Cultura | Salto Weekend

Gläubige Körper

Gotthard Bonell lässt in seiner Malerei die Vergänglichkeit knapp unter der Oberfläche erahnen, ob nun in Stillleben oder den Portraits von Kirchenmännern in der Hofburg.
Klerusporträts: Papst Benedikt XVI.
Foto: Gotthard Bonell
Prozesshaftigkeit und Details machen das Wesentliche von dem aus, was jenseits von Glauben und Unglauben an den Portraits - man verzeihe die genaue Beschreibung der Sujets - von mehrheitlich alten, weißen Männern in Brixen fasziniert. Gleich am Eingang zu den offen stehenden, kalten Kellerräumen sind drei Auszüge aus Briefen, welche an Bonell adressiert wurden, abgedruckt. Der dritte ist ein warmes Lob von Papst Benedikt dem XVI. zu Bonells Arbeiten. Entsprechend freundschaftlich und lobend ist danach auch die Seite zum Werden und Wirken des Pontifex im aufliegenden Katalog aufgeschlagen. Der zaghafte Schlusssatz ist das, was kritischer Distanz noch am nächsten kommt in der Ausstellung: „Leider passierten während seiner Amtszeit verschiedene Pannen, die wahrscheinlich 2013 auch zu seinem spektakulären Amtsverzicht führten.“ Aber es ist dies auch nicht die Aufgabe eines Portraitisten und auch nicht seine eigenen Katalog-Texte zu schreiben. Bevor sich der erste der drei Ausstellungsräume öffnet, sieht man eine Detailstudie mit päpstlichen Ohren und einen Stuhl mit Birett, Eigenschaften ohne eine Person der sie angehören.
 
 
29 von Bonell abgebildete Kirchenmänner sind zum Teil mit zwei oder drei Bildern beziehungsweise in wenigen Fällen auch Reproduktionen vertreten. Die Ausstellung ist schnörkellos, auf Kärtchen verzichtet man an den historischen Mauern, jeweils eine Tafel schlüsselt den gesamten Raum auf. Den Werken ist mehrheitlich - aber nicht durchgehend - eine Schwere und Strenge zu eigen, die mit der geistlichen Würde kommt. Diese ist besonders in den Fällen durchbrochen, wo den vollendeten Portraits, dem fertigen Auftragswerk eine Studie zur Seite steht: Hier finden wir mehr vom Blick des Künstlers wieder und - da und dort - ein Lächeln, das im fertigen Werk fehlt, oder einen besonderen Fokus auf ein Element.
Besonders die Hände der Geistlichen erscheinen, als wäre in den Werken die nicht älter als von 1982 sind und bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts reichen, die mittelalterliche Bedeutungsperspektive abermals relevant. Groß und knorrig sind sie, wie Baumwurzeln die miteinander verwachsen. Spannend auch die eine zur Unmöglichkeit verdichtete Vogelperspektive Bozens überlagernde Gesicht von Generalvikar Josef Michaeler, das als Experiment hervorsticht. Zum Teil ist es auch die Anordnung der Bilder die einer Selbstbetrachtung gleicht: Sowohl Josef Ratzinger auf dem päpstlichen Thron, als auch Bischof Golser werfen sich selbst Seitenblicke zu.
 
 
Letzterer geht von einem fast schelmischen Schauen über die Leinwand hinaus zu einem müden Blick und schließlich zum hermetischen Krankheitsbild über, in welchem alle äußeren Merkmale des Kirchenamtes fehlen. 2014, nach seinem gesundheitsbedingten Rücktritt entstand das „Eingeschlossen“ titulierte Werk, das einzige mit einem Titel in der Schau. Es ist auch jenes Werk das Benedikt XVI. in besonderer Weise hervorhob und man muss ihm wohl beipflichten. Aus nächster Nähe, den Bildraum nur mit seinem Gesicht ausfüllend sehen wir mit verschlossenen Augen einen gezeichneten Mann, dessen Glauben nicht länger über Insignien nach außen getragen wird. Es ist ein Glauben, der nach innen gerichtet ist, vielleicht Trost spendet. Ein zutiefst persönlicher Moment unter Werken, die doch auch ein Symbol nach außen - ist ihre Fertigstellung doch häufig auch von Berichterstattung lokaler Medien begleitet - darstellen. In diesem Moment ist der Glauben Golsers fast greifbar.