Ambiente | Forstwirtschaft

Sorgenkind Wald

Der Wald ist zu einem Sorgenkind geworden, erklärte Arnold Schuler bei der Vorstellung des Agrar- und Forstberichts 2021. Im besonderen Fokus stand dabei der Klimawandel.
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Foto: LPA/Matilde Ciriani
Mit dem Agrar- und Forstbericht 2021 wurde wieder eine umfangreiche Bestandsaufnahme zu den Themen Forst- und Landwirtschaft herausgegeben. Die wichtigsten Inhalte wurden gestern (4. August) im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Ein besonderer Fokus wurde dabei auf den Klimawandel gelegt, der Südtirols Wälder vor große Herausforderungen stellt. Sehr viele Bereiche der Land- und Forstwirtschaft werden inzwischen davon tangiert, wie Landesrat Arnold Schuler eingangs betonte. 
Im ersten Teil des über 200 Seiten starken Berichts werden die verschiedenen Herausforderungen thematisiert, wie beispielsweise die Umsetzung des Aktionsplanes „LandWIRtschaft 2030“, der vor Kurzem vorgestellt wurde. Im Zuge der Nachhaltigkeitstage, die Anfang September in Bozen stattfinden werden, wird ein 100 Maßnahmen umfassender Katalog vorgestellt, der die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategien in der Landwirtschaft zum Ziel hat. Schuler kündigte an, in der Folge jährlich eine Zwischenbilanz zu ziehen. Im 2. Teil folgen Situationsberichte der einzelnen Abteilungen, die anschaulich mit Datenmaterial unterlegt sind und von der Fördermaßnahmen über Tierzucht, Obst-, Wein- und Gemüseanbau bis hin zu Forst-, Alm- und Bergwirtschaft reichen. Aufgezeigt werden zudem die strategischen Handlungsfelder, die sich an den Nachhaltigkeitsstrategien des Landes anlehnen. Im 3. Teil werden die verschiedenen Förderungen behandelt, welche für die jeweiligen Tätigkeiten in Anspruch genommen werden können.
 
 
 
„Der Wald ist zu einem Sorgenkind geworden“, erklärte Schuler. Gemeint hat der Landwirtschaftslandesrat damit die Borkenkäferplage, die zu einem dramatischen Baumsterben in Südtirols Wäldern geführt hat. Mehrere Ereignisse haben dazu geführt, dass sich der Buchdrucker, der zur Familie der Borkenkäfer gehört und als Schädling vor allem die Fichtenbestände befällt, explosionsartig vermehren konnte. „Die Situation ist wegen dieses wenige Millimeter großen Insekts dramatisch“, unterstrich Günther Unterthiner, Direktor der Abteilung Forstwirtschaft. Die Käfer und Larven graben unter der Baumrinde Gänge und verhindern damit den Pflanzensaftfluss des Baumes. Wie Unterthiner erklärte, ist der Wald seit 2018, als das Sturmtief Vaia ungeheure Schäden angerichtet hat, nicht mehr zur Ruhe gekommen. 2019 und 2020 folgten Schneedruckjahre und inzwischen macht sich auch der Klimawandel immer stärker bemerkbar. Das Schadholz konnte nicht zur Gänze aufgeräumt werden und bot die ideale Brutstätte für eine massenhafte Vermehrung dieses Käfers. Das hat dazu geführt, dass auch stehende bzw. gesunde Bestände von diesen Schädlingen angegriffen wurden.
 
 
 
Im heurigen Jahr hat sich die Situation noch einmal zugespitzt, weil die bereits geschwächten Bestände zusätzlich durch die lange Trockenheit und die Hitze geschwächt wurden. Die Bäume geraten in Trockenstress und sind damit noch anfälliger für den Borkenkäferbefall. Über verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise Förderbeiträge für Holzentnahmen wird versucht, das Schadholz aus den Wäldern zu entfernen und zu verhindern, dass den Käfern weitere Brutstätten zur Verfügung stehen. „Es stehen nicht genügend Holzarbeiter-Firmen zur Verfügung, die diese sehr schwierige und mitunter gefährliche Arbeit durchführen, und zudem unterliegen die Holzpreise sehr großen Schwankungen“, so Unterthiner, der berichtete, dass vergangenes Jahr relativ hohe Preise erzielt werden konnten, während sie heuer wieder gesunken seien, vor allem beim Schadholz. Damit nimmt allerdings auch der Anreiz ab, Holz zu entnehmen bzw. aufzuarbeiten. 
 
Wenn die Entwicklung fortschreitet wie bisher, riskieren wir eine dritten Generation an Borkenkäfern.
 
„Wenn die Entwicklung fortschreitet wie bisher, riskieren wir eine dritten Generation an Borkenkäfern“, erklärte der Direktor der Abteilung Forstwirtschaft. In Zahlen ausgedrückt kann ein Käferweibchen über drei Generationen hinweg für 100.000 Nachkommen sorgen. Diese Anzahl an potentiellen Schädlingen ist natürlich enorm. Ähnlich ist die Situation allerdings auch im Trentino und in Tirol, vor allem in Osttirol, schilderte Unterthiner und betonte: „Wir hoffen, dass die klimatische Situation die Borkenkäferzunahme nicht weiter begünstigt, weil es ansonsten schwierig wird, diesem Phänomen Einhalt zu gebieten.“
 
 
 

Klimawandel kann nicht mehr geleugnet werden

 

Andreas Werth vom Amt für Landmaschinen und biologische Produktion ging in seinen Ausführungen auf die verschiedenen Beitragsmöglichkeiten und Mutualitätsfonds ein. „Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass die Situation immer problematischer wird. Der Klimawandel kann nicht mehr geleugnet werden“, so Werth. Glücklicherweise stünden bereits seit Jahren immer mehr Instrumente zur Risikoabsicherung zur Verfügung. Bereits seit über 20 Jahren werden in Südtirol keine Ernteausfälle mehr entschädigt, Beiträge werden nur mehr für die Wiederherstellung von Schäden entrichtet, wie sie beispielsweise bei Vermurungen an Gebäuden vorkommen. Ernteausfälle müssen hingegen über Versicherungen abgedeckt werden. Nichtsdestotrotz seien im vergangenen Jahr beinahe dreimal soviel Anträge wegen Unwetterschäden eingereicht worden. Über zwei Millionen Euro wurden ausbezahlt, „mehr als das Doppelte als in den Jahren zuvor.“ Weiters ist ein Drittel der Schäden noch nicht behoben, weshalb noch Mittel aus dem heurigen Haushalt herangezogen werden müssen.
 
Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass die Situation immer problematischer wird. Der Klimawandel kann nicht mehr geleugnet werden.
 
Die klassischen Hagelversicherungen wurden auch auf andere Unwetterereignisse ausgeweitet wie beispielsweise Frostschäden. „Südtirol ist hier inzwischen Vorzeigemodell, insofern dass über die Genossenschaften und das Hagelschutzkonsortium eine sehr gute Organisation aufgebaut wurde“, so Werth, der darauf verwies, dass jedes Jahr rund 430 Millionen Euro an Wert abgesichert würden. Bereits seit Langem setzt die Politik, sowohl auf europäischer, staatlicher wie auch Landesebene, auf die vorbeugende Abdeckung von Schäden durch Versicherungen. 70 Prozent dieser Versicherungsprämien werden von der EU, vom Staat und vom Land übernommen, sprich rund 35 Millionen Euro an öffentliche Beiträgen fließen in diesen Sektor. Aufgrund der hohen Preisschwankungen bei den Produktionskosten werden sogenannte Mutualitätsfonds, die ebenfalls von der EU finanziell gefördert werden, zunehmend interessanter. Anders als bei klassischen Versicherungen bleiben die Prämien dem Beitragszahler erhalten. Jährlich wird eine Prämie in einer bestimmten Höhe entrichtet, erfolgt keine Schadensauszahlung, verbleibt dieses Geld in diesen Fonds. „Wir hoffen, dass sich sehr viele Bauern in diese Fonds einschreiben“, so Werth.
 
 
 
Direktor Albert Wurzer gab einen Überblick über die Tätigkeit der Agentur Landesdomäne, welche 20 Höfe bewirtschaftet. Mit über 140 Hektar Obstbau, gut 50 Hektar Weinbau, 15 Hektar Grünland, 5 Hektar Gemüse, und mit 5.050 Hektar Wald ist die Agentur der größte Landwirtschaftsbetrieb im Land. Der Großteil der Flächen wird dabei als Versuchsflächen vom Versuchszentrums Laimburg genutzt. Auch Wurzer kam auf das Thema Schadholz zu sprechen. Das durch den Sturm Vaia verursachte Schadholz sei nun beinahe zur Gänze aufgearbeitet worden. „Auch wir haben Probleme mit dem Käferholz“, so der Direktor der Agentur Landesdomäne und berichtete, dass man heuer im Forstgarten Latemar mit 30.000 Kubikmeter durch den Borkenkäfer verursachtes Schadholz rechne.
 
Michael Oberhuber, Direktor des Versuchszentrums Laimburg, erläuterte die Forschungsschwerpunkte, die in der angewandten Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion angesiedelt sind. Die Forschung orientiert sich dabei am Strategiepapier „LandWIRtschaft 2030“ und steht unter dem Motto der Nachhaltigkeit. „Unsere Arbeit wirkt sich erst in der Zukunft aus und insofern ist es notwendig, einem Schwerpunktprogramm zu folgen, das sich an nachhaltigen Themen orientiert“, so Oberhuber. Der Klimawandel steht dabei im Vordergrund. Man arbeite an einer klimaneutralen Landwirtschaft, heißt die Forschung konzentriert sich unter anderem darauf, nachhaltige und resiliente Anbausysteme zu entwickeln. Helfen sollen dabei die Digitalisierung und smarte Technologien. Qualität, Gesundheit und lokale Vielfalt und Kreisläufe ergänzen die Forschungsfelder, denen für die kommenden zehn Jahre besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Jahr 2021 wurden von den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Laimburg insgesamt 378 Projekte und Tätigkeiten durchgeführt. 93 externe Fachleute haben an der Programmerstellung des Versuchszentrums Laimburg teilgenommen und 116 Vorschläge für Forschungsprojekte eingereicht, 89 davon wurden in das Tätigkeitsprogramm 2022 aufgenommen.

 

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Dietmar Nußbaumer Ven, 08/05/2022 - 21:01

Die Wälder zeigen wie die Gletscher, dass wir mitten im Klimawandel stecken. Jedes Quäntchen Energie, das eingespart wird, hilft. Jeder muss seinen Beitrag leisten, es ist aber nicht leicht, Gewohnheiten einfach abzustreifen.

Ven, 08/05/2022 - 21:01 Collegamento permanente