grexit für mich nicht nachvollziehbar.

3. die Referendumsidee mag mutig sein. Richtig wäre aber gewesen, das Referendum langfristig zu planen, vor 30. Juni anzusetzen und die Bevölkerung über etwas abstimmen zu lassen, das sie begreifen kann. Ich hatte weder in Griechenland, noch bei der Lektüre einschlägiger Medien das Gefühl, dass irgendjemand verstünde, was ein Ja und was ein Nein letztlich bedeutet.

Sab, 07/04/2015 - 23:23 Collegamento permanente
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Alfonse Zanardi Sab, 07/04/2015 - 23:52

In risposta a di Benno Kusstatscher

ad 3.) Referendum:
Sehe ich auch so. Das Referendum ist ja absurd kurzfristig angesetzt, wie soll sich eine Argumentation, Diskussion und Meinungsbildung in so kurzer Zeit entwickeln? Deswegen sehen sogar die überzeugtesten Direktdemokratiker (auch auf salto.bz) die Sache lauwarm. Ganz abgesehen von der Fragestellung.
Das Referendum ist also unerheblich, bestenfalls (im Sinne des klassischen Dramas) ein retardierendes Moment vor der Katastrophe, auf jeden Fall ein fahrlässig simplifizierendes Instrument des populistischen Erfinders.
Die einzige Gewissheit ist dass ein JA das Ende der Tsipras-Regierung wäre.

Sab, 07/04/2015 - 23:52 Collegamento permanente
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Georg Schedereit Dom, 07/05/2015 - 05:06

Höchste Zeit für solches Bemühen um eine Versachlichung der Debatte über den Schuldenberg Griechenlands - dort und überall sonst, wo man die Fähigkeit der Regierung Merkel zur Vorherrschaft in Europa ebenso gern überschätzt wie man ihre pragmatische Besonnenheit unterschätzt. Und von den ernstzunehmenden Medien in Deutschland hat nur ein einziges eine Zeitlang nationale Feindbilder geschürt.

In Griechenland hingegen beharrten sogar mehrere höchstrangige Regierungsmitglieder monatelang auf extremen und emotionalen Schuldzuweisungen Richtung Berlin. Als ob es dort (und in allen übrigen Staaten der Währungsunion!) nicht genauso wie in Griechenland (nur noch ein paar hundert Millionen mehr) Demokraten, Wähler und Steuerzahler gäbe, die auch schon seit Jahren z.T. große Opfer zur Sanierung ihrer eigenen Staatshaushalte gebracht haben.

Es geht keineswegs nur um Deutsche und Griechen, wie es bis vor wenigen Tagen von den auf nationale Nabelschau und personalisierte Sündenbocksuche spezialisierten Medien da wie dort , aber auch in Italien vollkommen falsch breitgetreten wurde.

Oder, eine Frage aus europäischem Gerechtigkeitssinn heraus: Oder sind die Iren, die Finnen, die Spanier, die Portugiesen, die Slowaken, die Slowenen, die Esten und die vielen anderen in Europa, die z.T. genauso oder noch mehr unter Arbeitslosigkeit, Absatzflaute und Wirtschaftskrise zu leiden hatten bzw. haben als die Griechen, sind auch Hunderttausende italienische Staatsbürger, sind auch ein paar tausend Südtiroler, sind sie alle etwa nicht annähernd so lang der Rede wert, der Aufmerksamkeit wert, der Empathie wert, der humanitären Hilfe wert wie jetzt unsere Griechen?

Die armen Griechen sind auch nach dem heutigen Volksentscheid, so oder so, von allen Eurozonen-Partnern, und von anderen, im eigenen Interesse weiter zu unterstützen. Aber dann endlich Schluss mit den Schauermärchen, dass eine Frau Merkel mit Hitlerbärtchen, oder eine Madame Lagarde mit Rechenschieber, oder irgendwelche anderen angeblichen antigriechischen Verschwörer dieses Volk vernichten bzw. demütigen wollten.

Sie sind nicht schuld daran, dass die Griechen über Jahrzehnte hinweg, während andere in der Währungsunion aufwachten und rechtzeitig an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiteten, die, wie esm schlechtesten wirtschaftenden und verschwenderischsten Regierungen weit und breit gewählt haben - und dass sie anscheinend bis heute nicht davon loskommen, dass sie nicht zur Eigenverantwortlichkeit für den eigenen Staat finden statt anderen im Ausland die Verantwortung für alles und jedes zuzuschreiben.

Dom, 07/05/2015 - 05:06 Collegamento permanente
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Stefan Raffeiner Dom, 07/05/2015 - 08:09

@Franz Lintner. Die Referendumsfrage ist tatsächlich ein juristisches Monstrum. Allerdings könnte eine klare politische Dimension dieses Manko ausgleichen. Man erinnere an das Referendum 1993 in Italien zum Mehrheitswahlrecht. Oft wird vergessen, dass die Referendumsfrage an sich kein Mehrheitswahlrecht eingeführt hat, da die Frage an sich dazu verfassungsrechtlich gar nicht in der Lage war. Das politische Ja zum Mehrheitswahlrecht war aber allen klar und wurde daraufhin ins sogenannte Matarellum gegossen. Anfangs dachte ich, dass die politische Dimension klar wäre als „Derby Euro-Drachme“ um Matteo Renzi zu zitieren, wobei Euro an ein Hilfspaket mit Auflagen und Drachme an wirtschaftspolitische Souveränität geknüpft wäre. Tsipras hat die politische Dimension verwischt, indem er ein Nein als ein besseres Verhandlungsmandat auslegt. Ich habe das in meinem Text als eine Wahllüge bezeichnet, weil er dies meiner Meinung nach nicht liefern wird können. Nun müssen die Griechen entscheiden, wem sie größeren Glauben schenken. Wäre ich Grieche, ich würde nach einem Derby Euro-Drachme entscheiden.

Den Film „Macht ohne Kontrolle“ habe ich vor einigen Monaten gesehen, aber Sie müssen zugeben, dass der Film durchaus einen politischen Unterton trug. Ich bin etwas skeptisch, ihn als reine Faktensammlung zu sehen, aber ein guter Debattenbeitrag. Dass man nicht alles in die Hände von „Technikern“ legen sollte, hat, denke ich, auch die Erfahrung mit der Regierung Monti gezeigt. Insofern finde ich gut, dass Herr Juncker versucht hat, die Verhandlungen zu „politisieren“, indem er die politische und somit demokratische Kontrolle über Eurobürokraten zu verstärken versucht.

Wie es uns mit der Troika erginge ist ein interessantes Gedankenspiel. Gut möglich, dass im Gesundheitswesen und in vielen anderen Bereichen Einsparungen gefordert würden sowie Privatisierungen bestimmter Landesbeteiligungen. Die Debatte läuft übrigens auch ohne Troika. Den Verkauf der Drei Zinnen halte ich dennoch für unwahrscheinlich :-) Der Punkt ist aber ein anderer: Ich muss mit dem Steuergeld, das ich habe, irgendwie auskommen. Und wenn schon aus einer Notsituation heraus jemand anderer einspringt, dann kann ich ihm nicht verbieten, mitzureden. Der Gestaltungsspielraum von Ländern mit hohen Auslandsschulden ist nun mal eingeschränkt. Das gilt nicht nur für Griechenland. Selbst in den USA haben politische Berater vor der Gefahr gewarnt, wenn zu viel amerikanische Staatsschuld von China gehalten wird.

@Gorgias. Ich denke, dass es schwierig ist, einzelne Maßnahmen, welche die Troika gefordert hat oder gefordert haben soll, aus dem Kontext zu nehmen und dann einzeln zu bewerten. Haben Sie bei dem von ihnen angesprochenen Bankverkauf tatsächlich den Durchblick? Ich nicht. Ehrlich gesagt kenne ich auch nicht die genauen Auswirkungen einer Mehrwertssteuererhöhung auf griechischen Inseln oder der Kürzung des Militäretats um 200 statt 400 Mio €. Ich sehe auch viele Missinformationen auf beiden Seiten. ZB ist bis heute nicht klar wer welche Ausnahmen bei der damaligen Steueramnestie gefordert haben soll. Schade finde ich jedenfalls das Troika vs. Griechenland Narrativ. Da frage ich mich immer, für welche dunkle Mächte die Troika denn arbeiten soll ...

Mir ist nicht ganz klar, ob Sie jetzt mehr oder weniger Druck von Deutschland fordern. Und welche wären die kurzfristigen egoistischen Interessen Deutschlands? Die Erfüllung eines Panzerdeals? Ich warne aber davor, Deutschlands Rolle zu überfrachten. Deutschlands Rolle ist in der EU und deren Entscheidungsprozesse kann Deutschland nicht alleine steuern. Im Übrigen wird die Bundesbank im EZB-Rat in vielen Bereichen überstimmt.

@Benno Kusstatscher. 1. Das Umschuldungsthema ist deshalb nicht erledigt, weil meiner Meinung nach zwar das ob, aber nicht das wann und wie viel geklärt ist. Im Übrigen ist es auch Verhandlungsmasse auf dem hoffentlich weiteren griechischen Reformweg. 2. Gott gegeben ist er nicht. Aber ich denke dass die politische Dimension (siehe oben) eines Nein der Ausstieg aus der Eurozone ist. Im Übrigen halte ich einen Grexit im Falle eines Nein auch tatsächlich für die wahrscheinlichste Folge, da die EZB mit politischer Deckung der Eurogruppe den Geldhahn zudrehen dürfte. Auf das Gegenteil zu setzen halte ich für ein äußerst gefährliches „chicken game“. Gerade die Gelassenheit der Märkte diese Woche dürfte viele vom Grexit bestärkt haben. Eine Kehrtwende könnte in letzter Minute höchstens von Frankreich kommen. Klar ist, dass ein Grexit in der Eurogruppe nur im Konsens erfolgt. Ich denke aber, dass das Ja gewinnt. 3. Das Referendum hätte absolut anders geplant werden sollen. Trotzdem möchte ich auf meine Anmerkung @Franz Lintner verweisen.

@Alfons Zanardi. Zum Referendum habe ich meine Meinung schon geäußert. Ob ein Ja den automatischen Rücktritt der Tsipras-Regierung zur Folge hat, bin ich mir nicht ganz sicher. Syriza hat bisher eine erstaunliche innenpolitische Resistenz gezeigt. Das Argument, das Ja wäre nur unter Erpressung zustande gekommen, kann ich mir jetzt schon ausmalen. Außerdem habe ich bisher nur den klaren Satz von Varoufakis gelesen, dass er als Finanzminister zurücktritt. Ich kenne die griechische Innenpolitik nicht. Aber nach allen mir sonst bekannten politischen Gepflogenheiten, müsste ein Ja den Rücktritt einleiten. Um einen häufigen Satz meines ehemaligen Griechisch-Professor zu zitieren auf die Frage ob man positiv oder negativ ist: Man wird sehen.

@Georg Schedereit. Vielen Dank besonders auch für Ihren Beitrag, den ich als Ermutigung zur weiteren Diskussion sehe. Etwas schade finde ich, dass Oktavia Brugger, die mich zu meinem Beitrag inspiriert hat und die ich gewissermaßen zur Debatte auffordern wollte, bisher nicht daran teilnimmt, wenn ich ihren jüngsten Beitrag richtig lese.

Dom, 07/05/2015 - 08:09 Collegamento permanente
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Franz Linter Dom, 07/05/2015 - 11:54

In risposta a di Stefan Raffeiner

@Stefan Raffreiner
Die Lage ist so verfahren, dass es keine Lösung gibt, die allen gerecht wird. Eine Win-Win-Situation ist praktisch unmöglich, es geht in Richtung Lose-Lose. Deshalb meinte ich auch, besser sich nicht mit einzelnen isolierten Aspekten beschäftigen.
" Ich muss mit dem Steuergeld, das ich habe, irgendwie auskommen. Und wenn schon aus einer Notsituation heraus jemand anderer einspringt, dann kann ich ihm nicht verbieten, mitzureden." Klingt richtig, vorallem wenn es um mitreden und nicht bestimmen geht. Tatsächlich finde ich die Sache anders gereiht: Länder mit Exportüberschuss, die ja andere Länder mit Exportdefizit zur Folge haben, erzeugen Schulden in diesen Ländern und können so dort "mitreden" wie sich diese Länder zu verhalten haben. Ein gutes Beispiel dazu ist der Panzerdeal mit Deutschland. Siehe auch http://info.arte.tv/de/wir-haben-kein-griechenland-problem-wir-haben-ei… und http://www.flassbeck-economics.de/

Dom, 07/05/2015 - 11:54 Collegamento permanente
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Stefan Raffeiner Dom, 07/05/2015 - 12:25

@Christian Mair. Wie man erkennen kann, habe ich mir vorgenommen, möglichst auf jeden Kommentar zu reagieren. Allerdings gilt dies nicht für weiterführende links. Wenn Sie einige Punkte herausnehmen und hier in eigenen Worten wiedergeben, werde ich gerne versuchen, auch auf Ihre Anmerkungen zu reagieren. Nur so viel: Ich könnte zu mehreren Punkten der Berliner Zeitung Stellung nehmen, die mich nicht überzeugen. Vielleicht zur besseren Einordnung der Berliner Zeitung für jene, die sich nicht kennen. Die Zeitung steht der Partei „Die Linke“ nahe. Das soll keine Wertung sein, aber wenn ich die FAZ lese, denke ich auch immer mit, wem sie nahesteht und nehme manche Merkel-Hymne nicht ganz für bare Münze. Im Übrigen hat die Berliner Zeitung einer sehr guten Lokalteil, weshalb ich sie auch manchmal kaufe.
Zur Frage: Wohin geht das Geld? Im von mir zitierten FAZ Artikel im Kommentar zu David Unterholzner ist ein link zu einer Studie zweier amerikanischer Ökonomen zum Thema. Vielleicht hilft das weiter. Hier noch mal der direkte link: http://www.voxeu.org/article/modern-greek-tragedy Vorausgeschickt, dass ich kein Ökonom bin, habe ich die Sache so verstanden, dass die privaten griechischen Auslandsschulden auf institutionelle Gläubiger (bilatererale Kredite, EFSF/ESM, IWF, EZB) übergangen sind. Schulden für Geld übrigens, das vor 2010 tatsächlich auf die eine oder andere Weise nach Griechenland geflossen ist. Für die griechische Seite ändert der Wechsel auf der Gläubigerseite erstmal nichts, obwohl die institutionellen Gläubiger Zinsen weit unter den Marktzinsen verlangen, was für Griechenland natürlich sehr gut ist. Im Grunde genommen müssen sich eher die Geberländer fragen, ob das ein guter Deal war. Ich zB denke eher nicht. Im Nachhinein wäre es wahrscheinlich besser und billiger gewesen, die privaten Gläubiger zur Kasse zu bitten und taumelnde Banken ggf direkt zu stützen. Hat man es bei der Marktvolatilität 2010 nicht gewagt? Wahrscheinlich. Jedenfalls müssen mir all jene, die die bisherige Griechenlandrettung so scharf kritisieren (zB Krugman bzw. jene, die sich auch hier sehr kritisch äußern), noch erklären warum das Programm in Irland, Portugal und Zypern (Spanien war, wenn ich nicht irre, offiziell kein Programmland) doch einigermaßen funktioniert hat.

@Franz Lintner. Man kann den deutschen Exportüberschuss richtigerweise kritisieren. Allerdings sehe ich die Lösung nicht darin, Deutschland weniger wettbewerbsfähig zu machen, sondern die restliche Eurozone sollte wettbewerbsfähiger werden. Bei aller europäischer Nabelschau sollte man nicht vergessen, dass die wirklichen wirtschaftlichen Wettbewerber außerhalb Europas liegen. Im Übrigen hat die Binnennachfrage in Deutschland in den letzten Jahren relativ stark angezogen. Dass sich hinter dem deutschen Exportüberschuss das politisch-strategische Bestreben verbirgt, andere Länder in die Schuldenfalle zu treiben, um dann mitbestimmen zu können, glaube ich ehrlich gesagt nicht.

Dom, 07/05/2015 - 12:25 Collegamento permanente
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Franz Linter Dom, 07/05/2015 - 15:33

In risposta a di Stefan Raffeiner

@Stefan Raffeinler
Deutschland hatte 2014 ca. 300 Milliarden Exportüberschuss und wird 2015 ein paar mehr haben. Sieht man sich das Wachstum an, fragt man sich, wo es ohne diesen Exportüberschuss wäre. Das ist das schizophrene daran, wenn D einerseits will, dass sich alle so verhalten wie sie, andererseits als Gläubiger dafür sorgt, dass Schuldner Schuldner bleiben.
Vielleicht kommt der Tag, an dem die wirklichen Entscheider merken dass, ihr Modell, das sie allen aufdrücken, so nicht weiterfunktionieren kann. Wahrscheinlicher ist es, dass die reichen Staaten, um ihren Reichtum zu bewahren und zu steigern, bewusst andere Staaten klein halten, um nicht ausbeuten zu sagen und sich dann wundern, wenn dadurch Migrantenströme erzeugt werden.
Kennen Sie einen Staat in Afrika, der reich an Bodenschätzen ist, eine halbwegs demokratische Regierung hat und die Erlöse der Bodenschätze den Bewohnern zugute kommt?

Dom, 07/05/2015 - 15:33 Collegamento permanente
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Martin Daniel Dom, 07/05/2015 - 19:37

Krugman und Stiglitz predigen m.E. eine Rettungsstrategie, die einen Einheitsstaats voraussetzt, bei dem Geld- und Fiskalpolitik zusammenfallen. Zudem wird ihre Strategie für Pleiten öffentlicher Gebietskörperschaften in der Heimat keineswegs angewandt: Die USA lassen Kommunen und Staaten beinhart bankrott gehen, genauso scheint auch nun mit Puerto Rico verfahren zu werden: u.a. werden auch Pensionsfonds werden herbe Verluste hinnehmen müssen (siehe z.b. TAZ http://www.taz.de/!5208635/). In Detroit verloren die Angestellten des Polizeiapparates anscheinend 90% ihrer Rentenansprüche. Das ist freier Markt in seiner Reinform, von Keynes keine Spur. Was sagen Sie Herr Raffeiner?

Dom, 07/05/2015 - 19:37 Collegamento permanente
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Thomas Benedikter Lun, 07/06/2015 - 11:07

Die Argumentation von Stefan Raffeiner ist sehr zu beherzigen. Das griechische Volk hat gestern die Bedingungen für neue Hilfsprogramme der "Institutionen" und damit der Eurozone mit satter Mehrheit abgelehnt, was zu erwarten war. Wie Raffeiner zu recht schreibt, können die übrigen 340 Millionen Bewohner der Eurozone nicht über diesen Kompromissvorschlag abstimmen. Tsipras hat seine Position durch das Referendum zwar gestärkt, aber keine Seite braucht sich in diesem Streit eine Lösung aufzwingen lassen. So hat z.B. das auch in Krise geratene Slowenien, Hilfsprogramme der Eurozone abgelehnt und selbst eine Sanierungsstrategie festgelegt.

Der Euro ist eine Gemeinschaftswährung mit 19 Mitgliedern mit gemeinsam festgelegten Grundregeln, die schon zu oft relativiert und gebrochen worden sind. Eine Fiskalunion dieser Länder (vgl. meinen Beitrag dazu: http://www.salto.bz/de/node/32231) ist der nächste notwendige Schritt, um den Euro zu stabilisieren. Diese braucht sicher noch strengere Regeln, noch robustere, demokratisch legitimierte Institutionen. Diese können nur im Kompromiss zwischen allen Teilnehmern entstehen. Aus diesen Regeln wird man sich nicht per Volksabstimmung teilweise verabschieden können, sondern nur aus dem Regelwerk als Ganzes.

http://movisol.org/sommario-esecutivo-del-rapporto-preliminare-della-co…

: http://www.salto.bz/de/node/32231

Lun, 07/06/2015 - 11:07 Collegamento permanente
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Christian Mair Ven, 07/10/2015 - 16:21

In risposta a di Thomas Benedikter

Keine Solidarität aus Angst vor Zugeben des Scheiterns der eigenen Politik und Zuwachs der rechten Parteien?
"Die Brüsseler Profimannschaft wird wissen, wie sie sicherstellt, dass jeder, der wie Syriza in der EWU bleiben will, nach den dort geltenden neokapitalistischen Regeln zu spielen hat. Die werden nicht zuletzt von Regierungen bestimmt, die Angst vor ihren Wählern haben, vor allem vor denen, die sich zurzeit überall hinter aufsteigenden rechten Souveränitätsparteien neu organisieren. "Solidarität" über nationale Grenzen hinweg von Gesellschaften zu erwarten, die sich immer schwerer damit tun, Solidarität innerhalb ihrer Grenzen zu praktizieren - von fiskalisch konsolidierenden Hochleistungsgesellschaften, geprägt von einem sich ständig verschärfenden Rattenrennen um Geld und "Karriere" und mit wachsenden, vom Dauerwettbewerb aussortierten Unterschichten - ist, mit Talleyrand, schlimmer als eine Sünde: es ist ein Fehler. Und dasselbe gilt für die Vorstellung, so es diese denn tatsächlich gibt, dass Sozialismus in Griechenland auf eine umverteilende Zuteilung des Wohlstands der westeuropäischen Mittelschicht mittels nicht rückzahlbarer kapitalistischer Kredite gegründet werden könnte - zumal dieser Wohlstand dort, wo er einmal zu Hause war, zusehends abbröckelt. " (aus: http://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-gefangen-in-der-euro…)

Ven, 07/10/2015 - 16:21 Collegamento permanente
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Martin Daniel Ven, 07/10/2015 - 16:47

In risposta a di Christian Mair

Hier geht es nicht um Neokapitalismus und Sozialismus, Hochleistungswettbewerb oder Solidarität, auch nicht um das Zugeben des Scheiterns, sondern um die Bewahrung einer Währungsunion, die nur funktionieren kann, wenn die Teilnehmer einigermaßen die Spielregeln akzeptieren und gegenseitiges Vertrauen fördern. Ein Land kann nicht in einer gemeinsamen Währung bleiben, wenn es über Jahrezehnte hinweg mehr ausgibt als produziert bzw. einnimmt, dann nämlich wird die Währungs- zur Transferunion, der sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich, kulturell und politisch in diesem historischen Augenblick die Basis und der Wille fehlt.*
Das war doch mit ein Grund für das Scheitern der Hippie-Kommunen in den 70er: Viele arbeiten, einige liegen in der Hängematte und kiffen von morgens bis abends. Klar, dass denen, die im Garten rackern, damit das Essen auf dem Tisch steht, irgendwann der Kragen platzt. Wenn schon Sozialismus, dann in beide Richtungen.
*Dieses Land darf deswegen nicht moralisch herabgewürdigt werden, aber es wird bei Beharren auf seinen Standpunkten (danach sieht es mittlerweile ja nicht mehr aus) aus dem Club austreten und auf eigenen Beinen stehen müssen. (Dabei würde ihm humanitäre Hilfe von niemandem verwehrt werden, das versteht sich). Wenn es ihm gelingt, sich auf dem Kapitalmarkt zu finanzieren gut, wenn nicht, müssen Einnahmen und Ausgaben in Einklang gebracht werden. Auf linke Freunde braucht sich jedenfalls kein Land zu verlassen: Kuba und Co. verlangen von Argentinien für "Freundschaftskredite" Zinsen über dem Marktniveau.

Ven, 07/10/2015 - 16:47 Collegamento permanente
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Franz Linter Lun, 07/06/2015 - 17:33

Es geht nicht um den Export überhaupt, sondern um den Exportüberschuss in großen Zahlen und über mehrere Jahre. Auf der anderen Seite stehen Länder mit einer negativen (Außen)Handelsbilanz, die sich, wenn es länger so geht, verschulden müssen. Wie finden sie das, wenn die starken Länder, welch die schwachen brauchen, damit sie ihre Exportüberschüsse überhaupt loswerden, den schwachen sagen, ihr müsst euch anstrengen, umstrukturieren (ohne investieren zu können), einsparen, Schulden abbauen, die Wertsachen (unter Preis) veräußern und damit sich jede Chance verbauen jemals stark zu werden?
Wenn jedes Land die eigenen Probleme konsequent angehen würde, statt auf die Probleme der Nachbarstaaten zu zeigen kämen wir sicher weiter.
Die wahre Konkurrenz sind nicht irgendwelche Staaten, sondern multinationale Konzerne, die sich einer wohlwollenden Gesetzgebung erfreuen und solange größer und mächtiger werden bis sie die Staaten ablösen oder von denen wieder zerschlagen werden.
Als einfache Bürger können wir uns zumindest auf kommunaler Ebene einbringen und wenn wir können den Schwachen helfen, sowie wir annehmen, dass uns geholfen wird, wenn wir in Not sind. Ich möchte nicht in einer Gemeinschaft leben in der man Schwache notschlachtet, weil es irgendwelche Paragraphen hergeben.

Lun, 07/06/2015 - 17:33 Collegamento permanente
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Stefan Raffeiner Lun, 07/06/2015 - 17:57

Vielen Dank für die neuen Kommentare (Werner Heiss, Martin Daniel und Thomas Benedikter) die meinem Beitrag zustimmen und denen auch ich nicht viel hinzufügen kann, weil ich sie alle drei teile.

Die Anmerkung von Thomas Benedikter möchte ich dennoch zum Anlass nehmen, kurz den gestrigen Referendumsausgang zu kommentieren, der mich zugebenermaßen überrascht hat. Ich habe mich (und Benno Kusstatscher hat wohl richtigerweise darauf hingewiesen) vielleicht etwas weit aus dem Fenster gelehnt mit meinem Punkt, dass OXI den Grexit bedeutet. Für mich war und ist es weiterhin die politische Dimension des Referendums. Heute stelle ich aber fest, dass beide Seiten so tun als ob es kein Referendum gegeben hätte. Tsipras bittet Varoufakis um seinen Rücktritt, will schnell eine Einigung und scheint über Nacht Kreide gefressen zu haben. Die Geberseite scheint auch lieber über das Referendum hinwegsehen zu wollen. Der goldene Wendehals aber gebührt Matteo Renzi. Vergangenen Dienstag hat er in einer Rede an der Berliner Humboldt-Universität, wo ich dabei war, groß vom Euro-Drachme-Referendum gesprochen (er hat es auch anderswo gesagt und wurde in der Presse damit zitiert) und Griechenlands große Entscheidung etc. etc., heute fordert er am Vehementesten eine Einigung ... Wenn Tsipras trotz des Neins dem Angebot der Geberländer zustimmen will, muss er das den Griechen erklären. Zu hoffen ist, dass die Geberländer jetzt nicht völlig einknicken. Aber wenn man jetzt wieder an den gleichen Punkt zurückkehrt wie vor der Referendumsankündigung und den Text, auf den man sich ohnehin fast geeinigt hatte, mehr oder weniger annimmt, dann frage ich mich ob das Referendum nicht mehr war als eine therapeutische Maßnahme zum Dampf ablassen. Mich als Demokraten schmerzt das. Ich hatte gehofft, dass Tsipras und die Geberseite die Chance nutzen, das griechische Volk über seine Zukunft abstimmen zu lassen und es auch ernst nehmen: im Euro und damit eingebunden in eine Solidar- und Rechtsgemeinschaft oder in einer Drachme mit einer unabhängigen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Nun droht wieder das hin und her. Demokraten aber sollten den Grexit fordern.

Lun, 07/06/2015 - 17:57 Collegamento permanente
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Franz Linter Ven, 07/10/2015 - 22:43

Noch ein paar Links, weil es sich lohnt der aktuelle Berichterstattung und Meinungsmache andere und ich finde begründete Sichtweisen gegenüber zustellen:
https://www.youtube.com/watch?v=GQpwrtTST_M
http://www.profil.at/ausland/stephan-schulmeister-griechenland-weg-in-d…
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Der-rasende-Regierungschef/s…
und für die an Linksphobie Leidenden 37 min Georg Schramm:
http://hotchpotch-blog.de/2015/07/07/georg-schramm-zu-atomenergie-finan…

Ven, 07/10/2015 - 22:43 Collegamento permanente
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Christian Mair Mer, 07/15/2015 - 10:03

In risposta a di Franz Linter

" Per anni, l’establishment tedesco – dai politici ai giornali – ha fornito all’opinione pubblica una immagine della realtà europea fasulla, in cui, ad esempio, i tedeschi appaiono quelli che finanziano i debiti greci, anche se, pro capite, il contribuente tedesco ha versato esattamente quanto quello italiano. Nessuno, tuttavia, al di là del Reno, la mette in discussione. Ora, è anche possibile che i teorici dell’austerità abbiano ragione, ma l’aspetto malsano della vicenda è che l’opinione pubblica tedesca non conosce altra versione della realtà"

http://www.nuovaresistenza.org/2015/07/15/la-vera-tragedia-europea-e-la…

Mer, 07/15/2015 - 10:03 Collegamento permanente
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Lupo Cattivo Gio, 07/16/2015 - 23:54

Das finanzielle sowie strukturelle Problem Griechenland ist nicht neu. Das Theater um Gelder, Schulden, Bedingungen und Sparpakete dauert nun schon einige Jahre. All die bisherigen Maßnahmen haben nichts gebracht! Außer böses Blut. Die Wirtschaft in Griechenland ist am Boden, die Steuerbelastung extrem, die Verarmung weit fortgeschritten.

Trotzdem hat man keine anderen Lösungen gesucht, einen Grexit ausgeschlossen. Ein ordentliches Sanierungsverfahren verhindert. Warum? Weil dies nicht im Sinne der Gläubiger ist.

Tatsache ist, dass die wegen der hohen Zinsen lukrativen Investitionen in griechische Staatsanleihen den Finanzmarkt tatsächlich bei einer Pleite zusammenbrechen lassen können. Aber nicht wegen der Griechen, sondern wegen der Finanzgebarungen mit Hoch-Risikopapieren. Gehebelt, weiter gehandelt, gegen Zahlungsausfall hoch versichert (CDS), erreichen die Summen ein Vielfaches des ursprünglichen Wertes. Summen, die nicht mehr gedeckt werden können.

Demnach sind nicht die Griechen die Hauptschuldigen, sondern die gierige Finanzmafia, die an der Tragödie Milliarden verdienen möchte. Und deshalb kaum Interesse hat, Griechenland in einem geordneten Verfahren zu entschulden.
Die wahre griechische Tragödie hat eben erst angefangen,Griechenland wurde zum Ausverkauf und zur Ausplünderung freigegeben. Tsipras, Varoufakis oder wer auch immer,dort die Zügel in der Hand hat,oder hatte,und wer weiß,in Zukunft haben wird;die Schulden werden niemals zurück bezahlt!!!
Nebenbei,Griechenland hat gerade mal 11 Millionen Einwohner.

Gio, 07/16/2015 - 23:54 Collegamento permanente