Sport | Salto Gespräch

„Über den Tellerrand schauen“

Früher Basketballspielerin der Minnesota Lynx, heute coacht sie Jugendmannschaften in Bozen. Kathrin Ress über ihre Erfahrungen in den USA und Sport in sozialen Medien.
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Foto: Privat
salto.bz: Frau Ress, eine Saison haben Sie für die Minnesota Lynx in der WBNA gespielt. Wie ist es dazu gekommen?
 
Kathrin Ress: Ich bin schon mit elf Jahren von zu Hause weg und habe nie in Südtirol gespielt. Dadurch war ich sozusagen schon „unterwegs“. Mein Bruder Tomas ist schon vor mir in die USA gegangen, er spielte damals auf High School Level in Miami und dann später im College in Texas. So hat sich auch für mich die Chance ergeben, als ich meine ersten Spiele mit dem italienischen Jugendnationalteam absolvierte. Wir spielten damals gegen ein amerikanisches College Team und so konnte ich erste Kontakte in die USA knüpfen. Dadurch, dass ich schon bei meinem Bruder miterleben konnte, was das für eine tolle Chance ist, habe ich sie natürlich gerne angenommen. Ich habe fünf Jahre lang in den USA gelebt: Zuerst habe ich in der High School Basketball gespielt und später auf dem College in Boston. Im WNBA Draft im Jahr 2007 wurde ich von den Minnesota Lynx ausgewählt und habe dort eine Saison gespielt. Es waren besondere Erfahrungen, die ich dort machen durfte.
Der Sport und sein Niveau ist natürlich sehr verschieden, wenn man Italien mit den USA vergleicht.
Inwiefern heben sich diese Erfahrungen von jenen ab, die Sie hier in Südtirol gemacht haben?
 
Ich habe, bis auf mein letztes Jahr, nie in Südtirol gespielt. Insofern kann ich erst jetzt richtige Unterschiede erkennen, vor allem auch als Trainerin. Der Sport und sein Niveau ist natürlich sehr verschieden, wenn man Italien mit den USA vergleicht. Und in Südtirol noch mehr. Ich glaube hier in unserer Region gibt es insbesondere für individuelle Sportarten gute Chancen, wie zum Beispiel Tennis oder Skifahren. Mit den Mannschaftssportarten sieht das oft anders aus: Meist ist das Niveau eher begrenzt und nicht sehr hoch. In Amerika ist das anders. Dort hatte ich mehr Gelegenheiten, da viele Sportarten sehr gefördert werden. Es ist in den USA auch einfach, Schule und Sport zu vereinen. Sich weiterzubilden und trotzdem seine Erfahrungen im Sport zu machen, ist kein Problem, weil das Schulsystem darauf ausgelegt ist und dir dabei sehr hilft.
 
 
Wie war es, auf einem so hohen Niveau zu spielen?
 
Naja, da hat man eben das Profiniveau, das in Italien und in vielen europäischen Staaten noch fehlt. Man ist dort Vollprofi, alles steht dir aus sportlicher Sicht zur Verfügung. Aber auch auf College Niveau wird man bereits wie ein Profi behandelt. Alles wird von der Struktur organisiert und bereitgestellt. Man selbst muss sich nur auf das Spielen konzentrieren. Das ist natürlich auch fürs College sehr wichtig, weil die Spiele beispielsweise immer mit der Schuleinrichtung abgesprochen werden. Es ist also nie so, dass man einen Test nicht schreiben kann, weil man an diesem Tag ein Spiel hat. In der WNBA ist das alles natürlich nochmal auf einem ganz anderen Niveau und das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Man spielt in den Stadien der NBA vor zigtausend Menschen. Schon im College durfte ich vor 18.000 Menschen spielen. Das sind Erfahrungen, die in Italien nicht möglich sind oder zumindest nur begrenzt. Man bekommt das komplette Paket sozusagen (lacht).
 
Warum sind Sie danach wieder nach Italien zurück?
 
Ich war während dieser Zeit auch im Nationalteam beschäftigt und bin deshalb wieder nach Italien zurück, wo ich, wie auch schon vor den USA, in der Mannschaft Famila Schio spielte. Viele Amerikanerinnen haben auch eine Art Doppelleben. Im Sommer spielen sie in der WNBA und im Winter gehen sie nach Europa, Russland oder teilweise auch China, um dort zu spielen. Ich habe dasselbe gemacht und die Gelegenheit, wieder in die USA zu gehen, hat sich nicht mehr ergeben. Das war nicht weiter schlimm für mich, ich hatte meine Erfahrung in der WNBA ja gemacht. Natürlich hätte ich gerne noch ein Jahr dort gespielt, der Anruf kam aber nicht, weshalb ich in Europa geblieben bin.
 
Wo und wann hatten Sie Ihre schönste Saison?
 
In Amerika hatte ich viele schöne Saisonen. Meine Erste dort war natürlich super, dort haben wir sogar unsere „Conference“ gewonnen. Auch beim NCAA Tournament, also dem Turnier, das nach der eigentlichen Collegesaison kommt, konnten wir gute Ergebnisse erzielen. Die erste Saison zurück in Italien war auch eine meiner liebsten. Ich spielte wieder mit Famila Schio, wir gewannen den Scudetto und die 2. Europäische Liga. Das waren sehr schöne Erfahrungen und erfolgreiche Saisonen.
Social Media gibt diesen Sportarten eine Plattform, auf der man sich informieren und den Sport für die Masse zugänglich machen kann.
Hat sich Basketball verändert seit Sie damit angefangen haben?
 
Ich würde sagen, heutzutage mit den sozialen Netzwerken hat sich das ganze Leben verändert, auch was den Sport betrifft. Man hat viel mehr Informationen und auch, wenn man ins Ausland geht, ist es viel einfacher, mit der Heimat in Kontakt zu bleiben. Auch die Art sich weiterzubilden, hat sich verändert. Es ist einfacher geworden, Sport und Schule zu vereinen, beispielsweise durch Onlinestudien. Generell lässt sich sagen, das es viel mehr Auswahl gibt. Der Sport bleibt immer derselbe aber heutzutage weiß man mehr darüber. Vor allem die Frauensportarten werden in den öffentlichen Medien nicht so oft gezeigt wie der Männersport. Social Media und das Internet geben diesen Sportarten eine Plattform, auf der man sich informieren und den Sport für die Masse zugänglich machen kann. Auch die einzelnen Spielerinnen werden zu Personen des öffentlichen Lebens. Früher war das nicht möglich, heute hingegen kann man all diese Menschen besser kennen, wenn man das will.
 
 
Sehen Sie eine positive Entwicklung im Frauenbasketball und generell im Frauensport?
 
Sehr langsam, aber ja, man macht Schritte nach vorne. Seit ein paar Jahren spricht man endlich auch über Mutterschaft und darüber, dass auch Frauensport ein Profisport werden kann. Angefangen hat man jetzt bei den Fußballerinnen, aber natürlich sollte man größere Schritte machen. Ein großes Problem ist das Geld. Viele Clubs haben die finanziellen Mittel nicht, Frauensport auf Profiniveau zu fördern. In diesem Fall ist es natürlich besser, sich auf Amateurebene zu bewegen, als den Sport gar nicht ausüben zu können. Fortschritte sind schon da und Social Media macht es auch einfacher, das Ganze weiter zu verbreiten. Viele Frauen setzen sich seitdem auch mehr dafür ein, dass ihr Sport bekannter gemacht und mehr praktiziert wird.
 
Wann haben Sie sich entschieden, mit dem Basketballspielen aufzuhören?
 
Im Jahr 2019 hat mir mein Körper, nach meiner dritten Operation am selben Knie, zu verstehen gegeben, dass es Zeit ist, aufzuhören. Ich hätte mir gewünscht, meine Karriere auf andere Weise zu beenden, weil ich das letzte Jahr wirklich sehr unter den körperlichen Beschwerden gelitten habe. Schon drei Jahre vorher hatte ich den Trainerkurs absolviert, weil ich wusste, das könnte mich später einmal interessieren. Gleich nach meinem Rückzug bin ich wieder nach Südtirol gezogen und habe begonnen, Jugendliche der Vereinigung Basket Rosa in Bozen zu trainieren. Ich bin immer wieder auch bei der Nationalmannschaft tätig, letzten Sommer beispielsweise habe ich die U18 für die Europäische Meisterschaft in Griechenland trainiert, wo das Team den 5. Platz belegt hat. Nächstes Jahr steht dann der World Cup an.
Es ist wichtig, dass die Jugendlichen lernen, dass es etwas außerhalb dieser kleinen Welt gibt, die sie gewohnt sind.
Wie versuchen Sie Ihre Erfahrungen als Spielerin, in Ihre Arbeit als Trainerin mit einfließen zu lassen?
 
Vor allem mit den größeren Mädchen ist es mir wichtig, dass sie lernen, dass es etwas außerhalb dieser kleinen Welt gibt, die sie gewohnt sind: Sie sollen auch mal über den Tellerrand schauen. Das Niveau hier in der Region ist nicht außergewöhnlich, deshalb versuche ich ihnen zu vermitteln, dass man sich anstrengen und sein Bestes geben muss, wenn man in diesem Sport etwas erreichen will. Klarerweise ist die Auswahl in Bozen und generell in Italien eher begrenzt, trotzdem kann man durch den Sport auch hierzulande sehr tolle Erfahrungen machen. Ich habe meine nach den USA in Italien und Spanien genutzt, es gibt aber so viele andere Länder, die den Jugendlichen große Chancen bieten können.
 
 
Sie sind auch nach Beendigung Ihrer Karriere als Spielerin weiterhin im Basketball aktiv - als Trainerin aber auch im Consiglio Federale della Federazione Italiana Pallacanestro als Beraterin für die Spielerinnen. Ist es nach all den Jahren im Basketball eigentlich möglich, damit abzuschließen?
 
Viele meiner Ex-Kolleginnen wollen nichts mehr mit dem Sport zu tun haben (lacht). Wenn man sein ganzes Leben für einen Sport aufopfert, dann hat man irgendwann auch genug davon. Im Moment kann ich jedoch noch nicht loslassen. Vielleicht wird es mir irgendwann auch zu viel und ich möchte nichts mehr damit zu tun haben, wer weiß. Der Sport ist meine Passion und die Arbeit mit den Jugendlichen hat mir immer schon sehr gut gefallen, auch in anderen Bereichen. Ich unterrichte beispielsweise auch in einer Schule und mag es, mit den jungen Menschen in Kontakt zu sein und meine Erfahrungen weiterzugeben. Meiner Meinung nach können die Jugendlichen auch mehr von jemandem lernen, der gewisse Erfahrungen selbst gemacht hat, anstatt von Personen, die diese Dinge „nur“ erlernt haben.