Cultura | Verlage

"Ein Verlag ist mehr als nur Bücher machen"

Gottfried Solderer zu den spannendsten Titeln des Jahres, was 2015 auf den Raetia Verlag und seine Schwesterfirmen zukommt und über seinen Filmtraum.

Herr Solderer, wie viele Buchtitel sind im vergangenen Jahr bei Raetia erschienen?

Das waren an die 20 Titel, also mehr Bücher als wir sonst machen. Doch es gab so viele gute Vorschläge, und da kann man schwer Nein sagen. Bücher machen jedoch ist das eine, Bücher verkaufen das andere. Heuer wollen wir unser Programm etwas reduzieren und dem Verkauf, dem Vermarkten, mehr Aufmerksamkeit widmen.

Welches waren denn die herausragenden Bücher 2014?

Das war sicherlich das Buch von Udo Bernhard und Erwin Brunner über ein Bauernleben am Vinschger Sonnenberg, das sehr gut ging. Weiters auch die Wiederentdeckung der Festtagsrezepte eines Schildhofes im Passeiertal, oder auch die Heiligen Weibsbilder, Darstellungen von starken Frauen aus früheren Zeiten, die wir jetzt nachdrucken. Unsere Auflagen sind ja nicht groß, 3.000 beim Vinschger Sonnenberg, 2.000 beim Kochbuch und das Weibsbilder-Buch druckten wir 1.500-fach. Hinzu kommt aber noch das Buch von Christoph Franceschini über den SEL-Skandal, das unsere Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Da sind wir jetzt bereits bei über 8.000, das ist sehr viel, wenn man bedenkt, dass in Österreich ein Buch ab der Auflage von 10.000 ein Bestseller ist.

Es wird also gelesen, wenn das richtige Buch am Markt ist?

Ja, das schon, trotzdem ist es für uns als kleiner Verlag immer schwierig im Gespräch zu bleiben. Man muss präsent bleiben, auch nach der ersten Buchvorstellung. Da wünsche ich mir oft eine bessere Netzwerkleistung von unseren Bibliotheken in den Bezirken. Wir als Verlag produzieren das Buch und sorgen dafür, dass es vorgestellt wird und dass es in den Vertrieb kommt. Die Kulturvereine und Bibliotheken hingegen könnten uns durchaus entgegen kommen und selbst auch planen, ob für sie Lesungen mit lokalen Autoren interessant sind.

Diese Bücher wurden noch mit dem System der Titelförderung über Drittvereine produziert. Wann kommt die Wende?

Lange genug haben wir auf diese Weise nun Bücher produziert, obwohl schon seit Zelgers Zeiten ein neues Modell angedacht war. Jetzt jedoch scheint es zu klappen mit der Änderung der Verlagsförderung. Denn lange konnte die Kulturpolitik über die Verlage eben auch Einfluss nehmen, welche Bücher bzw. Autoren gefördert werden und welche nicht. Wo es keine öffentliche Förderung für ein Buch gibt, da stirbt das Projekt. Wir brauchen die öffentliche Förderung für die Druck- und Produktionskosten. Jetzt im Frühjahr soll es an die Planung des neuen Gesetzes gehen, das eine Programmförderung fürs ganze Jahr vorsieht. Auch ist es wichtig, dass die italienische und deutsche Förderung gleich ausschaut, bisher gab es da auch unterschiedliche Interpretationen.

Es war oft die Rede vom „österreichischen Modell“ der Verlagsförderung. Was heißt das?

Das Grundlegende ist sicher, dass es eine Jahresförderung auf der Basis des Verlagsprogrammes gibt, außerdem eine grundsätzliche Entscheidung über die Fördermittel und Kriterien, und hier wird es sicherlich eine Kommission brauchen. Das greift dann, wenn alle politischen Instanzen durchlaufen sind, im Jahr 2016. Der politische Wille ist ja einheitlich vorhanden, der Beschlussantrag der Grünen wurde im Landtag genehmigt, so langsam erkennt man die Wichtigkeit der Verlegertätigkeit an.

Raetia hat mittlerweile auch andere Standbeine, im Filmsektor etwa, wie läuft es da?

Ich hab meinerseits vor vier Jahren, als ich in Pension ging, überlegt, was man zusätzlich für den Verlag tun kann und habe mich bzw. uns in den Filmbereich eingeklinkt; momentan haben wir zusätzliche vier Firmen zwischen Film und verwandten Bereichen aufgebaut. Es werden Serviceleistungen abgedeckt, wie Autoverleih, Komparsen und Schauspieler, Buchhaltung, Steuervergünstigungen aus Rom; aber wir treten auch als Koproduzenten auf und produzieren Filme selber. Das ist ein sehr spannender Bereich und ausbaufähig. Mein Wunsch wäre eine Art Mini-Cinecittà in Bozen. Unser Ziel wäre, die Südtiroler Produzenten und Filmschaffenden zusammenzuführen, gemeinsam wäre man stärker.

Das ist das zweite Standbein und damit haben wir den Verlag auch personell entlastet, denn einige unserer Mitarbeiter werden von dort bezahlt. Auch die Exlibris, die Genossenschaft für Lektorat und Übersetzungen, ist gewachsen, auch dort sind vier Leute fix angestellt, und es gibt eine Reihe von freien Mitarbeitern.

Raetia hat also diversifiziert, um weiterhin seinem Kerngeschäft, dem Büchermachen, nachgehen zu können?

Im Grunde war das für uns fast selbstverständlich, denn wo ein gewisses know-how und Netzwerk da ist, wäre es schade, es nicht für andere Bereiche zu verwenden. Der Verlag ist unser Kompetenzzentrum und über das Land hinaus anerkannt mit Namen und Programm. Davon ausgehend ist es viel einfacher, auch in anderen Bereichen Projekte auf die Beine zu stellen.

Trotzdem wollen Verlage auch wegen ihres eigentlichen Tuns anerkannt werden?

Die Kultur wird viel zu oft als Bittsteller dargestellt, aber das stimmt nicht. Wir von der Verlagszene generieren durch unsere Umwegfinanzierung viel mehr als wir an Förderung erhalten. Wir haben selbst Angestellte, unsere Aufträge gehen an Grafiker, Übersetzer, Druckereien und Vertriebsfirmen. Auch schafft die Verlagstätigkeit einen Mehrwert, einen wirtschaftlichen aber vor allem einen kulturellen und gesellschaftlichen. Wir machen ja Bücher und keine Konservendosen.

Was ist mit den Autoren, auch die profitieren ja, wenn das Verlagswesen besser unterstützt wird?

Ich würde das sogar als Förderkriterium in das neue Gesetz hineinschreiben, dass die Autoren ordentlich bezahlt werden, denn das passiert nicht überall. Oft sind sie einfach nur erfolgsbeteiligt, und sonst nichts. Eine Absicherung hier wäre wichtig, denn von der Ehre kann niemand leben.

Recht viele lokale Autoren würden davon aber nicht profitieren?

Es sind nicht sehr viele, Südtirol ist zu klein für den Markt. Vom Schreiben leben kann hier keiner.

Was wird momentan geschrieben in Südtirol?

Moment sind die sogenannten neuen Tirolensien sehr beliebt, Werke wie „Beim Essen isch man gsessen“ oder ein Hebammenbuch, das jetzt im Frühjahr bei uns neu erscheint. Das funktioniert sehr gut. Pure Literatur leisten wir uns aber auch: Demnächst erscheint ein Roman von Horst Moser, eine Pustertaler Neuentdeckung.

Romane und Erzählungen werden in Südtirol immer weniger geschrieben?

Es wird zwar geschrieben, doch verkaufen wir davon wenig genug, 500 oder 600 Bücher. Wenn Fiktion geschrieben wird, dann wollen die Südtiroler nicht unbedingt hier publizieren und suchen sich viel eher einen Verlag im Ausland, in Deutschland oder Österreich. Auch wir erhalten Manuskripte aus dem Ausland, aber Beiträge sind dann eben nicht drin, nur hier ansässige Autoren werden gefördert. Es ist oft ein Widerspruch, was im kleinen funktioniert, ist dann wieder ein Handicap, wenn man über die Grenze will. Wir als kleiner Verlag tun uns da schon schwer, überhaupt wahrgenommen zu werden.