Cronaca | Verbrechen

„Vater zum Schweigen bringen“

Die psychiatrischen Gutachten gehen bei Benno Neumair von einer schweren Persönlichkeitsstörung aus. Seine Lügen machen die Rekonstruktion des Elternmordes kompliziert.
gutachter:innen.jpg
Foto: Salto.bz

Im Prozess zum Elternmord von Peter Neumair und Laura Perselli sagen heute, am 5. Mai, die psychiatrischen Gutachter:innen im Schwurgericht von Bozen aus. Benno Neumair soll seine Eltern am 4. Januar 2021 erdrosselt haben. Der 31-Jährige hat bereits ein entsprechendes Geständnis abgelegt. Die Gutachten sollen Erkenntnisse darüber bringen, ob er bei der Tat zurechnungsfähig war – davon hängt wiederum das Strafausmaß ab.

Psychiater und Gutachter Eraldo Mancioppi geht von einer narziss­tischen, antisozialen, passiv-aggressiven Störung der Persönlichkeit des mutmaßlichen Täters aus. Gemeinsam mit dem auf Psychodiagnostik spezialisierten Psychologen Marco Samory und der Psychologin und Kriminologin Isabella Merzagora wurde Mancioppi von dem Schwurgericht als Sachverständige berufen. Ihre These lautet, dass Benno Neumair beim Mord an dem Vater nur teilweise zurechnungsfähig, bei jenem an der Mutter aber voll zurechnungsfähig gewesen sei.

 

Er wollte seinen Vater zum Schweigen bringen - Eraldo Mancioppi

 

Streit als Auslöser

 

Der Auslöser für den Doppelmord soll ein Streit mit dem Vater gewesen sein. „Dieser Tag war für die Familie sehr emotional, da die Großmutter aus dem Krankenhaus entlassen wurde, es einen Konflikt wegen der Pflege des Hundes gegeben hat und Benno Neumair mit seinem Vater wegen Geld stritt“, sagt Mancioppi.

„Aufgrund seiner psychischen Störung hat Benno Neumair keine andere Möglichkeit gesehen, um der Situation zu entfliehen“, erklärt Merzagora den Mord an Peter Neumair. „Er wollte seinen Vater zum Schweigen bringen“, so Mancioppi. Nach dieser Tat habe er Zeit gehabt, seine weiteren Schritte zu planen. Samory geht davon aus, dass Benno Neumair seine Mutter aus Angst tötete. So hätte er verhindern wollen, dass sie als Zeugin aussagen könnte und er ins Gefängnis muss.

 

Hinter diesen steht das beständige Gefühl, nicht zu genügen, versagt zu haben, nicht angenommen zu sein - Isabella Merzagora

 

Persönlichkeitsstörung

 

Merzagora bestätigt, dass eine schwere Persönlichkeitsstörung, wie die von Benno Neumair, eine Gewalttat wahrscheinlicher macht. „Bei einer solchen Persönlichkeitsstörung braucht die Person kontinuierlich Bestätigung, konzentriert sich auf sich selbst und kann sich in Bezug auf bestimmte Personen schlecht kontrollieren“, erklärt die Kriminologin vor Gericht.

 

Solange er im Gefängnis ist, geht von ihm jedenfalls keine Gefahr für Madé aus - Eraldo Mancioppi

 

Welche Worte Peter Neumairs der Auslöser waren, kann aber auch sie nur mutmaßen: „Es ist viel zusammengekommen und dann muss etwas sehr Schlimmes passiert sein“, so Merzagora. Vor allem hatte Benno Neumair unter den häufigen Streitigkeiten gelitten: „Hinter diesen steht das beständige Gefühl, nicht zu genügen, versagt zu haben, nicht angenommen zu sein“, sagt sie.  

 

 

Die Frage, ob der 31-Jährige eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, beantwortet Mancioppi differenziert. Eine Gefahr sei er nur für jene Personen, zu denen er sich in einem engen Abhängigkeitsverhältnis befindet. Auf seine Schwester Madé Neumair angesprochen sagt Eraldo Mancioppi: „Solange er im Gefängnis ist, geht von ihm jedenfalls keine Gefahr für Madé aus.“

 

Gutachten der Staatsanwaltschaft

 

Die von der Staatsanwaltschaft beauftragten Gutachter:innen Renato Ariatti, Stefano Zago und Ilaria Rossetto gehen in ihrem Urteil über die Zurechnungsfähigkeit von Benno Neumair während der Tat weiter: Auch wenn er unter einer Persönlichkeitsstörung leidet, soll er während dem Doppelmord voll zurechnungsfähig gewesen sein.

 

 

Zago berichtet, dass bei den mit Benno Neumair durchgeführten Tests, keine kognitiven oder psychotischen Störungen festgestellt werden konnten. Sein Intelligenzquotient (IQ) liege bei 98, der durchschnittliche IQ liege bei 100. Die Gutachter:innen der Staatsanwaltschaft werfen jenen des Schwurgerichts vor, die Aussagen von Benno Neumair für bare Münze zu nehmen. „Die Lüge ist eine Methode, die ihn immer begleitet hat“, sagt Ariatti. Die Schlussfolgerung lautet also, dass die Ursache für die Gewalttat in der psychischen Krankheit und nicht im Streit mit dem Vater lag.

Der nächste Prozesstag findet am 17. Mai statt, dort werden weitere Zeug:innen angehört. Zudem will Benno Neumair am 14. Juni selbst vor dem Schwurgericht aussagen.