Ambiente | Hotel-Bau

Was verträgt Schnals?

Das Athesia-Projekt “Almdorf Schnals” schreitet voran. Die UVP ist auf den Weg gebracht. Indes regt sich erstmals öffentlich Kritik an dem befürchteten “Tourismusghetto”.
Kurzras
Foto: HPV/Google Streetview

Der Schnalser Gemeinderat war einhellig dafür. 14 von 14 anwesenden Räten stimmten am 20. Jänner für die endgültige Genehmigung der neuen Tourismuszone “Kurzras II”. Dort soll, am Talschluss, auf ca. 2.000 Metern Meereshöhe, das wohl größte Hotel-Projekt des Landes entstehen: das “Almdorf Schnals”. Allerdings nicht ganz ohne Gegenwind.

 

UVP und Zweifel

 

Hinter dem Vorhaben “Almdorf Schnals” steht die Schnalstaler Gletscherbahnen AG bzw. deren Mehrheitseigentümerin Athesia Druck GmbH. Auf einem 1,7 Hektar großen Areal soll ein Hotelkomplex mit einem zentralen Mehrzweckgebäude samt Sport-, Pool- und Wellnessbereich sowie sechs Zimmertrakten mit 600 Zimmern entstehen. Projektant ist das Ingenieurbüro IPM aus Bruneck, der grafische Entwurf für das “Almdorf” stammt vom Bozner Studio noa, das für die Schnalstaler Gletscherbahnen AG bereits die Aussichtsplattform “Iceman Ötzi Peak” auf dem Grawand-Gletscher entworfen hat.

 

Am 15. Jänner hat die IPM im Auftrag der Athesia das Ansuchen um die Durchführung des UVP-Verfahrens eingereicht. Dass für das “Almdorf” eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig sein wird, stand bereits vor knapp einem Jahr fest. Aufgrund einer Umweltvorstudie von Februar 2020 war das Landesamt für Umweltprüfungen zu folgendem Schluss gekommen: “Aufgrund der Größe des Eingriffs und der Lage des Projektgebietes erscheinen zusätzliche Untersuchungen zur Bestimmung der Umweltauswirkungen notwendig. Besonders zu beachten sind die landschaftlichen Auswirkungen durch das enorme unterirdische und oberirdische Bauvolumen (ursprünglich veranschlagt waren 26.000 bzw. 55.000 Kubikmeter, Anm.d.Red.) der Gebäude des Hotelkomplexes und die notwendigen Lawinenschutzdämme, die möglichen hydrogeologischen Auswirkungen auf den angrenzenden, sehr sensiblen Moorkomplex durch den Aushub für die unterirdischen Garagengeschosse, die Auswirkungen durch die Baustellen und die notwendigen Transporte des Aushubmaterials und der eventuell notwendigen Deponieflächen.”

 

Zweifel äußert auch der Landesbeirat für Baukultur und Landschaft in einem Gutachten. Das Fazit: “Das Projekt ist für diesen sensiblen Ort nicht geeignet. (…) Es ist auch inhomogen und sehr stark und auf verschiedene Arten auf den eigenen Ausdruck ausgerichtet, obwohl der besondere Ort des Talschlusses eine einfachere Antwort verlangt.” Auch nach mehrmaliger Überarbeitung des Projekts heißt es in einem dritten Gutachten: “An der Aussage, dass das Projekt einen sehr großen und problematischen Eingriff in die sensible Landschaft des Talschlusses darstellt, hält der Beirat fest.”

Nun regt sich erstmals nicht nur in internen Gutachten und Stellungnahmen, sondern auch öffentlich Kritik an dem Vorhaben der Athesia. “Kein Almdorf, sondern ein Tourismusghetto” entstehe da in Kurzras, heißt es vom Südtiroler Heimatpflegeverband und dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Dort warnt man davor, “die Fehler der 1970er Jahre, als mit der Errichtung von überdimensionierten Baukörpern für Tourismusbauten ein massiver Eingriff in das Landschaftsbild des Schnalser Talschlusses gemacht wurde, zu wiederholen und sogar noch zu potenzieren”.

 

Absage auf allen Ebenen

 

In einer Aussendung schreiben Heimatpfleger und Umweltschützer: “Die geplante Verbauung von sage und schreibe 33.685 Quadratmetern Grundfläche und 70.000 Kubikmetern Baukubatur stehen in keinerlei Verhältnis zur kleinstrukturierten Siedlungsstruktur im Schnalstal. Die bis zu 27 Meter über dem heutigen Niveau hohen Hotelbauten und der bis zu acht Meter hohe Lawinenschutzdamm durchbrechen die Sichtverbindungen im hinteren Schnalstal und werden die hohe landschaftstypische Eigenheit und die ausgesprochene landschaftliche Vielfalt vom Schnalser Talschluss nachhaltig und irreversibel schädigen und zunichte machen.”

Das Hotel-Projekt sei aus ökologischen und landschaftsbildlichen Gründen, aber auch aufgrund von wirtschaftlichen Überlegungen abzulehnen, sind Dachverband und Heimatfplegeverband überzeugt. “Mit einem historischen Almdorf, wie sie im Alpenraum über Jahrhunderte entstanden sind und die alpine Landschaft auf markante Weise prägen, hat das geplante Projekt gar nichts zu tun. Vielmehr ähnelt die geplante Hotelanlage frappierend den Retortendörfern, die in den französischen Alpen ab den 1960ern für den Skimassentourismus aus dem Boden gestampft wurden und die bis heute die Entwicklung der betroffenen Talschaften negativ belasten. Nicht umsonst fordert man in Frankreich mittlerweile den Abbau dieser Wintersportanlagen aufgrund ihrer ‘sozialen Wertlosigkeit und ihrer ökologischen Schädlichkeit’. Der Alpenforscher Werner Bätzing spricht in diesem Zusammenhang von ‘Tourismusghettos’.”

 

Außerdem seien die bis zu 170 neuen Mitarbeiter-Betten im vorliegenden Projekt noch gar nicht berücksichtigt, “obwohl das erforderlich wäre, um den Gesamteingriff richtig beurteilen zu können”, bemängeln Heimatpfleger und Umweltschützer. Und nicht zuletzt erschienen die vorgelegten ökologischen Ausgleichsmaßnahmen “angesichts des Ausmaßes an Zerstörung von unberührter Landschaft lächerlich gering und teils zweifelhaft”.

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Manfred Gasser Ven, 02/05/2021 - 19:01

In risposta a di Johann Georg B…

Stimmt, denn um dieses Tal ist nicht mehr schade, es gibt eh keinen Quadratmeter mehr, auf dem nicht irgendein Ständer steht.
Über Weitblick könnte man streiten, wenn man Sestriere ins Schnalstal vetpflanzt.
Fortschritt kann auch Rückschritt sein, das kann man im Tal jetzt schon gut betrachten, da kommt jetzt das Update.
Und Umweltschützer gehörten genau so verboten wie der Klimawandel.

Ven, 02/05/2021 - 19:01 Collegamento permanente
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Herta Abram Sab, 02/06/2021 - 13:58

Ökologische sowie soziale und ökonomische Nachhaltigkeit muss, an erster Stelle stehen.
Der Klimawandel verlangt Strategien von uns, die sich auf das gute Überleben unserer Kindeskinder auswirken wird. Und bedeutet auch für touristische Unternehmen und Destinationen einen Wandel:
1) Zuerst kommt die Natur, die in unserem eigenen Interesse langfristig geschützt werden muss (Natur -und Umweltschutz = Zivilisationsschutz),
2) dann kommt die Gesellschaft, deren Entwicklung mittelfristig für Umsatz sorgt,
3) und schlussendlich der eigene, kurzfristige Geschäftserfolg.
Diese drei Bereiche zu berücksichtigen, muss das Ziel von zukunftsfähigen Unternehmen sein.

Sab, 02/06/2021 - 13:58 Collegamento permanente
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Margot Wittig Sab, 02/06/2021 - 16:30

bei der Größe und Form dieser Gebäude von einem Almdorf zu sprechen, scheint mir schon sehr verwegen. Der geplante Komplex passt doch eher in eine Stadt, nicht an den Talschluss von Schnals, er hat mit dem vorhandenen Kontext überhaupt nichts zu tun. Jeder Neubau sollte einen längerfristigen Mehrwert für die umliegende Landschaft bringen und das hat der Landesbeirat für Baukultur und Landschaft sehr wohl erkannt, aber die kommen ja "nur von aussen und sehen es wohl nicht richtig"...

Sab, 02/06/2021 - 16:30 Collegamento permanente
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Günther Mayr Lun, 02/08/2021 - 10:16

Offensichtlich ist Athesia der Stein des Anstosses.
Wenn es hieße: BIO-Almdorf! - dann wäre der Affe wohl "gekampelt"!
WAS paßt neben dem KURZ hin?
... und was ein Arbeitsplatz bedeutet, ... wenn es nicht der eigene ist!

Lun, 02/08/2021 - 10:16 Collegamento permanente
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Herta Abram Lun, 02/08/2021 - 11:37

In risposta a di Günther Mayr

Es ist liegt in Ihrer Entscheidung, ob Sie die Reaktionen zum Projekt, auf „eine Person“ festmachen wollen…
Und ja es könnten gute Arbeitsmöglichkeiten entstehen. Ob kurz -, mittel- oder langfristig hängt davon ab, mit welchem Bewusstsein die vielfältigen Leistungen und Werte unseres „Naturkapitals“ betrachtet wurden.
Hier geht es um eine Haltung im Sinne von Zukunft verstehen, um Wissen und Weitblick und nicht um Sympathien oder persönlicher Befindlichkeiten.

Lun, 02/08/2021 - 11:37 Collegamento permanente
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Günther Mayr Lun, 02/08/2021 - 11:44

In risposta a di Herta Abram

"Hier geht es um eine Haltung im Sinne von Zukunft verstehen, um Wissen und Weitblick" - und diese dürfen bei diesem Projekt keine Rolle spielen - bloß weil Athesia?
vorauseilendes Schlechtmachen - damit ist auch niemand gedient.
Geben sie der Sache die gleiche Chance die Sie selber erwarten würden!
Immerhin sind sie dort nicht ortsansässig noch tragen Sie vorort Verantwortung.
Sollen sie's gut machen, dann wird alles besser!

Lun, 02/08/2021 - 11:44 Collegamento permanente