Das Kreuz mit dem Kreuz

Die verkorkste SVP-Basiswahl scheitert nicht nur an überzogenen Egos und missglückten Facebook-Posts. Sie scheitert zuallererst an einem überhasteten Sprung in die „moderne“ Politik.
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Die Strategie, mit der sich die Südtiroler Volkspartei in die Basiswahlen stürzte, war ebenso gut gewählt wie altbekannt. Eine Inszenierung des „Duells der Riesen“ kennt nämlich nur Gewinner: Während die SVP der Opposition jeglicher Couleur geschickt den Fokus entzog, hatten die Medien, insbesondere die Print-Vertreter, ihr schnelles, leichtes Narrativ, fix und druckfertig geliefert. Ob Stronach vs. Feymann, Obama vs. Romney, Strache vs. die „linke Brut“ oder Grillo vs. den ganzen Rest, Duelle zählen zum Grundrepertoire jedes Wahlkampfstrategen. Vermutlich ungeplant war man also in eine optimale Aufstellung gerutscht, aus der die oft vorausgesagte „Herbstwatsche“ so gut wie abgewendet schien. Kein Wunder, dass selbst Überlegungen, zur endgültigen LH-Frage erst die Auszählung der Vorzugsstimmen abzuwarten, bereits angedacht wurden. Nach dem Rückzug Theiners bleibt nun ein Scherbenhaufen zurück: Die Basiswahl verkommt mit ihren knapp geschätzten eineinhalb Kandidaten zur simplen Amtsbestätigung und innere Streitereien, die über unzählige Ecken an die Öffentlichkeit gelangen, hinterlassen den Mief eines verstrittenen Haufens. Und hinter verschlossenen Türen wird nun schon über die nächste Revolution diskutiert: Kommt Theiner zurück? Wird der Wahlkampf jetzt schmutzig? Wer ist jetzt eigentlich dieser Herr Störfaktor?

Man kann über die Landesvertretung der SVP vieles munkeln, eines jedoch war in den letzten Jahren, ach was, Jahrzehnten Tatsache. Die SVP war nie ein demokratisches Gebilde und wollte es nie sein. Sie funktionierte selbstverständlich in einem demokratischen System, parteiinterne Differenzen aber wurden stets, ganz offen, von oben diktiert. Durnwalder war nie der Team-Player, den viele gern in ihm gehabt hätten, und das Image des dominierenden „starken Mannes“ wird seine Regierungszeit wohl am längsten überdauern, ob nun im positiven oder negativen Sinne. Im Gegensatz zur Person war der Partei dieser Ruf jedoch nicht geheuer, gerade im Blick auf die Erfolge, die Freiheitliche und Co. bei der ominösen Jugend hatten, sollte die Öffnung her. Je schneller, desto besser. Nun muss die Volkspartei schmerzhaft lernen, dass das Ausrufen basisdemokratischer Schlagwörter allein noch keine moderne Partei ausmacht.

So ehrenwert die modernisierenden Absichten der jungen Riege, allen voran Landessekretär Philipp Achammer waren, sie waren in einem Kontext, der bisher die öffentliche Meinung lediglich in knappen Zeiträumen vor und nach anstehenden Wahlen um Mithilfe bei Entscheidungsfindungen bat, schlichtweg fehl am Platz. Die nun entstehenden Kollateralschäden können natürlich ausgebügelt werden, doch „Culture Clashs“, und um nichts weniger handelt es sich hier, brauchen neben im Moment nicht vorhandener Zeit meist auch lernwilliges Personal. In der Zwischenzeit kann es Richard Theiner nicht fassen, dass innerparteiliche Opposition auch innerparteilichen Wahlkampf zur Folge hat, Arno Kompatscher wirft nach wenigen Tagen Internet-Netiquette schon mit Berlusconi-Vergleichen um sich und Thomas Widmann glaubt, mit dem Harlem Shake Popularitätswettbewerbe gewinnen zu können. Und irgendwo, ganz still, wünscht sich Achammer, er hätte den Twitter-Vogel nie aus dem Käfig gelassen.

Basisdemokratie ist immer eine kluge Idee, solange sie schwarz auf weiß auf dem Papier steht. Sie erfolgreich zu implementieren, erfordert jedoch mehr als den Wunsch nach positiv gesinnter Presse, das hat auch die Volkspartei gemerkt. Das Ergebnis: Nach ersten, unfruchtbaren Friedensgesprächen (Stocker und Widmann durften als Mediatoren mitfiebern), wird über die Ergebnisse allen Beteiligten striktes Stillschweigen verordnet. Sendepause. Und das Transparenz-Experiment liegt fürs Erste auf Eis.