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Der Wechsel

Während man offiziell zwischen Italien und Österreich die Messer wetzt, bereitet man die Ablöse der beiden BBT-Vorstände vor. Es gibt bereits zwei Nachfolger.
BBT-Sprengstoff
Foto: BBT SE
Der Chefreporter der Tiroler Tageszeitung (TT), Peter Nindler, wählte am Dienstag für seinen Beitrag einen aussagekräftigen Titel: „Tunnelgesellschaft droht jetzt sogar die Sprengung“
In dem Artikel wird geschildert, wie sich die Situation in der Brennerbasistunnel-Gesellschaft „BBT SE“ zuspitzt. Demnach ist der jetzt eskalierte Konflikt nicht nur ein Streit zwischen den beiden Vorständen Raffaele Zurlo und Konrad Bergmeister, sondern ein gezielter Akt Italiens gegen Österreich.
„Obwohl als grenzüberschreitendes Projekt angelegt, wollen sich die italienischen Staatsbahnen wohl nicht damit abfinden, dass der Betrieb des Basistunnels ab 2028 in Österreich durchgeführt wird“, schreibt Nindler. Und weiter. „Es gibt Vermutungen, Italien strebe eine Trennung des europäischen Vorhabens an. Zurlos Vorgehen habe deshalb etwas mit Strategie zu tun.
Demnach sei der Streit von oben bewusst gelenkt.
 

Die Mehrkosten

 
Gleichzeitig stellt sich die TT offen hinter Konrad Bergmeister. So wird auch auf die von Raffaele Zurlo öffentlich und in einer Eingabe bei der Staatsanwaltschaft angeprangerte Kostensteigerungen beim Baulos Tulfes-Pfons eingegangen.
Dieser Auftrag sei 2013 noch unter italienischem Vergaberecht ausgeschrieben wurde. Das Bauvolumen in der Ausschreibung habe damals 460 Millionen Euro betragen, wobei der Zuschlag um 80 Millionen Euro weniger erteilt wurde. Für Fachleute eindeutig zu niedrig. Danach sollen eine Risikovorsorge von 70 Millionen Euro und noch einmal 30 Millionen Euro Inflationsabgeltungen dazugekommen sein. Zudem habe eine von Experten aufgrund der geologischen Gegebenheiten empfohlene Tunnelverlängerung von 3,5 Kilometern zu Mehrkosten geführt.
 
 
Der Aufsichtsrat habe die Gesamtkosten für dieses Baulos bereits am Kosten 9. Jänner 2018 abgesegnet: Rund 615 Millionen Euro. Ein Prüfbericht der ÖBB mit Beteiligung von Vertretern der italienischen Staatsbahnen (RFI) habe keinerlei Unregelmäßigkeiten feststellen können.
 

Die ÖBB

 
Im TT-Artikel wird aber auch der österreichische Hauptaktionär der BBT SE zitiert. Die ÖBB gegenüber der TT: „Die österreichische Seite ist dafür maximal gesprächsbereit, weil es uns darum geht, bei diesem zentralen Projekt für eine gelungene Verlagerung des Transitver­kehrs durch Tirol die Wogen zu glätten und gemeinsam das erklärte Ziel, die Bahninfrastruktur von morgen, im Auge zu haben.“ Die ÖBB gehen jedoch davon aus, „dass die aktuelle Auseinandersetzung der beiden Vorstände, insbesondere das Verhalten des italienischen Kollegen, auch unseren Informationen nach in Rom bereits mit Unbehagen verfolgt wird“. 
Die Aufforderung an die italienischen Vertreter im Aufsichtsrat ist deshalb klar: „Es wird insbesondere auch am aktuellen italienischen Vorsitzenden des Aufsichtsrates liegen, den Streit zu schlichten. Aus Sicht der ÖBB ist es zentral, dass der Blick rasch wieder nach vorne gerichtet wird.“ Demnach soll der Aufsichtsratvorsitzende Lamberto Cardia ein Machtwort sprechen.
 
 
Das anonyme ÖBB-Statement in der TT dürfte von Christoph Gasser-Mair stammen. Der Tiroler Politologe war zuerst Redakteur bei der Tiroler Tageszeitung, bevor er im September2014 Pressesprecher des Tiroler Landeshauptmannes Günther Platter wurde. Anfang 2018 wechselte Gasser-Mair dann zur ÖBB-Holding, wo er als Pressesprecher für Tirol und Vorarlberg zuständig ist.
Sowohl die ÖBB als auch die Tiroler Landesregierung stehen dabei hinter Konrad Bergmeister.


Zwei neue Vorstände

 
Obwohl Raffaele Zurlo im RFI-Chef Maurizio Gentile einen mächtigen Fürsprecher hat und viele innerhalb der italienischen Eisenbahnen seine Kritik und die Anschuldigungen teilen, ist Zurlo spätestens nach seiner Pressekonferenz vergangene Woche nicht mehr haltbar.
Deshalb wird man auf der Aufsichtsratssitzung am 17. September einen schnellen Schlussstrich ziehen. Wie bereits im Juni festgelegt, wird man das Duo Zurlo-Bergmeister abberufen und zwei neue Vorstände ernennen.
Als neuer österreichischer Vorstand dürfte Martin Gradnitzer berufen werden. Der Ingenieur und Angestellte der ÖBB Infrastruktur AG ist Projektleiter für die Brennerzulaufstrecken Nord. Er gilt als absolut kompetenter Fachmann in Sachen BBT.
 
 
Auch auf italienischer Seite gab es eine klare Favoritin auf die Zurlo-Nachfolge. Paola Firmi sollte den Vorstandsposten in der BBT SE übernehmen. Die Ingenieurin ist technische Direktorin der RFI Spa und eine staatsweit angesehene Expertin. Firmi wurde erst am 30. April 2019 in den Aufsichtsrat der BBT SE berufen. Jetzt ist sie ernsthaft als neuer Vorstand im Gespräch.
Nach Informationen von salto.bz soll Paola Firmi aber den Wechsel abgelehnt haben. Deshalb dürfte eine andere RFI-Führungskraft Zurlos Amt übernehmen. Raffaele Zurlo wird – nachdem er Bergmeister und die ÖBB öffentlich abgewatscht hat – an einen Spitzenposten bei den italienischen Eisenbahnen zurückkehren. So ist er als Manager für den Ausbau des Eisenbahnnetzes rund um Florenz im Gespräch.