Società | Bozen

“Soziale und sanitäre Bombe”

Die 5 Sterne Bewegung fordert die Schließung des Ex-Alimarket. Auch Il Fatto Quotidiano berichtet über die Flüchtlingsunterkunft. Und Kritik kommt am Begriff “Lager”.
Ex-Alimarket
Foto: Movimento 5 Stelle

Sie nennen es nur mehr “il lager di via Gobbetti”. Nach den heftigen Regenfällen der vergangenen Wochen hatten die Vertreter der 5 Sterne Bewegung in Bozen auf die miserablen Zustände im Ex-Alimarket in der Bozner Industriezone hingewiesen. Nun fordern sie die Schließung der Einrichtung, die als temporäre Anlaufstelle für Flüchtlinge dienen soll, die nicht über den nationalen Aufnahmeplan sondern auf eigene Faust ins Land kommen. Die 5 Sterne Bewegung ist alarmiert: “Der Ex-Alimarket, gedacht als Notfallstruktur wird immer mehr zu einer dauerhaften Einrichtung” – man fürchtet, dass der ehemalige Supermarkt zur “sozialen und sanitären Bombe” werden könnte.

Rund 300 Personen sind im Ex-Alimarket, für den das Land monatlich 39.000 Euro Miete an den Eigentümer, den Bauunternehmer Pietro Tosolini, zahlt, derzeit untergebracht. Die Zustände seien desaströs, berichten Maria Teresa Fortini und Paul Köllensperger. Die Menschen verschiedener Herkunft, Gewohnheiten, Religionen, Sprachen und Kulturen seien zum Zusammenleben auf engstem Raum gezwungen, “in einem alten, für die Aufnahme nicht geeigneten Handelsgebäude”.
Inzwischen ist man auch außerhalb der Landesgrenzen auf die Situation im Ex-Alimarket aufmerksam geworden.
Am Wochenende berichtet Il Fatto Quotidiano in seiner Onlineausgabe von Wanzen und schmutzigen sanitären Einrichtungen. “Abbiamo tanti problemi viviamo tutti in grandi stanze, dove fa molto caldo e non ci sono finestre. I bagni non vengono mai puliti, sono sempre sporchi”, so ein junger Senegalese, der mit dem Fatto gesprochen hat.
Als “inakzeptabel” bezeichnet die Bozner 5-Sterne-Gemeinderätin Fortini, “dass eine reiche Provinz wie Bozen so viele Personen unter unmenschlichen Bedingungen zusammenpfercht”. Konflikte, die auch in Gewalt ausarten – wie zuletzt im April dieses Jahres – seien vorprogrammiert.

Vom Fatto auf die Zustände angesprochen, weist der Direktor der Abteilung Soziales Luca Critelli die Vorwürfe von sich. Zehn Mal habe er den Ex-Alimarket im Laufe eines Jahres besucht – “e rispetta gli standard accettabili di una struttura di quel tipo”, sagt er. Critelli warnt die Bewohner der Einrichtung davor, sich allzu sehr zu beschweren: Die “paar Zentimeter Wasser”, die am vorvergangenen Wochenende in das Innere eingetreten sind, seien “kein übertrieben großes Problem”: “Gli ospiti sono liberi di dire quello che vogliono. Di solito però consigliamo loro di stare attenti a lamentarsi, perché la popolazione reagisce considerandoli degli ingrati.

Mit Nachdruck fordern Köllensperger und Fortini nun erneut, den Ex-Alimarket als Flüchtlingsunterkunft zu schließen, die Menschen, die Anrecht auf Asyl haben, auf die anderen Gemeinden zu verteilen und jene, die keine Aussicht auf Bleibe haben, über die Möglichkeit des “Ritorno Volontario Assistito” in die Herkunftsländer zurück zu schicken.
Indes schlägt der 5 Sterne Bewegung Kritik entgegen, weil sie den Ex-Alimarket immer wieder als “lager” bezeichnen. Es ist Alessandro Bertoldi, der als Vize-Präsident der “Unione delle Associazioni pro Israele” in einer Aussendung die Verwendung des Begriffs heftig kritisiert: “Sentire parlare di lager nel 2017 per definire le condizioni di un centro d’accoglienza (…) è del tutto fuori luogo (…), i lager sono e sono stati ben altra cosa.” Bertoldi bezieht sich auf die Konzentrationslager in Nazi-Deutschland und Internierungslager für Kriegsgefangene und politische Häftlinge. Die Politik solle es vermeiden, “die Erinnerung an Millionen Menschen zu beleidigen”, so Bertoldi. Tatsächlich wird der Begriff “Lager” im Italienischen im weiteren Sinne auch für Einrichtungen, die unter unmenschlichen Bedingungen geführt werden, verwendet.

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Mensch Ärgerdi… Lun, 07/03/2017 - 11:54

Wer der Eigentümer ist doch ziemlich Wurst. Das skandalöse ist doch, dass man 1300€ am Tag für die Miete einer Immobilie bezahlt die nicht mal Wetterfest ist. Bei solchen Summen wäre es doch schlauer selbst zu bauen, oder?

Lun, 07/03/2017 - 11:54 Collegamento permanente