Cultura | Salto Weekend

Die Zeit ist gekommen

Katia Fellin spielt im nächsten "Tatort"-Krimi eine Frau die ihr Leben auf die Reihe bringen will. salto.bz hat die junge Schauspielerin zum Verhör geladen.
katia_fellin
Foto: 2019 Annemone Taake

salto.bz: Sie spielen im kommenden Tatort Dresden: Die Zeit ist gekommen. Den Osten Deutschlands kennen sie durch Ihre Ausbildung. Ein guter Zufall?

Katia Fellin: Ein sehr guter Zufall. Auch wenn ich denke, dass das, was diesem jungen Ehepaar passiert, nicht eine „ostdeutsche“ – wenn man das überhaupt so kategorisieren möchte – Geschichte ist.
Aber ja, ich habe mich sehr gefreut, fünf Wochen in Dresden leben und arbeiten zu dürfen. Ich habe, seit ich nach Deutschland gezogen bin, nur in Berlin und in den neuen Bundesländern gelebt und irgendwie haben es mir die Städte und die Leute hier auch angetan. Ich habe durch meine FreundInnen und KollegInnen aus dem Osten Deutschlands das Gefühl bekommen, dass deren Mentalität viel näher an der mediterranen, also meiner, ist. Familie und Gemeinschaft haben einen ebenso hohen Stellenwert, wie ich das aus Italien kenne. Und darum geht es auch in dieser Tatortfolge: Eine Familie, die zerrissen wird, und mit aller Kraft versucht, zusammen zu bleiben.

Die härteste Kritik bekomme ich von mir selbst. Das ist auch gut so.

Sie spielen Anna Bürger, die Ihr Leben nach vielen Partys mit Ihrem Mann auf die Reihe bringen will. Werden Sie am Sonntag auch Party machen?

Am Sonntag werde ich zunächst in Berlin beim bundesweiten Aktionstag zur Evakuierung der griechischen Geflüchtetenlager teilnehmen. Unter dem Hashtag #leavenoonebehind werden wir in Berlin einzeln im Minutentakt durch die Stadt spazieren und dabei farbige Fußabdrücke hinterlassen, um auf die Menschenrechtsverletzungen in diesen Lagern hinzuweisen. Danach werde ich im kleinen Kreis, sprich mit meinen MitbewohnerInnen, den Tatort gucken und wahrscheinlich einen Korken knallen lassen.

 

Wie kritisch beurteilen Sie sich selbst am Bildschirm?

Ich beurteile mich selbst unglaublich kritisch. Ich glaube, das ist unter SchauspielerInnen ein allgemeines Phänomen, sich selbst nicht wertfrei zugucken zu können. Daran musste ich mich auch erstmal gewöhnen. Die härteste Kritik bekomme ich von mir selbst. Das ist auch gut so. Das zwingt mich außerhalb der Komfortzone zu denken und mich weiter zu entwickeln.

Was macht den Fall – abgesehen von Ihrer Darbietung – besonders attraktiv?

Es ist eine Familiengeschichte, die sehr stark unter die Haut geht. Ohne jetzt zu viel verraten zu wollen: Dieser Fall lässt Stimmen zu Wort kommen, die oft gar nicht erst ihre Stimme erheben können. Menschen werden viel zu oft voreilig von Gesellschaft, Nachbarn, Justiz gebrandmarkt, verurteilt. Damit wird diesen Menschen die Möglichkeit genommen, ihr Leben zu verändern und das auch zeigen zu dürfen.

Der Weg ist immer noch mühsam, aber angenehm mühsam.

Ab wann reifte bei Ihnen der Wunsch Schauspielerin zu werden? Sie standen ja bereits für einige Produktionen vor der Kamera…

Dafür gab es zwei Momente in meinem Leben. Den Wunsch, Schauspielerin zu werden, Theaterschauspielerin, hatte ich, als ich etwa 11 Jahre alt war und anfing, bei Musicals der Musical School Bozen und den VBB (Vereinigte Bühnen Bozen) mitzuwirken.
Das war aber ein utopischer Wunsch. Ich fand die Vorstellung schön, glaubte aber nicht daran, dass es möglich wäre und in meinem Kopf gab es keine Aussicht, einem künstlerischen Beruf nachzugehen und davon leben zu können.
Als ich nach Berlin zog, habe ich wieder angefangen, Theater zu spielen, bei den P14 an der Volksbühne Berlin und bei anderen freien Gruppen. Dort habe ich viele junge Menschen kennengelernt, die als SchauspielerInnen arbeiteten, und andere, die gerade bei Schauspielschulen vorsprachen. Nun, da hat es für mich Klick gemacht, und ich habe diesen Wunsch wieder ausgepackt.


Sie sind in Trient geboren, in Oberbozen aufgewachsen und haben eine Passion für Mathematik – haben Sie mit diesem Erfolg „gerechnet“? 

Ich habe mit gar nichts gerechnet. Wie gesagt, dies war für lange Zeit ein WunschtraumIch habe ja nicht mal damit gerechnet, dass ich an einer Schauspielschule angenommen werden würde. Ich habe über eine lange Zeit an Schauspielschulen vorgesprochen, bin durch ganz Deutschland gefahren, habe gleichzeitig Mathematik studiert und als Touristenführerin gearbeitet, um dann endlich einen Studienplatz an der Hochschule für Musik und Theater Rostock zu bekommen. Während dieser Zeit weißt du aber nie, wann es denn endlich klappen könnte mit einem Studienplatz und ich habe schon mal überlegt, einfach damit aufzuhören. Dieses Studium hat viel Spaß gemacht, war auch hart und extrem intensiv. Nach dem Studium ging das Vorsprechen dann wieder von vorne los, entweder an Theatern für Engagements oder Gastproduktionen, oder Castings für Filmprojekte.

Wie mühsam war der Weg?

Der Weg ist immer noch mühsam, aber angenehm mühsam. Ich habe es schätzen gelernt, meine Ausdauer immer aufs Neue zu erproben. Diese Branche ist wahnsinnig aufregend, da kommen Menschen und Projekte zusammen, da kribbelt es mir gleich unter den Fingernägeln, wenn ich daran denke. Andererseits ist sie auch hart, man muss viele Absagen wegstecken, weitermachen und sie lässt einen bestimmt nicht ausruhen. Und das ist genau das Reizvolle daran für mich!

Früher haben Sie auch Theater gespielt. Spielt die Bühne noch eine Rolle?

Na klar, eine riesige Rolle! Ich habe in Italien nur Bühne gemacht, als ich nach Berlin gezogen bin, auch nur Bühne, und während meiner kompletten Ausbildung habe ich fast ausschließlich Theater gespielt.
Nach dem Studium war ich für eine Spielzeit am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin. Das hat mir auch nochmal gezeigt, dass ich auch weiterhin auf der Bühne arbeiten will. Ich will und kann mich gar nicht zwischen Film und Theater entscheiden. Es sind zwei so unterschiedliche Künste und Arbeitsweisen.


Sie sind zweisprachig aufgewachsen. Ein Vorteil?

Ja, ein klarer Vorteil. In allen Lebenslagen! Klar, in meinem Beruf ist das natürlich Bombe. Ich kann in mehreren Ländern mit meinen Muttersprachen arbeiten und kann dadurch noch mehr Menschen kennenlernen und mit ihnen tolle Arbeiten machen. Und es gibt oft Situationen, wo mir die Zweisprachigkeit ein lustiger Zeitvertreib ist, beispielsweise bei Gesprächen anderer lauschen, wenn sie sich als die einzig dieser Sprache Mächtigen wähnen...

Ich bin Opfer des Systems

Haben Sie eine Traumrolle?

Ich würde gerne in einem historischen Actionfilm spielen. Mit vielen Bewegungs- und Kampfchoreographien und ausgefallenen Kostümen.

Sind Sie die Mörderin, oder Täterin im Tatort?

Ich werde auf gar keinen Fall verraten, ob in dieser Folge ein Mord begangen wird, und wenn ja, wer die Mörderin oder der Mörder ist.
Ob ich Täterin bin? (lacht) Ich bin Opfer des Systems.