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“Der Beirat wurde missbraucht”

Roland Turk über einen “abenteurlichen” Dolomiten-Artikel, ein erstes Mal und darüber, dass Insider ”wahrscheinlich wissen, was läuft”.
Roland Turk
Foto: Landesbeirat für das Kommunikationswesen

salto.bz: Herr Turk, Sie wurden als Präsident des Landesbeirates für das Kommunikationswesen in der jüngsten Wochenendausgabe der Dolomiten zitiert. Mit einem Interview, das Sie am 24. November RAI Südtirol gegeben haben nachdem bekannt geworden war, dass Athesia offiziell 50 Prozent der beiden größten Südtiroler Privatsender Südtirol 1 und Radio Heute übernimmt. Ist das korrekt?

Roland Turk: In dem RAI-Interview ging es um die Frage nach dem Einstieg bei Südtirol 1. In diesem Zusammenhang habe ich von den Landesbeiträgen an private Medien gesprochen. Dabei meinte ich, dass große Unternehmen im Verhältnis zu ihrer Größe etwas weniger Beiträge bekommen sollten als Kleine. Aber das ist ein ganz normaler Grundsatz und schließlich der Sinn der Medienförderung. Nehmen wir an, die Großen würden immer mehr wachsen und dadurch die Kleinen immer mehr verdrängen. Würde man das derzeitige Beitragssystem beibehalten, würden die Großen immer mehr bekommen. Bis am Ende die Kleinen verschwinden. Aus diesem Grund muss jede Medienförderung, nicht nur bei uns, darauf ausgerichtet sein, die Kleinen zu stützen und zu unterstützen – etwas mehr im Verhältnis zu ihrer Größe als die Großen. Das war alles, was ich meinte.

Bei Athesia hat man Ihre Worte offensichtlich anders ausgelegt. In den Dolomiten werden Ihre Aussagen in dem RAI-Interview dahingehend interpretiert, dass sie sich für eine stärkere Förderung “kleiner” bzw. privater Medienmacher im Bereich TV, Radio und Online einsetzen würden  – und die RAI entsprechend weniger Gelder erhalten soll.

Gegenüber der RAI war von der RAI selbst nie die Rede. Ich kann mich nicht erinnern, über die RAI gesprochen zu haben. Denn die Finanzierungsmodelle der RAI sind überhaupt nicht mit Beiträgen zu vergleichen, die private Medienunternehmen erhalten. Der Korrektheit halber muss ich sagen, dass ich das Endprodukt dieses Interviews, das ich der RAI gegeben habe, nämlich den Mittagsmagazin-Beitrag nicht gehört habe. Ich nehme aber nicht an, dass die RAI-Redaktion die Unterschiede zwischen der öffentlichen Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Sendern und Beiträgen, die private Medienunternehmen vom Staat und vom Land Südtirol erhalten, nicht kennt.

Können Sie den Unterschied kurz darlegen?

Öffentlich-rechtliche Sender gibt es überall. In Italien ist es die RAI, in Deutschland ARD und ZDF, in Österreich der ORF, in der Schweiz SRG. Diese Anstalten werden durch eine Gebühr finanziert, die die Zuseher zahlen müssen. Beim Sender Bozen kommt verschärfend hinzu, dass es ihm untersagt ist, Werbung zu schalten. Er ist allein auf die Finanzierung durch den Staat angewiesen. Bzw. hat das Land Südtirol seit dem Mailänder Abkommen die bisherige Finanzierung der lokalen RAI durch das Ministerratspräsidium in Rom übernommen. Aber das sind keine Beiträge, sondern ein von Grund auf gesetztes Finanzierungsmodell eines öffentlich-rechtlichen Senders, der sonst keine Einnahmen hat.

Wie kommen private Medienunternehmen zu öffentlichem Geld?

In der Regel stellen Private einen Radiosender, ein Onlinemedium, eine Zeitung auf, um Geld zu verdienen. Nicht nur deswegen, aber auch deswegen. Und wo das Geld, das sie verdienen, nicht reicht und weil die Information der Bürger ein Bereich ist, der Regierenden am Herzen liegen muss, werden auch private Medienunternehmen unterstützt. Es wird ihnen Geld zugeschossen, ja. Aber sie werden nicht zur Gänze finanziert – so wie die RAI. In diesem Sinne werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Jüngst hat der Athesia-Direktor Michl Ebner öffentlich gesagt, dass es nicht in Ordnung sei, dass RAI Südtirol so viel Geld bekommt.

Waren Sie entsprechend verwundert als Sie den Dolomiten-Artikel am Samstag entdeckt haben?

Ich war schon sehr, sehr überrascht. Und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich heute (Montag, Anm.d.Red.) Morgen um Richtigstellung gebeten. Ich gehe davon aus, dass diese kurze Richtigstellung in den Dolomiten auch veröffentlicht wird. Damit will ich dieses, nun ja, eigenartige Erlebnis abhaken.

Haben Sie für sich eine Erklärung gefunden, warum in der auflagenstärksten Zeitung des Landes ein solch verzerrter Artikel erschienen ist?

Ich finde das schon abenteuerlich. Es musste ja davon ausgegangen werden, dass die Fakten korrekt wiedergegeben werden. Seit das Land diese 20 Millionen Euro pro Jahr der RAI Südtirol gibt, ist das allerdings vielen privaten Medienunternehmen ein Dorn im Auge. Vor wenigen Wochen erst habe ich eine Tagung zur Medienvielfalt organisiert. Dort hat Athesia-Direktor Michl Ebner öffentlich gesagt, dass es nicht in Ordnung sei, dass RAI Südtirol so viel Geld bekommt. Aber auch die kleinen Medienunternehmer schielen mit Neid auf die Großen.

Zum Beispiel Athesia?

Die Kleinen kritisieren meist den Umstand, dass Athesia so viel an Landesbeiträgen bekommt. Und im Zweifelsfall wird eben kritisiert, dass eben die RAI so viel Geld erhält.

Sie sagen auch, dass 20 Millionen Euro im Jahr viel sind?

Es ist viel Geld. Aber Fernsehen machen ist meines Erachtens ein sehr teures Unterfangen, es kostet sehr viel. Das ist dem Normalverbraucher nicht immer ersichtlich und bewusst. Da scheinen 20 Millionen Euro sehr viel zu sein.

Ein, zwei mutige und wache Journalisten da und einer dort können schon ein bisschen mehr an Medienvielfalt bringen.

Bei der Tagung, die Sie angesprochen haben, hat Michl Ebner gesagt, dass Medienkonzentration heute nicht mehr eine Macht-, sondern eine Überlebensfrage sei. Kann Athesia also gar nicht anders als andere Medienkonzerne aufzukaufen bzw. dort einzusteigen?

Ich kann die Bestrebungen eines Verlagshauses, sich breit aufzustellen, nachvollziehen. Nachrichten zu machen ist heutzutage schwer. Das wissen Sie vielleicht auch. Präsidenten der Landesbeiräte für Kommunikation anderer Regionen, mit denen ich mich austausche, bestätigen allesamt: Medienunternehmen gehen vorzu in Konkurs. Es ist also schwer, Information zu machen und damit auch noch überleben zu können. Wenn sich ein Medienhaus breit aufstellen will, ist das daher verständlich, denn man kann Synergien zwischen den einzelnen Medien nutzen.

Ein Verleger muss notgedrungen auch Unternehmer sein?

Es wäre ein hehres Ziel wenn ein Verleger nur den Verleger machen und nicht noch andere wirtschaftliche Interessen verfolgen würde. Der reine Verleger, den es selten gibt, wäre das Idealbild, weil man davon ausgehen kann, dass die Berichte in seinen Medien nicht von irgendwelchen Interessen anderer Natur geleitet sind.

Wenn es nun aber immer weniger Medien gibt, die unabhängig voneinander und von gewissen Interessen Information machen, ist das zugleich aber doch eine Machtkonzentration?

Das stimmt. Diese Gefahr besteht ganz grundsätzlich, logisch. Deswegen gibt es ja überall Beiträge für Medien – damit die Kleinen, die Gefahr laufen, verdrängt zu werden, trotzdem existieren können. Dafür braucht es auf dem kleinen Lesermarkt Südtirol aber eigentlich nicht viel: Ein, zwei mutige und wache Journalisten da und einer dort können schon ein bisschen mehr an Medienvielfalt bringen.

Den Titel des Dolomiten-Aritkels – “Gezielt die Vielfalt fördern” – würden Sie also durchgehen lassen?

Freilich! An dem Titel ist nichts auszusetzen. Es ist ja auch die Aufgabe der Kommunikationsbeiräte, mitzuhelfen, diese Vielfalt blühen zu lassen. Natürlich sind wir nur ausführende Organe, die Grundlage für unser Handeln muss ein Förderungs-, ein Mediengesetz sein. Wir Landesbeiräte können uns nicht Medienförderung erfinden oder die Mittel dafür irgendwo herholen – die müssen per Landes- oder Staatsgesetz kommen. Denn man darf nicht vergessen, dass die lokalen Medien ja auch vom Staat gefördert. Das ist vielen nur nicht so bewusst: Der Staat fördert gezielt private Fernseh- und Radiosender. Von der Presseförderung des Staates will ich hier gar nicht reden.

Warum nicht?

Vor allem deshalb, weil sie an meinem Amt vorübergeht. Darin bin ich nicht involviert. Aber Sie wissen, die Presseförderung, also der Printmedien, gibt es seit Menschengedenken.

Der Landesbeirat ist schon missbraucht worden – um eine These zu stützen, die der Landesbeirat so nicht stützt.

Hat es irgendwelche Reaktionen in Ihrem Umfeld auf den Dolomiten-Artikel vom Wochenende gegeben? Wurden Sie darauf angesprochen?

Das Ganze ist noch ziemlich frisch. Daher hat es noch nicht viele Reaktionen gegeben. Vonseiten der RAI natürlich schon. Und salto ist darauf aufmerksam geworden. Christoph Franceschini hat von sich aus dieses Thema aufgegriffen – und in scharfer Form kritisiert. Aber wie gesagt, ich habe heute (Montag, Anm.d.Red.) um Richtigstellung gebeten und bin jetzt gespannt.

Was erwarten Sie sich?

Vom Land könnte wahrscheinlich eine Reaktion kommen. Aber es ist so: Die Insider wissen ja wahrscheinlich, was läuft, was stimmt und was nicht stimmt.

Es ist aber vermutlich nicht davon auszugehen, dass alle Dolomiten-Leser zu den Insidern gehören?

Zu den Insidern zähle ich das Land und alle Medienmacher. Aber klar, beim Publikum kann der Artikel einen großen Effekt erzielen, indem der eine oder andere Leser sagen wird: Naja, die RAI bekommt eigentlich schon viel Geld.

Und dieser Eindruck wird natürlich verstärkt, wenn offenbar sogar der Turk das so sieht.

Genau – als Unabhängiger…

…und ehemaliger RAI-Angestellter.

Das noch dazu, genau! Aber jetzt sollte ich ein unabhängiger Mediengarant sein.

Ich kann mich nicht erinnern, über die RAI gesprochen zu haben.

Gehen Sie davon aus, dass Ihre Stellungnahme in derselben prominenten Aufmachung abgedruckt wird? Häufig landen solche Richtigstellungen in einer kleinen Spalte am Seitenrand.

Ich glaube, Sie und ich wissen, dass die Richtigstellung nie in derselben Größe veröffentlicht werden könnte. Aber sie sollte zumindest an derselben Stelle erscheinen. Richtigstellungen können jedoch den ursprünglichen Artikel meist nie aufwiegen. Obwohl, eigenartigerweise bin ich für das Einklagen des Rechts auf Richtigstellung in Fernsehen und Rundfunkmedien, zuständig. Für die Presse bin ich aber nicht zuständig. Deswegen muss ich’s nehmen wie’s kommt.

Befürchten Sie, dass durch besagten Artikel Schaden an Ihrer Person oder an der Institution Landesbeirat für das Kommunikationswesen angerichtet wurde?

An meiner Person sicherlich nicht. Ich bin ziemlich abgebrüht, habe ein gewisses Alter und muss nirgendwo mehr reüssieren. Aber der Landesbeirat ist schon missbraucht worden – um eine These zu stützen, die der Landesbeirat so nicht stützt.

 

Update
Das Interview mit Roland Turk wurde am Montag, 4. Dezember geführt. Am Dienstag (5. Dezember) wird in der Tageszeitung Dolomiten die von Turk erwähnte Richtigstellung gedruckt:

 

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kurt duschek Mar, 12/05/2017 - 18:49

Die Richtigstellung im Tagblatt der Südtiroler fand ich erst nach intensiver Suche. Es hat mich bewundert, dass das Wort "Richtigstellung" im Titel nicht angeführt war. War bis jetzt immer der Meinung, dass eine Richtigstellung das Recht eines Lesers ist und auch als solche bei Veröffentlichung gekennzeichnet sein mus.Bin froh wenn mich jemand aufklärt, man lernt nie aus.

Mar, 12/05/2017 - 18:49 Collegamento permanente