Società | Tagebuch aus Alpbach

Was mutige Kunst kann

Junge SüdtirolerInnen in Alpbach schreiben darüber, was sie am Europäischen Forum Alpbach beschäftigt. Diesmal Klara Obermair* über politische Kunst.
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Foto: (c) Forum Alpbach
“Wo haben Sie zuletzt Mut bewiesen?“ – So beginnt am Mittwochabend Martin Kušejs Kunstpanel, das zum ersten Mal am Europäischen Forum Alpbach stattfindet. Der österreichische Intendant lud fünf Künstler aus verschiedenen Bereichen zum Einzelgespräch und anschließend zur gemeinsamen Diskussion. Meine Gedanken springen bei der Frage gleich zu meinem Umzug nach Skandinavien, der in ein paar Tagen bevorsteht. Passt eigentlich gut zum Thema des EFA 2018, Diversität und Resilienz, denke ich – mich in ein Land einzuleben, das ich einerseits schon länger gut kenne, und wo ich andererseits aber auch noch viel zu entdecken habe.
 
Zwischen Gesundheits- und Technologiegesprächen will Kušej mit seinen Gästen besprechen, welchen Platz Kunst in der Gesellschaft einnimmt. Dabei geht es um Kunst im weitesten Sinne des Wortes, nämlich Literatur (Ayad Akhtar), Schauspiel (Amira Casar), Haute Cuisine (Antonia Klugmann, nur beim Einzelgespräch anwesend), Musik (Martin Grubinger) und Performance-Kunst (Flatz).

Überflutung von Geschichten

Kunst habe auch eine politische Mission, so Grubinger. Als Schlagzeuger geht es ihm nicht nur darum, Musik zu vermitteln, sondern auch eine Botschaft an die Menschheit. Er ruft zu Solidarität und Offenheit auf, und setzt es durch Projekte wie Musik an Schulen in ganz Österreich um. Flatz ergänzt, dass Kunst als Werkzeug benutzt werden müsse, um die Welt zu verändern. Dies spiegelt sich in seinen provokanten Performances wider, wie zum Beispiel als menschliches Glockenpendel zwischen zwei Stahlplatten.
 
Akhtar beschreibt unsere Gesellschaft als Überflutung von Geschichten. Dies erschwert, die Welt objektiv zu betrachten und genau dieser Mechanismus wird von der Politik und den Medien ausgenutzt. So wären die USA eine andauernde Soap-Opera, wo es darum geht, Aufmerksamkeit zu monopolisieren. Er ruft dazu auf, die Realität kritisch zu hinterfragen und sich nicht mit Vermutungen zu begnügen.
 
Neben dem gesellschaftspolitischen Aspekt gibt es als Fundament immer noch l’art pour l’art, unterstreicht Kušej. Kunst kann ein Instrument sein, die Welt in der wir leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten und die Wirklichkeit in Frage zu stellen. Dazu müsse man aus seiner Komfortzone ausbrechen und mit Leuten in wahren Kontakt treten, so Casar und Grubinger. Die Kunst um der Kunst willen als als eine Art Baseline also, worauf dann noch eine politische Message aufgebaut werden kann.

"Kunst ist der Hammer, mit dem man Gesellschaft gestaltet"

Flatz verkündet bereits zur Hälfte der Veranstaltung, dies sei sein letzter Satz und zitiert daraufhin Marx: „Kunst ist nicht der Spiegel, den man der Gesellschaft vorhält, sondern der Hammer, mit dem man sie gestaltet.“ Passend zum Engagement, das die anwesenden Künstler vereint, denn sie nutzen den künstlerischen Ausdruck, um ihre Sichtweise auf bestimmte Dinge zu vermitteln und andere darin eintauchen zu lassen, wenn sie sich nur darauf einlassen. Bei Flatz ist ein provokantes Element wohl dauerhafter Teil seines Auftretens, denn kaum hat er die Bühne vor allen anderen verlassen, ruft er laut durch den Saal. Ist das jetzt Performance? Auf jeden Fall irritiert es mich und zeigt mir dadurch meine Denkmuster und sozialen Normen auf.
 
*Klara Obermair ist eine von 15 StipendiatInnen, die durch den Club Alpbach Südtirol Alto Adige (CASA) die Möglichkeit erhalten haben, am Europäischen Forum Alpbach teilzunehmen. In diesem Tagebuch-Blog schreiben sie über ihre Eindrücke und Erfahrungen von diesem internationalen Kongress.