Economia | Aus dem Blog von: Legacoop

Frauenpower made in Sarntal

,Man kann einfach nie wissen, wie lange man vom Sarntal nach Bozen braucht.‘ Gabi Thurner ist etwas außer Atem, aber dann entwickelt sich ein Gespräch. Über Selbständigkeit. Die Rolle der Frau in der Südtiroler Gesellschaft. Abwanderungsproblematik. Ich schaffte es gerade noch mein Aufnahmegerät einzuschalten, da waren wir auch schon beim Thema.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

,Frauenkompetenz im Sarntal‘, so der Name des vom ESF finanzierten Projektes. Dessen Ziel: die Erwerbsquote der Frauen im Sarntal zu steigern bzw. den Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.

,Im Sarntal leben rund 1900 Frauen im erwerbsfähigen Alter. Die Erwerbsquote der Frauen liegt aber nur bei knapp 60%. Viele Frauen geben nach der Familiengründung ihren Arbeitsplatz auf oder gehen einer Arbeit nach, die nicht ihrer Qualifikation entspricht. Das liegt zum Teil daran, dass im Tal nicht genügend qualifizierte Arbeitsplätze vorhanden sind, oft fehlt aber auch das Verständnis für neue Formen von Arbeitsverhältnissen. Genauere Daten über Qualifikation, Arbeitserfahrung, Bedürfnisse und Familiensituation der Frauen im Sarntal gab es bisher noch nicht. Das sollte sich mit einer Umfrage im Rahmen des Projekts ,Frauenkompetenz im Sarntal‘ ändern. Zudem sollten Daten zu den rund 500 Sarntaler Unternehmen erhoben werden.‘

,Frau Thurner, welche Ergebnisse der Befragung haben Sie beeindruckt?‘
,Als größtes Problem der Frauen im Sarntal hatte sich klar der Punkt Kinderbetreuung herauskristallisiert. Viele Frauen haben keine Chance, nach der Geburt ihres Kindes wieder ins Berufsleben einzusteigen, da nirgends professionelle Kinderbetreuung geboten wird. Im gesamten Sarntal gibt es keine einzige Kindertagesstätte und auf rund 7.000 Einwohner kommen nur zwei Tagesmütter!
Auch ,Mobilität‘ und ,Weiterbildungsmöglichkeiten‘ schienen ein großes Thema zu sein.
Von Seiten der Unternehmen wollten wir wissen, welche Dienstleistungen sie bereit wären outzusourcen. Hier wurden die Bereiche ,Reinigungskraft‘, ,Buchhaltungsservice‘, aber auch ,Marketing‘ genannt.

Was geschah nach der Datenerhebung?
Die Genossenschaft ,Profital‘ wurde gegründet, mit dem Ziel als Schnitt- bzw. Verbindungsstelle zwischen den Sarntaler Frauen und den Sarner Unternehmen zu fungieren.

Konnte man bereits erste Erfolge verzeichnen?
,Die Bar am Eislaufplatz bei Sarnthein wurde ausgeschrieben und die Genossenschaft hat sich dafür beworben. Nun arbeiten dort 6 weibliche Halbtagskräfte. Eine davon ist Thailänderin. Denn schließlich gilt es auch der Migrationsproblematik entgegenzuwirken. Jetzt gibt es am Eislaufplatz thailändisches Essen.‘

Gabi lachte.
,Pakkhinee kam gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter zum Vorstellungsgespräch, einer typischen Sarnerin von 80 Jahren. Diese hatte ihr Kopftuch umgebunden und nickte immerzu bejahend: Eine bessere Schwiegertochter hätte ich nie finden können. Die will ja immerzu arbeiten. Und kochen kann die! Nicht nur thailändisch. De köcht a Nöcken.‘ Das sind Geschichten, die einem in Erinnerung bleiben. Diese 6 Arbeitsplätze sind ein guter Anfang. Und das Projekt wächst. Jeden Tag.‘

Bestimmt ein schönes Gefühl, Menschen eine Chance bieten zu können...
,Ach, ich betrachte mich nicht als Weltverbesserin. Von jedem Service, der im Sarntal neu angeboten wird, profitieren schließlich alle, auch ich. Das gesamte Dienstleistungsangebot im Sarntal wird reicher. Mich freut es einfach, dass etwas weitergeht. Es gibt so viele Ideen. Man muss sie nur verwirklichen! Und manchmal, da geht das eben nicht alleine. Da braucht es mehrere, die an einer Idee arbeiten.‘

Und wie finanziert sich diese Idee?
Die Starthilfe bilden natürlich Förderbeiträge. Danach müsssen sich die einzelnen neuen ,Unternehmen‘ selbst finanzieren. Das ist der Sinn der Sache. Professionelle Arbeitsumfelder sollen entstehen; keine Selbsthilfegruppen. Es geht bei diesem Projekt nicht um Beschäftigungstherapie - unternehmerisches Denken ist gefragt!

Was erhoffen Sie sich von der Arbeit Ihrer Genossenschaft?
,Die Situation der Frauen im Sarntal soll soweit verbessert werden, dass jede Mama selbst entscheiden kann, ob sie lieber noch zuhause bei den Kindern bleiben oder wieder arbeiten möchte. Und jene, die sich für den Beruf entscheiden, sollen diesem sorgenfrei nachgehen dürfen. Ich wünsche mir, dass Fleiß und Einsatz einer Frau auch angemessen belohnt werden.‘

So schloss Gabi Thurner ihren Bericht, nicht ohne einen besorgten Seitenblick auf ihr Handy, das inzwischen 5 Anrufe in Abwesenheit anzeigte. Und nicht ohne eine gewisse Eile, die verriet, ich war nur der erste von vielen Terminen an diesem Tag. Eines muss man dieser Gabi lassen, so dachte ich bei mir, als ich der davoneilenden Sarnerin mit dem aus der Tasche hängenden Kabel hinterher blickte. Ihr Enthusiasmus springt über wie ein Funke.