Ambiente | Glyphosat

Die Strafanzeigen

Die Zulassung von Glyphosat durch EU-Behörden fußt auf Bewertungen von Monsanto & Co, klagen Umweltorganisationen an. Nun reichen sie auch in Italien Strafanzeige ein.
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Foto: Twitter

Eine Woche nach der umstrittenen Verlängerung der Glyphosat-Zulassung in Brüssel erstattet ein Netzwerk von Umweltschutzorganisationen in Österreich, Deutschland, Italien, Lissabon und Frankreich Strafanzeige gegen das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Der Grund dafür bringt die auch in Südtirol häufig gehörte Beschwichtigung ernsthaft ins Wanken, wonach europäische Behörden das Unkrautvernichtungsmittel schließlich als unbedenklich einstufen würden.  Denn große Teile jenes Berichts, der ausschlaggebend für die Zulassung war, sind ein Plagiat eines Monsanto-Papiers, lautet der Vorwurf, den Umweltschutzorganisationen bereits vor einigen Monaten auf Basis eigener Nachforschungen, US-Gerichtsdokumente („Monsanto Papers“) und eines Plagiatsgutachten vorbrachten. Nachdem die Vorwürfe von den verantwortlichen Stellen zurückgewiesen wurden, wollen die Organisationen Global 2000, Pesticide Action Network (PAN) Europe, PAN Germany, PAN Italia und Generations Futures nun mit ihrer länderübergreifenden Strafanzeige eine unabhängige und objektive Prüfung der Causa durch eines oder mehrere Gericht erreichen, erklärte der Umweltchemiker Helmut Burtscher von Global 2000 am Montag Vormittag bei einer Online-Pressekonferenz. In Italien wird die Strafanzeige von Global 2000 und PAN Italia bei der Staatsanwaltschaft in Parma eingebracht.

Gemeinsam mit dem Wiener Rechtsanwalt Josef Unterweger und den Vorsitzenden des Anit-Pestizidnetwerkes (PAN) von Deutschland und Italien, Peter Clausing und Koen Hertoge, belegte Helmut Burtscher dort noch einmal den Vorwurf, wonach das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) keine unabhängige, objektive und transparente Bewertung der gesundheitlichen Risiken von Glyphosat vorgenommen hätten, wie es die EU-Pestizidverordnung 1107/2009 verlangt. Denn obwohl die Verordnung vorsieht, dass „Stoffe mit krebserregenden, mutagenen oder fortpflanzungsschädlichen Eigenschaften“ nicht als Pestizide zugelassen werden dürfen, habe das  Bundesinstitut für Risikobewertung all jene veröffentlichten Studien, die sich mit diesen potenziellen Stoffeigenschaften von Glyphosat beschäftigen, gar nicht selbst bewertet. Stattdessen wären die Bewertungen wortwörtlich aus dem Zulassungsantrag übernommen worden, den Monsanto und andere in der Glyphosat Task Force (GTF) zusammengeschlossene Hersteller eingereicht hatten.

94 Prozent "Copy & Paste"

Mit markierten Textteilen zeigen die Umweltschutzorganisationen auf, dass sich rund 94 % des Gesamttextes, der für die Zulassung ausschlaggebend war, im gleichen Wortlaut auch im Zulassungsantrags der Glyphosate Task Force finden. Die Herkunft der Textstellen wäre dabei aber bewusst verschleiert worden, zeigt ein Gutachten des Salzburger Medienwissenchaftlers Stefan Weber. Brisant ist dabei nicht zuletzt, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung, das im Auftrag der EU-Kommission die Gefahrenbewertung von Glyphosat durchgeführt hat, auch die Bewertung von unabhängigen, kritischen Studien wortwörtlich von der Glyphosat Task Force übernommen hätte. Die Mehrzahl der in diesen Kapiteln bewerteten unabhängigen Studien kamen zu dem Ergebnis, dass Glyphosat die DNA schädigen, Krebs erzeugen oder Missbildungen verursachen könne, unterstreichen die Einbringer der Strafanzeige. Doch Monsanto & Co werteten diese Studien meist als „nicht zuverlässig“ oder „nicht relevant“. Wertungen, die das BfR übernommen habe und dabei die Hinweise auf die tatsächliche Autorenschaft entfernte bzw. unter dem Titel "additional comments" verschleierte, wie die Umweltorganisationen mit Beispielen belegen.

 

Wie relativ der Persilschein für Glyphosat ist, zeigt eine Gegenüberstellung von Glyphosat-Studien der Industrie mit den insgesamt publizierten Studien. Nur zwei Prozent der 46 Industriestudien kommen dabei zum Beispiel zum Ergebnis, dass das Unkrautvernichtungsmittel erbgutschädigend ist. Bei insgesamt 53 publizierten unabhängigen Studien sind es dagegen 70 Prozent.

„Wenn ein Plagiat dazu dient ein falsches Beweismittel herzustellen, dann ist das nicht nur eine Sache des Urheberrechts. Das nennt sich Amtshaftung bzw. Staatshaftung“, meinte Rechtanwalt Josef Unterweger in der Online-Pressekoferenz von Global 2000 und PAN. „Wenn ein Pestizid in Umlauf ist, das ohne falsches Gutachten der Behörde schon seit Jahren nicht mehr im Umlauf sein dürfte, dann sind die Schäden, die dadurch seither eingetreten sind, von der Behörde zu verantworten, die das falsche Gutachten erstellt hat.“

Bei den Umweltschutzorganisationen setzt man nun darauf, dass mehrere oder zumindest eines der Gerichte bei denen die Strafanzeigen eingereicht wurden, in einer objektiven Überprüfung zum selben Schluss kommt wie die eigenen Gutachten. „Ich denke, dass hier ein so klarer Verstoß der EU-Behörden gegen die vorgeschriebene Unabhängigkeit und objektive sowie auf wissenschaftlichen Kriterien basierte Prüfung stattgefunden hat, dass es hoffentlich zu einer raschen Beendigung der Zulassung von Glyphosat kommt“, sagte Helmut Burtscher. Neben den gerichtlichen Ermittlungen könnten auch parlamentarische Untersuchungen einen wichtigen Beitrag zur umfassenden Aufarbeitung und Aufklärung der Causa leisten. „Nur wenn dies geschieht und auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden, lässt sich das Vertrauen der EuropäerInnen in ihre Institutionen langfristig wieder herstellen“, so das Resümee der Presskonferenz. 

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Klemens Kössler Dom, 12/10/2017 - 15:53

In risposta a di Karl Trojer

Herr Trojer, Verbraucherschutz und NGO`s sind mindestens genauso Lobbyorientiert. Da diese aber ihre Finanzierungen und spenden weniger öffentlich machen müssen als die Politik, sind die beiden genannten für Korruption und Lobbying anfälliger als es die Behörden und die Politik ist.

Dom, 12/10/2017 - 15:53 Collegamento permanente
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Paul Stubenruss Lun, 12/11/2017 - 13:23

Wen die Gärung des Weines nicht klappt, dann , so hat es Laimburg festgestellt ,fehlen die dafür notwendigen Bakterien. Schuld ist Glyphosat das von der Pflanze bis in die Frucht gefördert wird. Wenn die Verdauung nicht klappt , dann können genauso fehlende Bakterien schuld sein, einfach weil wir mit dem Essen Glyphosat aufnehmen. Umfangreiche Information unter: https://www.youtube.com/watch?v=YjU_RlIOBNs

Lun, 12/11/2017 - 13:23 Collegamento permanente
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Karl Trojer Mar, 12/12/2017 - 11:35

Geschätzter Herr Kössler, ich habe nicht von Politik und Politikern im allgemeinen, sondern von lobbyorientierter Politik gesprochen. Natürlich wären lobbyorientierte NGO´s genauso schädlich.Den Verbraucherzentralen, wie z.B. der einheimischen, würde ich eher Korrektheit und Fairnis zuschreiben.

Mar, 12/12/2017 - 11:35 Collegamento permanente